Der Dreh- und Angelpunkt ist der Lehrplan, Bild: SRF
Umgang mit Medien wird nach dem Zufallsprinzip vermittelt, SRF, 27.10. von Simon Leu
SRF News:
Medienwissenschaftler fordern im neuestenJahrbuch Qualität der Medien, dass an Schulen
mehr Wert auf Medienkompetenz gelegt wird. Das sei heute zu wenig der Fall.
Stimmt diese Kritik?
Thomas
Merz: Ich teile diese Einschätzung. Wir haben in der Deutschschweiz das
Problem, dass es in fast allen Kantonen im Bereich der Medienbildung zwar
Lehrpläne gibt. Aber es steht fast nirgends verbindliche Unterrichtszeit dafür
zur Verfügung. Das führte in den letzten Jahren zu grossen Unterschieden. Es
hat eine gewisse Zufälligkeit, wo die Schüler in diesem Bereich systematisch
etwas lernen.
Liegt das
Problem nicht auch bei den Hochschulen? Machen die genug bei der Ausbildung neuer
Lehrkräfte?
Der Dreh-
und Angelpunkt ist der Lehrplan. Alles dreht sich um die Frage: Was wird am
Ende für Lehrer auch tatsächlich gefordert?
Können
Sie sich erklären, weshalb Medienkompetenz im Lehrplan nicht stärker gewichtet
wird?
Wir
erleben jetzt eine Veränderung hin zum Lehrplan 21. In diesem wird tatsächlich
auch eine grössere Verbindlichkeit festgehalten. In der nächsten Phase geht es
darum, den ganzen Bereich der Medienbildung – also einer Auseinandersetzung mit
Medien, mit Informationskompetenz – auch systematisch in die Schulen
hineinzubringen.
Das
klingt etwas abstrakt. Was ist denn für Sie gute Medienschulung?
Das
betrifft die ganze Bandbreite. Zum Einen geht es schlicht und einfach darum,
dass Schüler lernen, sich zu informieren. Dass sie beispielsweise lernen,
zwischen interessant und wichtig zu unterscheiden. Nicht jede Information, die
interessant ist, ist auch wirklich wichtig und umgekehrt. Und dass sie lernen,
zwischen Bildern und Texten zu unterscheiden. Zum Anderen geht darum, dass Schüler
lernen, sich sorgfältig mit Quellen von Informationen auseinanderzusetzen. Das
ist eine Vielfalt, die letztlich dazu gehört. Deshalb ist es auch sehr wichtig,
systematisch, durch alle verschiedenen Schulstufen hindurch, diese
Medienbildung zu betreiben.
Man muss
also darüber hinausgehen, einfach nur das Formale zu lernen und zu lehren.
Sollen sich die Schüler in der Klasse in dem Fall auch inhaltlich Gedanken
machen?
Unbedingt.
Eine Übung, die ich beispielsweise meinen Studierenden vorschlage, ist, dass
sie aus Zeitungen und Zeitschriften, aus dem Internet oder der Tagesschau,
einen kleinen Beitrag herausnehmen und dazu dann auch recherchieren, was sie
eigentlich alles wissen. Sie müssen lernen und lesen, um diesen einen kleinen
Beitrag zu verstehen. Sehr oft ist es ja so, dass man nach einen kleinen
Beitrag gefühlsmässig glaubt, man sei informiert. Wir sagen dem
Informiertheits-Illusion. Dabei ist es ein langer Weg von diesem Gefühl, man
sei informiert, bis man tatsächlich fundiert über eine Sache informiert ist.
Das
bedingt aber auch eine gewisse Medienkompetenz der Lehrer. Wie schätzen sie die
ein? Bringen sie diese mit oder gehören sie schon zu der Gruppe, die nicht mehr
sehr interessiert ist an Information?
Natürlich
gibt es eine gewisse Tendenz dazu, stärker Unterhaltungsangebote und weniger
traditionelle Informationsangebote zu nutzen. Aber es gibt nicht einfach dietypischen
Jugendlichen. Und es sind schon gar nicht alle gleich. Wir haben auch unter
jungen Menschen – und da zähle ich unsere Studierenden auch dazu – solche, die
sehr interessiert sind an Fakten, und die sich wirklich auch informieren. An
den pädagogischen Hochschulen muss dies durchaus ein Thema sein. Und hier ist
mir natürlich auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir in der Schweiz nach
wie vor keinen Lehrstuhl für Medienpädagogik haben. Es gibt einen kleinen
20-Prozent-Lehrstuhl für Medienpädagogik an der Universität Zürich. Ansonsten
besteht hier ein ganz grosser Bedarf, eine Lücke im Hinblick auf die Ausbildung
der Ausbildenden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen