Ein wehmütiger Blick weit
zurück ins letzte Jahrtausend. Pädagogische Steinzeit. Ort der Geschichte:
Holzbaracke Tagesschule Niederholz Riehen der längst entsorgten Kleinklassen.
Ein kleines Team qualifizierter Heilpädagogen, verstärkt durch engagierte
Hauswirtschafts- und Handarbeitslehrkräfte, unterrichtet eine schwierige Gruppe
verhaltensauffälliger und lernschwacher Kinder an einer Ganztagesschule. Das
Mittagessen wird gemeinsam mit den Kindern in der winzigen, im Vergleich zum
Luxus im Lehrerzimmer, schäbigen Nische gekocht. Zum Programm gehören
selbstverständlich einkaufen, Tisch decken, abräumen und abwaschen. Nebenbei
lernen sie auch den Unterschied zwischen einer Schöpfkelle und einer
Schneeschaufel kennen.
Kompetenz 4.4a: Nahrung zubereiten, Basler Zeitung, 25.2. von Roland Stark
Damals sprach man
bescheiden von wirklichkeitsorientiertem Unterricht. «Kopf, Herz und Hand» in
den Worten von Heinrich Pestalozzi. Besonders wertvoll waren die erworbenen Fähigkeiten
in den jährlich stattfindenden Schulkolonien, in den Wander- und Skilagern. Probleme
einzelner Schüler wurden mit den Schulpsychologen unbürokratisch und praxisnah besprochen
und nicht einfach unter einem sinnlosen Formularhaufen begraben. Angesichts
der nach Ländern, Sprachen und Religionen bunt zusammengewürfelten Kinderschar
und der engen Zusammenarbeit mit der Regelschule würde man heute ein
erfolgreiches Integrationsmodell bejubeln. Der Lehrplan 21 für die Bereiche
Wirtschaft, Arbeit und Haushalt (WAH) stellt die Lehrerschaft und auch die
Schülerinnen und Schüler vor ungleich komplexere Herausforderungen. Es fällt
zunächst auf, dass der Begriff «Kochen» auf insgesamt 13 Seiten nicht ein
einziges Mal auftaucht. Verwundert lesen wir im Original:
«Die Kompetenz 4
‹Ernährung und Gesundheit – Zusammenhänge verstehen und reflektiert handeln›
hat mit dem Kompetenzbereich 4.4a «Nahrung unter Berücksichtigung
gesundheitlicher Aspekte zubereiten können» zu tun, eine Kompetenz, die sich
ausschliesslich auf die Nahrungszubereitung bezieht. (...) Jugendliche sollen
auch in der Nahrungszubereitung ausgehend von ihren Kenntnissen gefördert
werden, indem sie Erfahrungen aus ihrer esskulturellen Lebenswelt (gemeint sind
wohl McDonald’s und Döner Kebab sic!) einbringen können. Ausgehend davon werden
weitere anforderungsreiche Aufgaben in der Nahrungszubereitung gestellt, damit
ein Lernzuwachs erreicht werden kann. Für die Lehrpersonen bedeutet es, den
Blick vermehrt auf die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler zu legen.
Konkret heisst dies, dass Lehrpersonen mit den Schülern und Schülerinnen
individuelle Lernziele in der Nahrungszubereitung vereinbaren und begleiten
werden. Dabei werden Gerichte Mittel zum Zweck für Lernprozesse. (...)
Schülerinnen und Schüler sollen lernen, sich selber in nützlicher Frist zu
verpflegen.» Guten Appetit!
Dieser monströse
Schwachsinn tönt derart surreal, dass die Angabe der Quelle zur Beweissicherung
zwingend ist. «Erziehungsdepartement Basel-Stadt, Hochschulen, Pädagogisches Zentrum
PZ BS, Unterricht/Weiterbildung», werden im Briefkopf als Verantwortliche
aufgeführt. Nicht Franz Kafka, Emil oder Loriot.
Ein Trost bleibt: Dem
Lehrplan 21 fehlt noch immer das passende Lehrmittel und Lehrer müssen auf das
30 Jahre alte Kochbuch (!) «Tiptopf» ausweichen, das ursprünglich für das
altbackene Fach «Hauswirtschaftsunterricht» konzipiert wurde.
Hoffentlich noch lange.
Sonst gibt es immer noch Betty Bossi.
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