Die Pädagogische Hochschule Nordwestschweiz testet ab 2017, wie
belastbar und flexibel ihre Studenten sind. Sie will damit die Zahl der
Berufsaussteiger senken.
Längst
nicht alle, die sich an einer Pädagogischen Hochschule einschreiben, werden später
auch Lehrer. Bereits während der Ausbildung geben rund 15 Prozent der
PH-Studenten auf. Nicht wenige scheitern später an der Realität des Alltags. Im
ersten Berufsjahr hört jeder sechste Lehrer auf, nach fünf Jahren arbeitet die
Hälfte nicht mehr im Beruf.
Umstritten ist, ob sich die Zahl der Aussteiger durch ein Assessment reduzieren lässt, Bild: Benne Ochs
Stresstest für künftige Lehrer, NZZaS, 14.2. von René Donzé
«Lehrpersonen,
die sich im Beruf nicht bewähren oder aus dem Beruf aussteigen, sind letztlich
für alle eine Belastung», sagt Alexander Hofmann, Vizedirektor der
Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (PH FHNW). Seine
Schule ist nach der PH Zürich die zweitgrösste Ausbildungsstätte für Lehrer in
der Deutschschweiz: Jedes Jahr melden sich dort rund tausend Frauen und Männer
für ein Studium an.
Fiktives Elterngespräch
Diese
Studierenden will die PH FHNW künftig genauer unter die Lupe nehmen. Ab 2017
müssen alle Neuen ein Assessment durchlaufen. Es soll entweder vor
Studienbeginn oder aber während des ersten Semesters stattfinden. «Das Bestehen
bildet die Voraussetzung für den Eintritt in die Praktika als Bestandteil des
Studiums», sagt Hofmann.
Die
Idee dahinter: Je genauer die Eignungsabklärung zu Beginn des Studiums, desto
tiefer später die Ausfallquote. «Assessments erlauben gute Prognosen zur
beruflichen Eignung», sagt Hofmann. «Sie sind für die Studierenden transparent
und ermöglichen ihnen im individuellen Auswertungsgespräch eine
Standortbestimmung.» So erhielten sie Anhaltspunkte, ob sie sich richtig
entschieden hätten.
In
der Privatwirtschaft und in der öffentlichen Verwaltung werden solche
Assessments mit Bewerbern durchgeführt, um deren fachliche und persönliche
Qualitäten zu testen, etwa die Stressresistenz. Bei den angehenden
PH-Studierenden geht es um soziale Eigenschaften wie Problemlösefähigkeit,
Zielorientierung, Flexibilität, Lernbereitschaft und Reflexionsfähigkeit.
Getestet
werden die Kandidaten der PH FHNW während eines Tages in Gruppen zu acht
Personen, beobachtet von Experten der Hochschule sowie auswärtigen
Spezialisten. Unter anderem müssen die Anwärter ein Elterngespräch als
Rollenspiel inszenieren. «Das Ziel ist, einschätzen zu können, ob
Personenmerkmale, Kompetenzen und Berufsmotivation einer Person zu den
Anforderungen des Lehrberufs passen», erklärt Hofmann.
Mit
diesem Vorgehen betritt die PH FHNW Neuland. Ein Assessment für alle
Studierenden kennt noch keine PH, solche Tests werden bis jetzt nur mit
Quereinsteigern durchgeführt. Sie seien dort auf gute Akzeptanz gestossen, sagt
Hofmann.
Standard
an allen PH ist hingegen eine Berufseignungsabklärung der angehenden Lehrer im
ersten Studienjahr. Diese wird in der Regel im Rahmen des Praktikums durch den
Mentor vorgenommen, so auch bei der PH Zürich: «Bei Zweifeln an der Eignung
wird der Student einer erweiterten Eignungsabklärung unterzogen», sagt Fabian
Camenzind, Ressortleiter Aufnahmeverfahren. Dies geschehe bei etwa fünf Prozent
aller Studierenden. «Abgewiesen werden am Ende nur ganz wenige», sagt er.
Assessments seien in Zürich keine geplant, doch werde man sich bei der PH FHNW
informieren.
Kritik der PH Luzern
Der
Rektor der Pädagogischen Hochschule Luzern, Hans-Rudolf Schärer, hält wenig von
solchen Tests. «Ein Assessment ist eine Momentaufnahme», sagt er. «Die
Studierenden sind noch sehr jung und können sich im Verlaufe der Ausbildung
noch entwickeln.» Man dürfe ihnen also nicht die Berufseignung absprechen, noch
bevor sie in die Ausbildung eingestiegen seien. Schärer hat auch Vorbehalte
gegenüber der Aussagekraft solcher Tests: «Der Lehrberuf ist wesentlich ein
Beziehungsberuf. Es ist fraglich, ob sich die dafür zentrale Fähigkeit zur
Gestaltung von Beziehungen in einem Assessment prüfen lässt», sagt er. Er
glaubt nicht, dass dazu verlässliche Aussagen möglich sind.
Dass
sich die pädagogischen Hochschulen auf eine gemeinsame Praxis einigen, scheint
wenig wahrscheinlich. Beim Hochschulverband Swissuniversities hat sich die
Pädagogische Kammer nicht auf eine einheitliche Position festgelegt, wie
Geschäftsführerin Sonja Rosenberg sagt. «Sicher wichtig ist die frühe Abklärung
der Ausbildungseignung», sagt sie. Diese werde an allen PH intensiv während des
ersten Ausbildungsjahres vorgenommen. Ob Assessments geeignet sind, spätere
Ausfälle zu vermeiden, will sie nicht beurteilen: «Wir kennen in Bezug auf
diese Frage keine erhärteten Studien.»
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