7. Januar 2016

Vitales Bildungswesen: Ambühl wehrt sich

Der Kommenar von Hans Zbinden ist beim Generalsekretär der EDK, Hans Ambühl, nicht gut angekommen. Nun kontert Ambühl die Kritik und stellt fest, dass wir ein leistungsfähiges, vielfältiges und vitales Bildungswesen hätten.











Bund und Kantone haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt, Bild: Christian Beutler
Geteilte Verantwortung im Föderalismus, NZZ, 7.1. Gastkommentar von Hans Ambühl


Der frühere Nationalrat Hans Zbinden hat alsGastkommentator der NZZ (17. 10. 15) das Bildungswesen der Schweiz als «träge» bezeichnet und dafür mehrere Belege ins Feld geführt, die bei genauem Hinsehen nicht stechen. «Jeder lernt für sich und gegen die andern!», so geisselt er den Bildungsföderalismus.Nun steht es jedermann frei, zentralistische Konzepte föderalistischen vorzuziehen.

Doch trifft bei Hans Zbinden die damit einhergehende Analyse in der Sache nicht zu. Einzelne Fakten unterschlägt er oder biegt sie für den Duktus seiner Geschichte zurecht – etwa die angeblich bloss «durchzogenen» Schülerleistungen in internationalen Vergleichen, die «nie spitzenmässig» seien: Soweit internationale Leistungsmessungen überhaupt zuverlässige Indikatoren für die wirklichen Leistungen von Schülerinnen, Schülern und Schulen sein können, sei nur daran erinnert, dass das Schweizer Mathematik-Ergebnis aus Pisa 2012 das europaweit beste ist, zusammen mit Liechtenstein und den Niederlanden.

Oder: Zbindens lakonische Qualifikation der Ausschöpfung des Begabungspotenzials ausländischer Zuwanderer als «unzureichend» kontrastiert stark zu den über 92 Prozent Abschlüssen der Sekundarstufe II in der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen in der Schweiz, einem internationalen Spitzenwert; bei den in der Schweiz Geborenen, die mithin die Bildungslaufbahn vollständig hier durchlaufen haben, sind es gar 95 Prozent. Das zeigt einerseits die hohe Leistung des Schweizer Systems, anderseits aber auch, dass wir uns für die Gruppe der später Dazugekommenen tatsächlich weiter anstrengen müssen; Bund und Kantone haben sich denn auch in den letzten Jahren das ehrgeizige Ziel gesetzt, die 95 Prozent für alle 16- bis 24-Jährigen zu erreichen.

Aber nicht nur zu einzelnen Fakten zeichnet Zbinden ein falsches Bild. Auch in der Betrachtung der Dynamik des Systems und der verantwortlichen Akteure blendet er das Wesentliche aus. So beim Vorwurf, wir würden uns den Luxus leisten, «den Bildungsföderalismus mit seinem kollektiven Wissen und seinen vielfältigen Erfahrungen zu wenig für das gesamte Bildungswesen zu nutzen». Dem ist nicht so. Dieses Wissen wird sehr gut aufgearbeitet und zugänglich gemacht. Sei es im Netzwerk der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), sei es durch Good-Practice-Berichte, sei es nicht zuletzt durch das Informations- und Dokumentationszentrum IDES der EDK. Diese Einrichtung der EDK ist schweizweit zweifellos einmalig. Sie arbeitet in vielen Fragen direkt mit den kantonalen Bildungsdepartementen zusammen und steht gleichzeitig im Dienste derselben. So kann IDES mit verhältnismässig wenig Aufwand viel Wissen über das schweizerische Schulsystem und seine kantonalen Ausprägungen generieren, es macht dieses Wissen zugänglich und ermöglicht so den Akteuren aller Stufen und Bereiche, voneinander zu lernen und Erfahrungen aus anderen Kantonen und Institutionen bei der eigenen Entscheidfindung zu berücksichtigen. Gleichzeitig werden die von IDES gesammelten Informationen auch im gesamtschweizerischen Bildungsmonitoring und in der Bildungsforschung aufgenommen und dort weiter vertieft und analysiert.

Damit ist auch das von Bund und Kantonen seit rund zehn Jahren gemeinsam aufgebaute und betriebene Bildungsmonitoring angesprochen, ein Prozess, der in seiner Art mittlerweile – etwa in Statistik-Kreisen – als vorbildlich auch für andere Politikbereiche gilt, von Hans Zbinden indes ganz und gar negiert wird. Das Monitoring bringt alle vier Jahre einen aus Statistik und Bildungsforschung genährten, substanziellen Bildungsbericht hervor; nach dessen gemeinsamer Auswertung legen die zuständigen Behörden von Bund und Kantonen jeweils gemeinsame strategische Ziele auf Ebene des Gesamtsystems fest – insgesamt ein Vorgang, der in seiner Konsequenz und Transparenz die Zbindensche These von der bundesstaatlichen Kantonsgemeinschaft als einer «Konkurrenzveranstaltung unter eigensinnigen Mitgliedern» Lügen straft. Entsprechend sind die laut Zbinden von der angeblich vernagelten Schweizer Bildungspolitik verkannten neuen Herausforderungen – etwa die Vermehrung der Lernorte oder die Digitalisierung – auch hierzulande durchaus in engagierter Bearbeitung (vgl. zum Beispiel das Tätigkeitsprogramm 2015 bis 2019 der EDK). Wer aber unterstellen wollte, andernorts seien für diese in der Tat grossen Herausforderungen schon Patentrezepte gefunden, der würde sich und uns etwas vormachen.

So bleibt denn zweifelsfrei viel zu tun, um sicherzustellen, dass unser Schweizer Bildungswesen insgesamt auch in Zukunft so leistungsfähig, vielfältig und vital bleibt, wie es sich heute zeigt. Und es bleibt die (freilich weniger wichtige) Frage, weshalb dasselbe Schweizer Bildungswesen von zwei NZZ-Gastkommentatoren so ganz unterschiedlich wahrgenommen werden kann. Es könnte damit zu tun haben, dass der von zentralistischen Konzepten geleitete Hans Zbinden eben der Initiant nicht wirklich jener Bildungsverfassung war, wie sie von Volk und sämtlichen Ständen im Jahr 2006 so deutlich angenommen wurde: als Konzept einer gemeinsamen Sorge für hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz – in föderal geteilter Verantwortung.


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