13. Oktober 2015

Kein Übungsabbruch bei Passepartout in Sicht

Fast zehn Jahre sind vergangen, seit der Kanton Baselland zusammen mit fünf weiteren Kantonen entlang der Sprachgrenze sich für das Fremdsprachenkonzept Passepartout mit Französisch als Fremdsprache ab der dritten Primarschulklasse entschied. Akzeptiert ist Passepartout bis heute nicht, obwohl nächstes Jahr auch im Baselbiet die ersten mit Passepartout aufgewachsenen Primarschüler in die Sekundarschulen übertreten. Jetzt wehren sich die betroffenen Sekundarlehrer gegen die deswegen verfügte obligatorische Weiterbildung – und stürzen damit die neue Bildungsdirektorin Monica Gschwind in ein Dilemma.




















Im Projekt Passepartout wird der Landessprache der Vorrang vor Englisch gegeben, Bild: Basler Zeitung
Bildungsdirektorin in der Zwickmühle, Basler Zeitung, 13.10. von Thomas Dähler


«Sie bringen mich in die Zwickmühle», musste Gschwind kürzlich an einer Versammlung des Lehrerinnen- und Lehrerverbands einräumen. 16 Tage Weiterbildung wegen der Übernahme der ersten mit Passepartout aufgewachsenen Primarschülerinnen und Primarschüler seien unsinnig, versuchten die Sekundarlehrkräfte an der ­Versammlung der Bildungsdirektorin zu erklären. Schliesslich hätten sie ein Sprachenstudium absolviert. Sie liessen dabei durchblicken, dass sie das Konzept für gescheitert halten und das Experiment ohnehin nur halbwegs weiterführen würden. Mit «Baden in der Fremdsprache» lerne man kein Französisch. Doch Gschwind hält an Passepartout fest und verpflichtet die Sekundarlehrer zur 16-tägigen Weiterbildung.

Rad lässt sich nicht zurückdrehen
«Ich kann das Rad nicht zurück­drehen», sagte Gschwind den versammelten Lehrkräften – und erntete dafür lautstarke Missfallensbekundungen. Doch der neuen Bildungsdirektorin bleibt nichts anderes übrig. Zwar hatte sie sich noch im Wahlkampf skeptisch zum Fremdsprachenkonzept geäussert. Doch als Baselbieter Regierungsrätin ist Gschwind an bestehende Vereinbarungen gebunden – in diesem Falle an die «Interkantonale Vereinbarung über die Einführung des Französischunterrichts ab dem 3. und des Englischunterrichts ab dem 5. Schuljahr sowie die gemeinsame Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts», besiegelt im März 2006. Darauf aufbauend hatten die Kantone Bern, Wallis, Solothurn, Freiburg, Basel-Stadt und Baselland das gemeinsame Sprachkonzept Passepartout entwickelt und in ihren Schulen eingeführt – im Baselbiet mit einjähriger Ver­spätung.
Erst vor Jahresfrist vereinbarten die Bildungsdirektoren der sechs Kantone, die Laufzeit des Projekts bis 2018 zu verlängern – notabene unter dem Vorsitz des Baselbieter Bildungsdirektors Urs Wüthrich. Der sozialdemokratische Vorgänger Gschwinds tat dies allerdings nicht eigenmächtig, sondern mit dem Segen der schon damals mehr­heitlich bürgerlichen Baselbieter Regierung. 2018 endet die Frist, weil bis dahin erste wissenschaftliche Auswertungen zum Projekt vorliegen.

Experten und Lehrkräfte uneinig
Zum viel kritisierten Lehrmittel «Mille feuilles» äusserten sich die ­Bildungsminister der Kantone im Juni 2014 noch geradezu euphorisch: «Die Praxistests sind einmalig in der Schweiz, noch nie wurde ein Lehrmittel so ausführlich getestet und in Zusammenarbeit mit den Lehrerinnen und Lehrern entwickelt», heisst es in dem Communiqué von damals. Doch offensichtlich hatten die Bildungsexperten die Rechnung ohne die Baselbieter Sekundarlehrkräfte gemacht, die jetzt auch mit dem «Sprachbad» des «Mille feuilles» und des Nachfolgelehrmittels «Clin d’oeuil» konfrontiert sind und die 16 Tage Einführungskurs offensichtlich nur unter Zwang absolvieren.

Die Sekundarlehrer werden bis 2018, wenn die ersten Frühfranzösisch-Schüler der Passepartout-Kantone die Volksschule verlassen, durchhalten müssen. Angekündigt ist für Sommer 2018 ein erster Bericht zu einer ­Erhebung bei 1500 Schülerinnen und Schülern aus den sechs Kantonen. Bildungsexperten sind dabei optimistisch – anders als die Baselbieter Lehrkräfte an den Sekundarschulen: Bereits heute bescheinigt das Institut de recherche et de documentation pédagogique der Universität Neuenburg in einer Vor­studie den Sechstklässlern, dass sie in Französisch auf den Sekundarschul-übertritt bestens vorbereitet seien.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen