10. Januar 2016

Sinnvoll sparen in der Bildung

Michael Furger zeigt in seinem Kommentar auf, wie man in der Bildung sparen könnte, ohne dass dabei die Qualität leiden muss.
Liebe Politiker, man kann in der Bildung auch sinnvoll sparen, NZZaS, 10.1. von Michael Furger


Liebe Politikerinnen und Politiker, Sie müssen sparen, das haben wir verstanden. Die Zeiten sind hart. Dass auch das Bildungswesen mitmachen muss, ist verständlich. Immerhin beansprucht es einen Sechstel aller Staatsausgaben.

Schwieriger zu verstehen sind einige Ihrer Sparideen, die im Moment kursieren. Wobei sparen eigentlich der falsche Begriff ist. Wenn Politiker sparen, dann geben sie meistens nicht weniger Geld aus als vorher. Sie geben nur weniger Geld aus, als sie ursprünglich geplant haben. Meistens ist das immer noch mehr als vorher. Darum sind die Kosten des Bildungswesens in den letzten Jahren - trotz Sparprogrammen - weiter gewachsen. Heute kostet allein die Volksschule in der Schweiz jährlich über drei Milliarden mehr als vor zehn Jahren. Eine beeindruckende Zahl. Man könnte vermuten, das liege am Bevölkerungswachstum. Mehr Kinder, höhere Kosten. Logisch - aber falsch. Denn die Zahl der Volksschüler hat in den letzten zehn Jahren abgenommen. Die Ausgaben pro Schüler sind damit so hoch wie nie zuvor und so hoch wie nirgendwo sonst (ausser in Luxemburg). Da sind Ihnen, liebe Politikerinnen und Politiker, die Kosten etwas ausser Kontrolle geraten, ähnlich wie beim zweitgrössten Brocken im Bildungsbudget, den Hochschulen: plus 1,2 Milliarden in zehn Jahren; auch nicht gerade wenig dafür, dass Sie eigentlich sparen wollten.

Sie können sich damit trösten, dass Sie die Bildung nicht totgespart haben, obwohl man Ihnen das am nächsten Mittwoch, am «Tag der Bildung», vorwerfen wird. Die paar Millionen, die Sie einst gekürzt haben, weil Sie Freifächer gestrichen oder Lektionen reduziert haben, sind längst wieder ausgegeben.

Was wirklich irritiert: Sie verfahren auch diesmal wie eh und je. Sie reden über weniger Freifächer, wollen Lektionen reduzieren oder die Lehrer-Pensen kürzen. So kratzen Sie wieder ein paar Millionen zusammen.

Das ist nicht sehr schlau. Nehmen wir die Lehrerlöhne: Sie sind der grösste Budgetposten. Hier etwas abzuhobeln, ist verlockend. Aber das haben schon all die Politiker vor Ihnen gemacht. Die Lehrer kommen bei Sparübungen meistens an die Kasse. Einige Kantone haben die Löhne jüngst zwar etwas verbessert, aber im Grossen und Ganzen sind sie bescheiden geblieben, vor allem die Einstiegslöhne sind oft beschämend tief. Dabei sind gute, motivierte Lehrkräfte der wichtigste Faktor, ob Bildung erfolgreich ist.

Kürzungen im Unterricht sind auch nicht intelligenter. Lektionen streichen, Ferien verlängern und ähnlicher Unsinn geht direkt an die Qualität. Man kann es nachweisen.

Aber Sie wollen ja sparen. Wo also ansetzen? Drei Ideen, nicht originell, aber wenigstens keine Gefahr für die Qualität.

O Weniger Sonderpädagogik: Um die Volksschule herum hat sich eine Therapie-Industrie gebildet. Schreibt ein Schüler schiefe Buchstaben, steht bald ein Heilpädagoge vor der Tür und verschreibt eine Graphomotorik- Therapie. Bei unsauberer Aussprache winkt die Logopädie. Jede Abweichung von der Norm ist ein Defizit, das man beheben muss. In Zürich war 2013 jedes zweite Schulkind ein Fall für die Sonderpädagogik. Es ist nicht anzunehmen, dass die Hälfte der Schüler ein ernsthaftes Problem hat, das sagen auch die Kinderärzte. Die Heilpädagogen sehen das anders, aber sie verdienen auch ihr Geld mit Therapien. Viel Geld. Im Kanton Zürich allein fliessen mehrere hundert Millionen Franken in diese Sonderpädagogik-Industrie.

O Grössere Klassen: Wir wissen, das hören Sie als Politiker nicht gern. Mit grösseren Klassen macht man sich unbeliebt. Aber weil die Zahl der Schüler in den letzten zehn Jahren zurückgegangen ist, sind die Klassen in der Volksschule kleiner geworden. Jede achte Klasse zählt weniger als 16 Schüler. Die durchschnittliche Grösse liegt bei 18. Das sind komfortable Bedingungen. Es ist längst wissenschaftlich erwiesen, dass ein oder zwei Schüler mehr pro Klasse die Leistungen nicht im Geringsten beeinträchtigen. Der Bildungsforscher Stephan Wolter hat berechnet, dass man mit nur einem Schüler mehr in jeder Schweizer Volksschulklasse 500 Millionen Franken sparen könnte.

O Weniger Hochschulfächer: Über 160 Fächer bieten die Schweizer Hochschulen an. Es werden laufend mehr. Manchmal können sich nur ein paar Dutzend Studenten für das neue Angebot erwärmen. Ganze Fakultäten werden gegründet. Das könnte da und dort zum Problem werden, weil die Zahl der Studierenden aus demografischen Gründen an manchen Orten nicht mehr wachsen wird. Es gibt Hochschulen, die befürchten, dass sie ihre Studienplätze nicht mehr besetzen können. Sie hängen grosse Plakate auf, um Studenten aus anderen Kantonen abzuwerben. Das bringt Geld. Nichts gegen Wettbewerb, aber unter einem staatlich finanzierten Bildungssystem haben wir bisher etwas anderes verstanden: Der Staat sorgt dafür, dass alle Maturanden einen Studienplatz haben. Bleiben zu viele Plätze unbesetzt, müsste man eigentlich zurückfahren.


Gewiss, liebe Politikerinnen und Politiker, einige von Ihnen planen solche Massnahmen. Vielleicht sagen Sie Ihren Kollegen, dass sie nicht weiter an Lektionen und Löhnen herumschnippeln sollen, um da und dort ein Milliönchen zu sparen. Wenn sie kürzen wollen, sollen sie doch dort ansetzen, wo sie ohne Schaden viel erreichen können.

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