Im Jahre 2012 bezogen im Kanton Zürich 2.6%
bzw. rund 3000 der Kinder im Schulalter ein MPH-Präparat (Ritalin, Concerta); in der Schweiz (ohne
Kanton Zürich) waren es 2.4%. Es zeigen sich deutliche Geschlechtsunterschiede,
indem 3.9% der Knaben im Schulalter, aber nur 1.3% der Mädchen im Kanton Zürich
MPH erhielten.
Studie zur Behandlung mit Methylphenidat (MPH), Info-Bulletin "Eltern gegen Drogen", 1/2016
Betrachtet man die zeitliche Entwicklung der
MPH-Verschreibungen im Kanton Zürich, so zeigt sich, dass sich die
Verschreibungsprävalenzen im Zeitraum der Jahre 2006-2012 für beide
Geschlechter nahezu verdoppelt haben. Allerdings fand dieses Wachstum primär
zwischen 2006-2010 statt, danach haben sich die Fallzahlen in dieser
Altersgruppe stabilisiert. Der Hintergrund für diese Zunahme kann aufgrund der
schmalen epidemiologischen Datenlage nicht genau eruiert werden. Am
wahrscheinlichsten scheint, dass in den letzten Jahren mehr Schulkinder (z. B.
durch häufigere Abklärungen) eine ADHS-Diagnose erhielten und/oder ein
zunehmender Anteil von diagnostizierten Kindern medikamentös behandelt wurde.
Die Zunahme der MPH-Behandlungen muss jedoch nicht zwingend durch eine
Veränderung der Behandlung in Richtung „mehr Medikamente“ bedingt sein, sondern
ist auch allein durch vermehrte Abklärungen bzw. mehr diagnostizierte Fälle
erklärbar.
Bei den Fachpersonen, welche MPH den Patienten
erstmalig verschreiben, handelt es sich bei etwas mehr als der Hälfte um
Fachärzte und -ärztinnen der Erwachsenen- oder Kinder- und Jugend-Psychiatrie.
Je rund ein Fünftel der Erstverschreibenden sind Allgemeinpraktiker oder
Pädiater. MPH wird somit in einer Mehrheit der Fälle durch Ärzte und Ärztinnen verschrieben,
die einen fachspezifischen Bezug zur Behandlung von ADHS aufweisen.
Rund ein Viertel der MPH-Bezüger und -Bezügerinnen
im Schulalter erhielt zusätzliche Medikamente verschrieben. Am häufigsten
zählen die Begleitmedikamente zur Gruppe der sog. Analgetika bzw.
schmerzlindernden Präparate. Eine gewisse Rolle spielen darüber hinaus Psycholeptika
und Antidepressiva.
Verhaltensmerkmale:
Konzentrationsschwierigkeiten und Vergesslichkeit
Einige Mütter beschreiben bei ihren Kindern Konzentrationsschwierigkeiten als
auffälliges Verhaltensmerkmal. Die Kinder haben Mühe, sich bei spezifischen
Aufgaben (z. B. Rechenaufgaben) zu fokussieren und lassen sich schnell
ablenken. Die betroffenen Knaben und Mädchen würden gemäss Aussagen der
Befragten „abtauchen“, seien in ihrer „eigenen
Welt“ und können bei den Aufgaben nicht „dranbleiben“. Einige Mütter sprechen von Begabungen und
Talenten ihrer Kinder, die sie aber oftmals nicht abrufen können, da sie unter
einer inneren Unruhe und unter Konzentrationsschwäche leiden. Ein anderes Phänomen sei ausserdem die
einseitige Fixierung auf Dinge, die für die Kinder von Interesse sind. Wenn
Sie von einer Lehrperson gezwungen werden, ihren Fokus auf eine bestimmte
Aufgabe zu richten, könne dies zu einer Arbeitsverweigerung oder einer Blockade
führen. Bereits im frühen Kindesalter stellen viele der Mütter zudem eine auffällige
Vergesslichkeit fest: Die Kinder haben Probleme, einfachen Aufgaben
nachzukommen, die andere routinemässig erledigen; sie können sich nach kurzer
Dauer nicht mehr an Arbeitsaufträge erinnern oder lassen Gegenstände liegen.
Aus der Sicht zweier Eltern hat sich die Situation hinsichtlich der
Vergesslichkeit durch die Einnahme von Medikamenten verbessert.
Über 80% der Eltern berichteten bei ihrem Kind
darüber hinaus von weiteren Störungen neben der Kernsymptomatik von ADHS, wobei
am häufigsten Probleme der Motorik
(50%) und Schlafstörungen (45%)
genannt wurden.
Die frühen Auffälligkeiten, die also vor der
Diagnoseeröffnung auftraten, führten insbesondere in drei Bereichen zu starken
Beeinträchtigungen: bei der Bewältigung von Hausaufgaben, dem Verhalten im
Schulunterricht sowie dem Verhalten allgemein in der Schule (d. h. auch
ausserhalb des Unterrichts).
Auslösende
Faktoren von ADHS
Die Fachpersonen waren der Meinung, dass
gesellschaftliche Entwicklungen die Entstehungsbedingungen für ADHS grundlegend
verändert haben. Die auslösenden
Faktoren von ADHS müssten vermehrt in den Lebenswelten der Kinder und ihrer
Familien gesucht werden. Deshalb muss für die Etablierung einer Diagnose
oder die Planung einer Intervention immer auch die Umwelt der Kinder
berücksichtigt und untersucht werden (z. B. die Situationen zu Hause, in
der Schule oder in Vereinen). Die Zusammenarbeit mit den Eltern - aber auch mit
Lehrpersonen - verläuft aus Sicht der Fachpersonen nicht immer problemlos.
Zentral ist es, eine vertrauensvolle Basis zu schaffen und die Probleme
gemeinsam anzugehen. Die Fachpersonen berichteten, dass Eltern (insbesondere in
den städtischen Gebieten) oft mit hohen Erwartungen an sie als professionelle
Helfende gelangten und rasche Lösungen erhofften. Die Eltern erwarteten, dass
die Kinder in der Schule mitkommen und funktionieren, damit längerfristig keine
Nachteile und Chancenungleichheiten für sie entstehen würden (z. B. bei
der Lehrstellensuche).
Interventionen
und deren Nutzen aus Elternsicht
Die Mehrheit der Kinder (80%) hat seit ihrer
Diagnosestellung irgendwann eine medikamentöse Therapie in Anspruch genommen. Die Präparate Ritalin oder Concerta zählen
zu den am häufigsten genutzten Medikamenten. Im Durchschnitt bekamen die
Kinder eine medikamentöse Behandlung und es gab keinen statistisch
signifikanten Unterschied zwischen den Mädchen und den Knaben.
Bei der überwiegenden Mehrheit (88%) der
Kinder, welche bereits eine medikamentöse Behandlung erhalten haben, sind Nebenwirkungen aufgetreten. Die am
häufigsten aufgetretenen Nebenwirkungen waren Appetitrückgang (81%) und Schlafbeschwerden
(48%). Die Befragten hatten die Möglichkeit, weitere Nebenwirkungen zu nennen
und gaben häufig „Kopfschmerzen“ und „depressive Stimmungen“ als Nebenwirkungen
an. Es gab in diesen Bereichen keine statistisch signifikanten
geschlechtsspezifischen Unterschiede.
Quelle: Zürcher Hochschule für angewandte
Wissenschaften, Forschungsstelle Gesundheitswissenschaften: Behandlung von ADHS
bei Kindern und Jugendlichen im Kanton Zürich, Peter Rüesch u. a., Nov. 2014
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