Seit einem Jahrzehnt wird
im Kanton Zürich Frühenglisch unterrichtet, seit einem Vierteljahrhundert
Französisch an der Primarschule. Jetzt erhalten die Stimmbürger Gelegenheit,
dazu Oui ou Non, Yes or No zu sagen.
Das Zürchervolk entscheidet die Fremdsprachenfrage, NZZ, 27.2. von Walter Bernet
Am
26. November 2006 haben die Zürcherinnen und Zürcher die Volksinitiative «Nur
eine Fremdsprache an der Primarschule» mit 58,6 Prozent abgelehnt. In
absehbarer Zeit werden sie wieder zu der Frage Stellung nehmen können: Die von
den Zürcher Lehrerverbänden ZLV, Zürcher Kantonale Mittelstufe (ZKM) und SekZH
sowie der Arbeitsgemeinschaft Schule mit Zukunft getragene Volksinitiative
«Mehr Qualität - eine Fremdsprache an der Primarschule» ist wohl zustande
gekommen. Jedenfalls sollten die 9270 am Freitag eingereichten Unterschriften -
nötig sind 6000 - ausreichen. Und die rechtlichen Probleme ähnlicher
Initiativen in Graubünden, St. Gallen und Luzern, die von den Regierungen als
nicht vereinbar mit übergeordnetem Recht oder als der Einheit der Materie
widersprechend beurteilt wurden, wollen die Zürcher Initianten umgangen haben:
Falls sich zeigen sollte, dass das Harmos-Konkordat ein Hindernis für die
Verschiebung der zweiten Fremdsprache auf die Sekundarstufe ist, müsste dieses
gemäss Initiative entweder angepasst oder gekündigt werden. Ob das reicht, wird
auch im Kanton Zürich noch zu klären sein.
Politik contra Pädagogik
Während
die Fronten ähnlich verlaufen wie 2006 - bereits haben sich SP, FDP, CVP, EVP,
BDP und AL sowie die Gewerkschaft VPOD für die Beibehaltung der zweiten
Fremdsprache in der Primarstufe ausgesprochen -, haben sich die
Rahmenbedingungen inzwischen verändert. Erstens setzt die Bundesverfassung seit
2006 der kantonalen Bildungshoheit mit einer Koordinationspflicht eine Grenze,
und zweitens sind die Erwartungen, die man vor einem Jahrzehnt in den frühen
Fremdsprachenunterricht gesetzt hatte, in den Augen vieler Lehrpersonen nicht
erfüllt worden. Während einerseits Änderungen am heiklen Sprachen-Kompromiss
der Erziehungsdirektoren von 2004, welcher der heutigen Situation zugrunde
liegt, Zunder an einem politischen Pulverfass darstellen, sind anderseits die
pädagogischen Bedenken gewachsen. Der Widerspruch zwischen politischen und
pädagogischen Argumenten wird sofort klar, wenn es um die Frage geht, welche
Sprache in der Primarstufe unterrichtet werden soll. Die Politik verlangt eine
Landessprache, die Pädagogik eher das im Alltag der Kinder omnipräsente und einfacher
zu lernende Englisch. Heute wird in der Ostschweiz Englisch als erste
Fremdsprache unterrichtet, in der Nordwestschweiz Französisch. Die Zürcher
Initiative überlässt die Entscheidung dem Bildungsrat. Dieser ist allerdings
den politischen Zwängen ausgesetzt.
Im
Kanton Nidwalden ist vor einem Jahr eine Schwester-Initiative entgegen der
Empfehlung der Regierung relativ deutlich abgelehnt worden. Für den Kanton
Zürich sind Prognosen schwierig. Den Initianten scheinen die Unterschriften
aber nicht einfach in den Schoss gefallen zu sein. Noch im Januar fehlten 1600
zur sicheren Erreichung des Quorums von 6000, wie der ZLV in einem Aufruf an
seine Mitglieder festhielt. Die Mahnung hat gewirkt.
Sprachlastige Primarstufe
An
einer Medienkonferenz haben die Initianten am Freitag ihre Überlegungen
vorgestellt. Die Primarstufe biete schlechte Rahmenbedingungen für das Erlernen
zweier Fremdsprachen. Mangels Halbklassenlektionen finde der
Fremdsprachenunterricht in der Regel in zwei Lektionen im Klassenverband statt.
Das einzelne Kind komme zu wenig zum Sprechen. Das vielgelobte spielerische
Lernen stosse zudem bald einmal an Grenzen. Und in ganzen Primarklassen sei es
- anders als in der Sekundarstufe - fast unmöglich, auf verschiedenen Niveaus
zu unterrichten. Deshalb seien viele Kinder überfordert.
Grundsätzliche Kritik
üben die Initianten an der Sprachlastigkeit der Primarstufe - zulasten von
Werken, Mensch und Umwelt, Medienkunde und Informatik. Aufwand und Ertrag
passten im Sprachunterricht nicht überein. Zentraler Auftrag der Primarstufe
müsse sein, die Kinder gründlich mit der Standardsprache Deutsch vertraut zu
machen.
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