13. Oktober 2015

Kritik an Französischlehrmittel: Alles nur Behauptungen

Trotz 351 Lektionen Französisch könnten ihre Kinder kaum einen Satz auf Französisch sprechen. Dies beklagen Eltern aus dem Kanton Bern. Für die Verantwortlichen kommt die Kritik zu früh und ist unseriös.



















Seit der Einführung stark umstritten: Mille feuilles, Bild: Schulverlag Plus
Trotz 351 Lektionen keine Ahnung von Französisch, 20 Minuten, 13.10.


Beim Thema Frühfranzösisch scheiden sich in der Schweiz die Geister. Jetzt meldet sich eine Gruppe zu Wort, die sich bisher zurückgehalten hat. Eine Eltern-Gruppierung aus dem bernischen Wilderswil beklagt sich über die Leistung ihrer Kinder. «Unsere Tochter hatte bis dato 351 Lektionen Französischunterricht. Aber sie kann kaum einen Satz bilden», sagt etwa Doris Graf Jud zur «Berner Zeitung».
Dabei betonen die Mütter, dass dieser Umstand nicht an der Faulheit der Kinder liege. Auch seien sie keine schlechten Schüler. Vielmehr sei die Unterrichtsart schuld. Während früher in erster Linie Grammatik und Rechtschreibung gelehrt wurden, wird die Sprache den Kindern heute auf spielerische Weise nähergebracht.
Lehrmittel realitätsfremd
Doch das ist den Wilderswilern ein Dorn im Auge. Die Mehrheit der Eltern der 16 Siebtklässler wandte sich deshalb jetzt mit einem Brief an die Erziehungsdirektion des Kantons Bern, wie die Zeitung schreibt. Darin verdeutlichen sie, dass ihre Zöglinge nach vier Jahren weniger Sprachkenntnisse hätten als Schüler von früher nach einem Jahr mit dem Lehrmittel «Bonne Chance». Und weiter: «Unsere Kinder müssen Texte über die Raumfahrt übersetzen. Sie können aber nicht einmal ein Verb konjugieren.»
Das neue Lernsystem, das den Französischunterricht bereits ab der 3. statt ab der 5. Klasse vorsieht, aber auch die Lehrmittel seien realitätsfremd und würden selbst gute Schüler überfordern, beklagen die Eltern laut der Zeitung.
Lehrer verwenden zusätzlich eigene Mittel
Ein Oberstufenlehrer bringt noch weitere Ungereimtheiten ans Licht: Demnach würden die Lehrbücher zwischen der Mittelstufe und der Sekundarstufe nicht übergangslos aufeinander aufbauen und es gebe einen Bruch. Folglich würden von den Schülern in der 7. Klasse Kenntnisse verlangt, die sie gar nicht hätten. «Wenn ich die Schüler nach dem Massstab bewerte, den ich auf dieser Stufe anwenden müsste, dann bekommen sie ungenügende Noten», sagt er zur Zeitung.
Unterstützung bekommen die Kritiker vom Bieler GLP-Stadtrat Alain Pichard. «Ohne strukturellen Aufbau des Wortschatzes und der Grammatik geht es nicht», sagt der Reallehrer. Doch gerade Letztere werde im neuen Lehrmittel «Mille Feuilles» vernachlässigt. Der Verlag habe zwar mittlerweile ein Zusatzbuch veröffentlicht, zusammen mit der Basisausrüstung reisse das Frühfranzösisch so aber Löcher in die Gemeindekassen. Pichard bleibt unzufrieden. Wie einige Wilderswiler Lehrer benutzt er deshalb zusätzlich eigene Lehrmittel.
Nicht weniger, sondern anders
Peter Uhr, Projektleiter des Schulverlags Plus, der «Mille Feuilles» herausgegeben hat, bezeichnet die Kritik als «Behauptungen». Ein Urteil der Oberstufenlehrer nach wenigen Wochen Unterricht mit der «Mille Feuilles»-Generation sei unseriös. Auch Franziska Schwab, Leiterin Pädagogik beim bernischen Lehrerverband, warnt vor einem verfrühten Urteil. Ähnlich fiel deshalb auch die Antwort der Erziehungsdirektion aus. Die Eltern sollten den Kindern Sicherheit geben und dem neuen Fremdsprachenunterricht gelassen begegnen. «Dann werden sie entdecken, dass sie nicht weniger Französisch lernen als früher, sie lernen einfach anders, und sie lernen andere Dinge.»


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