Es gibt wenige Themen in der Schweizer Politik, bei denen alle mitreden
wollen. Zu ihnen gehört die Volksschule. Wann immer Reformen anstehen, wird das
Klassenzimmer zum Kampffeld. Zu Recht: Es geht um die Ausbildung unseres
Nachwuchses und damit um die Zukunft des Landes. Dass sich nun in verschiedenen
Kantonen Widerstand gegen die Einführung des Lehrplans 21 regt, ist durchaus
nachvollziehbar. Doch die Diskussion ist im Grunde längst gelaufen.
Störmanöver aus Nostalgia, NZZ, 30.1. Kommentar von Marc Tribelhorn
Wir erinnern uns: Vor zehn Jahren stimmte die Schweizer Bevölkerung mit
überwältigendem Mehr einem Bildungsartikel in der Bundesverfassung zu. Dieser
sieht die Schaffung eines «Bildungsraums Schweiz» vor, der eine Harmonisierung
der Volksschulen verlangt. Die 21 deutsch- und mehrsprachigen Kantone haben
darauf in einem langwierigen und teuren Prozess einen gemeinsamen Lehrplan
erarbeitet, der von den Gegnern rasch als «technokratisches Monster» bezeichnet
wurde.
Der Hauptkritikpunkt betrifft - bis heute - die
erziehungswissenschaftliche Wende von den klassischen Lernzielen zu einer
Kompetenzorientierung. Nach einer breit abgestützten Vernehmlassung wurden
jedoch viele Defizite des ersten Entwurfs behoben. Der Lehrplan 21 ist
schlanker geworden, es wurden einzelne verbindliche Lerninhalte eingearbeitet,
und vor allem wurde auf ideologisch grundierte Formulierungen verzichtet. Heute
stehen nicht nur alle kantonalen Bildungsdirektoren hinter dem Werk, sondern
auch die grosse Mehrheit der Fachdidaktiker, die gewichtigen Lehrerverbände und
die Wirtschaft.
Die Gegner evozieren hingegen unentwegt die heilen Bilder einer
Volksschule der Vergangenheit, die es notabene so nie gegeben hat. Ihre
Vorwürfe zielen mehrheitlich ins Leere. Mit dem Lehrplan 21 wird natürlich
weiterhin Wissen vermittelt, aber es soll auch angewandt werden können -
mittels klar definierter 363 Kompetenzen. Natürlich entscheiden auch künftig
die Lehrpersonen, mit welchen Methoden sie den Unterricht gestalten, damit die
Schüler diese Kompetenzen erwerben. Natürlich verbleibt den Kantonen ein
gewisser Spielraum, um Schwerpunkte zu setzen. Die Vorteile der Homogenisierung
der verschiedenen Lehrpläne sind aber evident: Sie erleichtert nicht nur die Mobilität
von Schülern und Lehrern, sondern sorgt auch für gleiche Bildungsstandards in
allen Landesteilen.
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