Fast zehn Jahre sind
vergangen, seit der Kanton Baselland zusammen mit fünf weiteren Kantonen
entlang der Sprachgrenze sich für das Fremdsprachenkonzept Passepartout mit
Französisch als Fremdsprache ab der dritten Primarschulklasse entschied. Akzeptiert
ist Passepartout bis heute nicht, obwohl nächstes Jahr auch im Baselbiet die
ersten mit Passepartout aufgewachsenen Primarschüler in die Sekundarschulen
übertreten. Jetzt wehren sich die betroffenen Sekundarlehrer gegen die deswegen
verfügte obligatorische Weiterbildung – und stürzen damit die neue
Bildungsdirektorin Monica Gschwind in ein Dilemma.
Im Projekt Passepartout wird der Landessprache der Vorrang vor Englisch gegeben, Bild: Basler Zeitung
Bildungsdirektorin in der Zwickmühle, Basler Zeitung, 13.10. von Thomas Dähler
«Sie bringen mich in die
Zwickmühle», musste Gschwind kürzlich an einer Versammlung des
Lehrerinnen- und Lehrerverbands einräumen. 16 Tage Weiterbildung wegen der
Übernahme der ersten mit Passepartout aufgewachsenen Primarschülerinnen und
Primarschüler seien unsinnig, versuchten die Sekundarlehrkräfte an der Versammlung
der Bildungsdirektorin zu erklären. Schliesslich hätten sie ein Sprachenstudium
absolviert. Sie liessen dabei durchblicken, dass sie das Konzept für
gescheitert halten und das Experiment ohnehin nur halbwegs weiterführen würden.
Mit «Baden in der Fremdsprache» lerne man kein Französisch. Doch Gschwind hält
an Passepartout fest und verpflichtet die Sekundarlehrer zur 16-tägigen
Weiterbildung.
Rad lässt sich nicht
zurückdrehen
«Ich kann das Rad nicht
zurückdrehen», sagte Gschwind den versammelten Lehrkräften – und erntete dafür
lautstarke Missfallensbekundungen. Doch der neuen Bildungsdirektorin bleibt
nichts anderes übrig. Zwar hatte sie sich noch im Wahlkampf skeptisch zum
Fremdsprachenkonzept geäussert. Doch als Baselbieter Regierungsrätin ist
Gschwind an bestehende Vereinbarungen gebunden – in diesem Falle an die
«Interkantonale Vereinbarung über die Einführung des Französischunterrichts ab
dem 3. und des Englischunterrichts ab dem 5. Schuljahr sowie die gemeinsame
Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts», besiegelt im März 2006. Darauf
aufbauend hatten die Kantone Bern, Wallis, Solothurn, Freiburg, Basel-Stadt und
Baselland das gemeinsame Sprachkonzept Passepartout entwickelt und in ihren
Schulen eingeführt – im Baselbiet mit einjähriger Verspätung.
Erst vor Jahresfrist
vereinbarten die Bildungsdirektoren der sechs Kantone, die Laufzeit des
Projekts bis 2018 zu verlängern – notabene unter dem Vorsitz des Baselbieter
Bildungsdirektors Urs Wüthrich. Der sozialdemokratische Vorgänger Gschwinds tat
dies allerdings nicht eigenmächtig, sondern mit dem Segen der schon damals mehrheitlich
bürgerlichen Baselbieter Regierung. 2018 endet die Frist, weil bis dahin erste
wissenschaftliche Auswertungen zum Projekt vorliegen.
Experten und Lehrkräfte
uneinig
Zum viel kritisierten
Lehrmittel «Mille feuilles» äusserten sich die Bildungsminister der Kantone im
Juni 2014 noch geradezu euphorisch: «Die Praxistests sind einmalig in der
Schweiz, noch nie wurde ein Lehrmittel so ausführlich getestet und in
Zusammenarbeit mit den Lehrerinnen und Lehrern entwickelt», heisst es in dem
Communiqué von damals. Doch offensichtlich hatten die Bildungsexperten die
Rechnung ohne die Baselbieter Sekundarlehrkräfte gemacht, die jetzt auch mit
dem «Sprachbad» des «Mille feuilles» und des Nachfolgelehrmittels «Clin
d’oeuil» konfrontiert sind und die 16 Tage Einführungskurs offensichtlich
nur unter Zwang absolvieren.
Die Sekundarlehrer werden
bis 2018, wenn die ersten Frühfranzösisch-Schüler der Passepartout-Kantone die
Volksschule verlassen, durchhalten müssen. Angekündigt ist für Sommer 2018 ein
erster Bericht zu einer Erhebung bei 1500 Schülerinnen und Schülern aus den
sechs Kantonen. Bildungsexperten sind dabei optimistisch – anders als die
Baselbieter Lehrkräfte an den Sekundarschulen: Bereits heute bescheinigt das
Institut de recherche et de documentation pédagogique der Universität Neuenburg
in einer Vorstudie den Sechstklässlern, dass sie in Französisch auf den
Sekundarschul-übertritt bestens vorbereitet seien.
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