Die Zahl der übergewichtigen
Kinder an St.Galler Schulen ist in den vergangenen Jahren nur minimal
angestiegen. Grosse Unterschiede gibt es allerdings zwischen Schweizer Kindern
und Kindern ausländischer Herkunft.
21 Prozent der Migrantenkinder in St. Gallen sind übergewichtig, Bild: Christian Beutler
Jedes fünfte Migrantenkind ist dick, St. Galler Tagblatt, 25.1. von Marion Loher
Nach all den
besorgniserregenden Schlagzeilen der vergangenen Jahre über immer dicker
werdende Kinder und Jugendliche ist dies eine erfreuliche Nachricht: Im Kanton
St.Gallen ist der Anteil der Kinder mit Übergewicht im Vergleich zu früheren
Jahren in etwa gleich geblieben. Dies ist dem aktuellen
Body-Mass-Index-Monitoring zu entnehmen, das vom Kanton St.Gallen in Auftrag
gegeben wurde. Die Daten stammen aus den schulärztlichen Reihenuntersuchungen
im Schuljahr 2014/15. Insgesamt nahmen 3805 Kindergärtler, Fünft- und
Achtklässler teil. Ausschlaggebend für die Bezeichnung «übergewichtig» war der
Body-Mass-Index (BMI).
Im
Bericht heisst es: 14,4 Prozent der untersuchten St.Galler Schulkinder sind
übergewichtig. Im Vergleichsjahr 2010/11 waren es zwar 0,7 Prozent weniger,
doch bei einem solch minimalen Unterschied in dieser Zeitspanne sprechen
Experten von einer «Stabilisierung» des Wertes. Angesichts der weltweiten
«Epidemie des Übergewichts» sei dies ein Erfolg, heisst es im Bericht.
Ausländische Kinder sind dicker
Trotzdem:
In St.Gallen sieht man keinen Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Es gibt
noch viel zu tun. Denn: «Jedes Kind mit Übergewicht ist eines zu viel», sagt
die St.Galler Präventivmedizinerin Karin Faisst. Oft nähmen diese Kinder das
Übergewicht mit ins Erwachsenenalter, was das Risiko von chronischen
Krankheiten erhöhe. Gemäss Studie steigt der Anteil übergewichtiger Kinder, je
älter sie werden. Im Kindergarten ist jeder zehnte dick, in der Oberstufe
bereits jeder sechste.
Die
Untersuchung zeigt auch einen Stadt-Land-Effekt: In der Stadt St.Gallen haben
17 Prozent der Kinder und Jugendlichen Übergewicht, im übrigen Kanton sind es
14 Prozent. Mit diesem Anteil liegt St.Gallen allerdings in der Grössenordnung
der Städte Basel, Bern und Zürich.
Im
weiteren gibt es grosse Unterschiede zwischen Schweizer Kindern und Kindern mit
ausländischer Staatsangehörigkeit. Über alle Schulstufen betrachtet kämpfen
insgesamt 21,3 Prozent der Migrantenkinder mit Übergewicht. Bei den Schweizer
Kindern sind es 12,4 Prozent. Die Unterschiede zeigen sich auf allen
Klassenstufen und sowohl in der Stadt St.Gallen als auch in den übrigen
Regionen des Kantons.
Im
Vergleich zur letzten Erhebung im Schuljahr 2010/11 sind die Zahlen weitgehend
unverändert geblieben: 21,4 Prozent waren es bei den Migrantenkinder, 11,4
Prozent bei den Schweizer Kindern.
Über Gründe spekulieren
Die
kantonale Präventivmedizinerin sieht einen Zusammenhang zwischen dem
Stadt-Land-Graben und den signifikanten Unterschieden bei der
Staatsangehörigkeit. «Familien ausländischer Herkunft wohnen vermehrt in der
Stadt als auf dem Land», sagt Karin Faisst. Hingegen kann sie über die Gründe,
weshalb Migrantenkinder eher zu Übergewicht neigen, nur mutmassen. Es könnte an
der unterschiedlichen Wahrnehmung des Körperbildes liegen, sagt sie. «In
gewissen Kulturen gilt üppiges Essen als Statussymbol und die Bewegung wird
dabei meistens vernachlässigt.» Auch dass bildungsferne Schichten – und dazu
gehörten oft auch Migrantenfamilien – weniger gesund essen würden, sei nicht
ganz unbekannt. Sicherlich würden aber auch sozioökonomische Aspekte eine
wesentliche Rolle spielen.
Vorzeigeprojekt Purzelbaum
Obwohl
sich die Werte gesamthaft stabilisiert haben, hält der Kanton an seinen
Präventionsmassnahmen fest und fährt mit seinem Programm «Kinder im
Gleichgewicht» auf verschiedenen Ebenen fort. Mittelfristig soll die Zahl der
übergewichtigen Kinder nicht weiter stagnieren, sondern reduziert werden.
Dies
auch mit Hilfe der strukturellen Bewegungsförderung. Kindern und Jugendlichen
wird mit einfachen Massnahmen wie einer Sprossenwand eine Umgebung geschaffen,
in der sie sich gerne bewegen. «Purzelbaum» ist diesbezüglich das
Vorzeigeprojekt. Gemäss Karin Faisst setzen es zurzeit 40 Kindergärten im
Kanton und rund 60 Kindergärten in der Stadt St. Gallen sowie 34
Kindertagesstätten um.
Die
Familien mit Migrationshintergrund sollen mit dem Elternbildungsprojekt
«Femmes-Tische» der Caritas besser erreicht werden. Im vergangenen Jahr fanden
zum Thema Ernährung/Bewegung 95 Gesprächsstunden mit über 600 Teilnehmern in
neun Sprachen statt.
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