27. November 2015

Tessiner entscheiden über kleinere Klassen

Die Frage der kleineren Klassen taucht im Südkanton immer wieder auf. Nun müssen die Stimmberechtigten von neuem darüber entscheiden.
Unruhe um Tessiner Schulwesen, NZZ, 27.11.


Die Mehrzahl der Kantone treibt die Harmonisierung der obligatorischen Schule (Harmos) voran. Ziel ist es, die Bildungsstandards und die Schulstrukturen schweizweit anzugleichen. Auch der Kanton Tessin macht bei Harmos mit und will in diesem Zusammenhang auf nächstes Jahr das Projekt «Die Schule, die kommen wird» präsentieren. Zudem stand wiederholt auch die Idee zur Diskussion, die Höchstzahl der Schüler pro Klasse zu senken. Im September 2013 verwarf der Tessiner Grosse Rat den Plan der Kantonsregierung, generell statt 25 nur noch 22 Schüler pro Klasse zuzulassen. Das Stimmvolk lehnte ein Jahr später eine Volksinitiative linker Kreise ab, die Primarschulklassen mit höchstens 20 Schülern forderte.

Diese Woche hat das Kantonsparlament eine Volksinitiative der Gewerkschaft VPOD abgeschmettert. Diese strebt auf Sekundarstufe die Beschränkung auf maximal 20 Schüler oder gar noch weniger an. Dazu kommt die Forderung nach einem merklichen Ausbau des Mensa-Angebots und der nachschulischen Betreuung. All dies zöge jährliche Zusatzkosten von etwa 45 Millionen Franken nach sich, wovon die Gemeinden 7,5 Millionen zu berappen hätten - obwohl die Sekundarstufe in die Zuständigkeit des Kantons fällt.

Frage der Unterrichtsqualität
Die bürgerliche Ratsmehrheit befand, dieser Mehraufwand sei angesichts der schlechten Finanzlage des Kantons untragbar. Zudem liessen die verlangten Massnahmen die dringlichen Probleme wie Unterrichtsqualität, Schülerförderung und Lehrerweiterbildung ausser acht. Die Grossräte hiessen stattdessen den Antrag der Mehrheit der parlamentarischen Schulkommission gut, welcher den Stimmberechtigten die Vorlage zur Ablehnung empfiehlt. Zur Abstimmung wird es nächstes Jahr auf jeden Fall kommen, weil die Gewerkschaft VPOD die Initiative nicht zurückziehen will.

Der Tenor im Grossen Rat lautete: Es sei vernünftiger, den Schlussbericht zum Reformprojekt «Die Schule, die kommen wird» abzuwarten und die Frage der Schülerhöchstzahl dann zu diskutieren. Das Projekt strebt unter anderem innovativere Unterrichtsformen, gezieltere Schülerbetreuung und flexiblere Zulassungsbedingungen an.

Zeit- und Spardruck

Generell herrscht Unruhe um das Tessiner Schulwesen. Nebst der Frage nach kleineren Klassen stellt sich auch jene der Leistungsförderung. Beim Pisa-Test 2009, der schweizweit durchgeführt wurde, schnitten die Tessiner Schüler am schlechtesten ab - obwohl das kantonale Schulmodell und insbesondere die Vorschulstufe als vorbildlich gelten. Dazu gesellt sich der Zeitdruck punkto definitiver Umsetzung der Harmos-Eckwerte spätestens auf 2016 hin. Und schliesslich muss sich der Tessiner Erziehungsdirektor Manuele Bertoli gegen allzu grossen Spardruck wehren. Seine Regierungskollegen planen, ein Sparpaket von 180 Millionen Franken zu schnüren. Sollte man auch im Bildungsbereich merkliche Abstriche ins Auge fassen, werde er dies nicht unterstützen, erklärte Bertoli. Das Tessiner Schulwesen steht also vor grossen Herausforderungen.

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