Fritz Tschudi erklärt, warum es die Initiative zur Mitsprache des Volkes bei Lehrplänen braucht.
Presseerklärung zur Lancierung der Volksinitiative, 1.10.
Im neuen Lehrplan 21
geht es nicht nur um den umstrittenen „Paradigmenwechsel“ vom bisher
lernzielorientierten Unterricht zur sog. Kompetenzorientierung, sondern um den
diskreten Umbau der Wertebasis für unsere Volksschule. Der tiefgreifende
gesellschaftspolitische Richtungswechsel hätte frühzeitig und explizit
kommuniziert werden müssen. Eine öffentliche Fundamentaldebatte darüber fand
aber nie statt. Eine breite demokratische Legitimation für die Einführung eines
neuen Lehrplans ist darum unerlässlich. Wir fordern, den Entscheid dem Grossen Rat
zu übertragen und mit dem fakultativen Referendum gegebenenfalls das Stimmvolk
zu befragen. Weiter fordert die Initiative inhaltbasierte Jahresziele in den
einzelnen Fächern. Denn Kompetenzen erwachsen immer aus Lerninhalten, aber
nicht umgekehrt. Kompetenzentwicklung wird also mit dem Primat inhaltlicher
Lernziele keineswegs verhindert, sondern ganz im Gegenteil, ohne Umschweife
wirksam und transparent gefördert! Alle mir bekannten Befunde aus Deutschland
(mit 10 Jahren Kompetenzorientierung!) und den USA, fallen deutlich aus: Das
Kompetenzkonzept gefährde das Bildungsniveau. Es widerspreche den Leitzielen
eines demokratischen Bildungswesens, zersetze didaktisches und pädagogisches
Denken und Handeln und behindere Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu
mündigen Staatsbürgern. Dieses Lehrplankonzept ist auch deshalb fragwürdig,
weil es bestehende Traditionen gefährdet und so die Entwurzelung unserer
Schuljugend begünstigt. Der Lehrplan 21 führt zur Heranbildung des klaglos
funktionierenden, angepassten, allein der ökonomischen Verwertbarkeit
verpflichteten Menschen. Dass dieses Menschenbild kaum politische Mündigkeit
fördert und damit den Weiterbestand unserer Demokratie gefährdet, liegt auf der
Hand. Dennoch wird der neue Lehrplan unbeirrt durchgesetzt. Man darf sich schon
fragen, wie es um die Ausrichtung unserer bildungspolitischen
Verantwortungsträger steht, wenn wider besseres Wissen an einem sichtlich
gescheiterten Konzept festhalten wird.
Die Durchsetzung des
Lehrplans 21 erfordert einen grundlegenden Wandel des Unterrichtsverständnisses
und der Lehrerrolle. Neu fungieren Lehrpersonen als „Lernbegleiter“ in einem
„selbstgesteuerten“, den Kindern aufgezwungenen „selbstbestimmten“ Lernprozess
(Konstruktivismus). Wo bislang Lehrerinnen und Lehrer als selbstverantwortlich
und selbstbewusst Lehrende in einem strukturierten fachorientierten Unterricht
wirken konnten, finden sich künftige Lehrpersonen als eng gehaltene Hilfskräfte
wieder. Die Liebe zum Fach, als eine unverzichtbare Voraussetzung für die
begeisternde Motivation der Kinder kommt zusehends abhanden. Die Orientierung
an Sammelfächern gestattet inhaltliche Beliebigkeit. In ideologienahen
Bereichen wie „Natur, Mensch, Gesellschaft“ ist ein Abgleiten in die
Indoktrination ebenso wenig auszuschliessen wie Meinungsmache im Sinne der
gerade aktuellen politischen Korrektheit. Hier die stichwortartige Auflistung
einiger Mängel der neuen Bildungsdoktrin:
· Das Kompetenzkonzept ist wissenschaftlich ungeklärt.
· Es soll dazu dienen, „Bildung“ messbar zu machen.
· Kompetenzorientierung vernachlässigt die Inhalte und
senkt das Bildungsniveau.
· Kompetenzorientierung ist Grundlage des sog.
„selbstgesteuerten Lernens“.
· Kompetenzen zielen auf Anpassung.
· Die Durchsetzung des Kompetenzkonzepts zeigt Merkmale
von Propaganda.
· Die OECD verfolgt eine Strategie kultureller
Entwurzelung.
· Gesellschaftliche Folgen: Untergraben von Demokratie,
Kultur und Wirtschaft.
· Die neue Bildungsdoktrin macht Bildung zur Ware, zum
bedeutenden Wirtschaftsfaktor durch Privatisierung.
Der neue Lehrplan ist
im Wesentlichen das Ergebnis eines fraglichen politischen Kalküls, mit dem Ziel
„Bildung“ zu standardisieren, zu messen unter Inkaufnahme der massiven
Abwertung des Lehrerberufs. Ein pädagogischer Mehrwert ist nicht auszumachen.
Der Lehrplan 21 ist, entgegen häufiger Behauptung, nicht die Erfüllung eines
Verfassungsauftrags und darum keineswegs „unverzichtbar“. Im Bildungsartikel
62/4 der Bundesverfassung wird mit keinem Wort ein bestimmtes Lehrplankonzept
gefordert. Ebenso wenig hat das Volk jemals Ja gesagt zum konstruktivistischen
Unterricht mit dem faktischen Lehrverbot für alle Lehrpersonen. Zum Schluss
noch dies: Ein fleissiger Propagandist dieser Glaubensrichtung ist der
Schweizer Bildungsunternehmer Peter Fratton. Mitte 2013 liess dieser sich
anlässlich einer Anhörung in einem deutschen Bundesland zur Äusserung
hinreissen, dass er – bei Annahme seiner Empfehlungen - keine Ahnung habe, was
dabei herauskomme: Aber schön falsch sei auch schön! Wen wundert‘s, dass die
Deutschen auf weitere „wertvolle“ Anregungen des Sprücheklopfers umgehend
verzichteten.
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