Im
Unterschied zu den Schülern werden Lehrer schon lange nach ihren Kompetenzen
beurteilt. Die Orientierung auf Kompetenzen wird verstärkt mit einem Instrumentzur Selbsteinschätzung, das der Thurgau bei der Fachhochschule Nordwestschweizbeschafft hat.
Sandra Bachmann begleitet die Einführung des Lehrplans 21 im Thurgau, Bild: Nana do Carmo
Lehrerkompetenzen auf Kärtchen, St. Galler Tagblatt, 14.1. von Thomas Wunderlin
Um die Schulleiter bei der Einführung des Lehrplans 21 zu unterstützen,
stellt ihnen das Thurgauer Erziehungsdepartement einen «Kompetenzmanager» zur
Verfügung. Dabei handelt es sich um ein Kärtchenset mit zugehörigem
Online-Programm. Entwickelt hat es die Fachhochschule Nordwestschweiz für die
Weiterbildung in den Kantonen Aargau und Thurgau. Für die Thurgauer Bedürfnisse
ist es angepasst worden, erklärt Sandra Bachmann, Leiterin der Abteilung
Schulevaluation und Schulentwicklung im Amt für Volksschule.
30 000
Franken für zwei Jahre
Als Basis dienten die «Merkmale für Unterrichts- und Schulqualität», ein
Leitfaden des Thurgauer Departements für Erziehung und Kultur (DEK) von 2006,
der 2014 überarbeitet wurde. Für den «Kompetenzmanager» verwendet worden sind
daraus insbesondere Kompetenzen, die für die Einführung des Lehrplans 21
wichtig sind, zum Beispiel «Unterricht kompetenzorientiert gestalten» oder
«Lernprozesse initiieren und begleiten». Das DEK hat laut Sandra Bachmann für
einen Betrag «unter 30 000 Franken» eine Gesamtlizenz für alle Thurgauer
Schulen gelöst. Sie gilt bis zum Beginn der vierjährigen Einführungsphase des
Lehrplans 21 am 1. August 2017.
Vorgestellt wurde das Instrument an einer Weiterbildungsveranstaltung
mit 130 Schulleiterinnen und -leitern im November. Die Reaktion war positiv,
sagt der Chef des Amts für Volksschule, Walter Berger. 80 Prozent der
Teilnehmer hätten erklärt, sie wollten den «Kompetenzmanager» verwenden. Berger
beschreibt das Kärtchenset als Checkliste: «Es geht darum, daran zu denken.»
Als Beispiele nennt er: «Setze ich die Lehrmittel richtig ein? Vermittle ich
Lebensweltbezüge? Stelle ich Aufgaben, die motivieren?» Ein Schulleiter könne
darauf gestützt beispielsweise entscheiden, zu welchem Bereich er eine
schulinterne Weiterbildung organisiert.
Miteinander
reden
Gedacht ist der Ablauf so, dass sich ein Lehrer zuerst selber
einschätzt. Dann wird seine Selbsteinschätzung mit der Fremdeinschätzung
verglichen, die der Schulleiter vorgenommen hat. «Man kann die Kärtchen auf den
Tisch legen», sagt Abteilungsleiterin Bachmann, «und miteinander reden.» Mit
dem alljährlichen Mitarbeitergespräch hat der «Kompetenzmanager» nichts zu tun.
Es können jedoch Erkenntnisse daraus in ein Mitarbeitergespräch einfliessen.
Gemäss «NZZ am Sonntag» geht der Thurgau mit dem «Kompetenzmanager»
einen Schritt über den kompetenzorientierten Unterricht hinaus und führt auch
die Lehrer kompetenzorientiert. Demgegenüber sagt Amtschef Berger, bei Lehrern
sei es schon immer um Kompetenzen gegangen: «Das ist überhaupt nichts Neues.»
Der Präsident der Thurgauer Schulleiter, Thomas Minder, will sich
aufgrund zahlreicher Medienanfragen zurzeit nicht dazu äussern. In Absprache
mit Bildung Thurgau werde er nächsten Mittwoch eine Medienmitteilung
herausgeben.
Der neue Thurgauer KompetenzManager steht ganz im Zeichen der Einführung des Lehrplan 21. Im abrufbaren Beispiel der vorgegebenen Kompetenzen findet man die absolute Methodenvorgabe der "Grundlagen für den LP21", das "Selbstgesteuerte Lernen" und "Erweiterte Lehr- und Lernformen". Damit kann der Lehrer - pardon - "Lernbegleiter" von Schulleiter oder Schulpflege gezwungen werden, nur noch diese Lernformen anzuwenden. Dagegen fehlt die bisherige Hauptaufgabe des Lehrberufes völlig, das Wort "Unterricht oder unterrichten" kommt nicht mehr vor. Die Botschaft ist klar, der Lehrer darf nicht mehr unterrichten, dafür soll er "individuelle Lernprogramme begleiten". "Individuelle Lernprogramme begleiten" in dem Arbeitsblätter von Bertelsmann & Co. vom Internet heruntergeladen werden, können auch gratis arbeitende Senioren im Klassenzimmer oder Zivildienstleistende. Ein Potential für die nächsten Sparrunden?
AntwortenLöschenIch unterstütze voll und ganz dieses Votum. Nach dem vermessenen Schüler kommt jetzt noch der vermessene Lehrer. Was in dem Artikel auch noch unterstellt wird: bis anhin sei der Unterricht nicht gut genug gewesen oder gar schlecht. Dem ist und war nicht so! Aber so kann man der Methodenfreiheit ade sagen. Die zukünfigen Lehrpersonen werden als Roboter ausgebildet, die nur noch das ausführen, was Schulleitungen wünschen. Frage: Weswegen wollen Schulleitungen, die meistens ja auch einmal Lehrer waren, dann nicht selber so unterrichten? Weshalb führen sie ihre Vorstellungen von Unterricht auf diese Weise über die ihnen unterstellten Lehrpersonen aus? Vielleicht, weil einige von ihnen im "normalen" Unterricht selber einmal gescheitert sind? Auf jeden Fall verkommt die Schule so zu einer Produktionsfabrik, die gleichgestaltete SuS mit Roboterlehrern als Lernbegleitern ausspuckt. Von selbst denken und frei handeln bleibt so nichts mehr übrig.
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