Bernhard Pulver ist bereits im Abstimmungsmodus, Bild: Keystone
Die Initiative gegen den Lehrplan 21 ist wohl gültig, Bund, 19.1. von Adrian Moser
Die Lehrplan-Initiative
könnte zu einer bizarren Situation führen: Es könnte passieren, dass der
Lehrplan 21 mehrere Jahre nach seiner Einführung plötzlich ungültig wäre. Damit
es so weit kommt, müsste aber noch vieles geschehen: Das Komitee hinter der am
Montag lancierten Initiative «Für demokratische Mitsprache – Lehrpläne vors
Volk!» müsste bis im kommenden Sommer 15'000 Unterschriften für sein
Volksbegehren sammeln.
Sollte
das bernische Stimmvolk die Initiaitve danach annehmen, könnte der Grosse Rat
nachträglich über den Lehrplan 21 befinden, der zu diesem Zeitpunkt wohl
bereits in Kraft ist. Gegen diesen Entscheid könnte dann jemand das Referendum
ergreifen, um eine Volksabstimmung über den Lehrplan 21 zu erzwingen. Der neue
Lehrplan soll am 1. August 2018 formell in Kraft treten. Die Volksabstimmung
darüber fände also auch dann, wenn es schnell vorwärts geht, erst mehrere Jahre
danach statt.
Heikle Rückwirkung
Die
Initianten haben den Rechtsanwalt und SVP-Grossrat Patrick Freudiger
angeheuert, um einen Initiativtext auszuarbeiten, der eine Chance hat, gültig
zu sein. Ihr Problem: Den Lehrplan 21 noch vor seiner Inkraftsetzung zu stopen,
war kaum mehr möglich. Deshalb soll die Initiative im Fall einer Annahme
rückwirkend ab 1. Januar 2017 gelten. Dies aber ist heikel, denn solche
Rückwirkungsklauseln sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
Freudiger ist der Ansicht, dass das bei der Lehrplan-Initiative der Fall sei.
Dies auch deshalb, weil man gar nicht von einer «echten Rückwirkung» sprechen
könne, da es bei der Initiative lediglich um Zuständigkeitsfragen und nicht um
Eingriffe in geschützte Rechtsgüter gehe.
Entscheiden,
ob die Initiative gültig ist, wird letztlich der Grosse Rat. Mehrere Gründe
sprechen dafür, dass er die Initiative für gültig erklären wird. Der erste ist
die Einschätzung des Berner Staatsrechtsprofessors Pierre Tschannen. Er
widerspricht der Einschätzung Freudigers nicht. Zitieren lässt er sich so: «Die
Rückwirkung ist nicht das zentrale Problem.» Unabhänig von der Frage der
Gültigkeit kritisiert er die Initiative aber scharf: «Ich halte sie für
hochproblematisch, weil es nicht Sache eines Parlaments ist, einen Lehrplan
auszuarbeiten.»
Pulver will
Übergangsfrist
Ein
weiteres für die Initianten positives Signal kommt von Erziehungsdirektor
Bernhard Pulver (Grüne). Er zeigt sich gewillt, die Initiative in ihrem Sinne
auszulegen. Pulver sieht das Problem nicht bei der Frage, ob die Rückwirkungsklausel
zulässig ist. Er weist stattdessen auf die Probleme hin, die es mit sich
bringen würde, wenn der Lehrplan 21 tatsächlich mehrere Jahre nach seiner
Einführung vom Volk verworfen werden sollte. «In diesem Fall entfiele für
vieles, was wir machen, auf einmal die Rechtsgrundlage», sagt er. Pulver meint
damit zum Beispiel die zusätlichen Mathematik-, Deutsch- und
Informatiklektionen, die mit dem Lehrplan 21 eingeführt werden sollen oder
Übertrittsentscheide, die auf Grund der neuen (und dann wieder abgeschafften)
Regeln gefällt wurden.
Er
hält einen Volksentscheid gegen den Lehrplan 21 dann für umsetzbar, wenn er
nicht sofort, sondern nach einer Übergangsfrist von einigen Jahren in Kraft
träte. «Wir können nicht nur den Lehrplan 21 ausser Kraft setzen, sondern
müssen auch festlegen, was stattdessen gelten soll», sagt er. «Dafür bräuchten
wir Zeit.»
Keine
Option ist für Pulver, die Einführung des Lehrplans zu verschieben, bis die
Abstimmungen vorbei sind. Dafür sei der Prozess schon zu weit fortgeschritten.
«Die Schulen brauchen politische Sicherheit», sagt er.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen