Brief an alle Sekundarlehrpersonen, Starke Schule Baselland, 23.10.
Liebe Sekundarlehrpersonen
Die SP-Parteispitze verkennt ihre
Verantwortung dafür, dass die letzten 20 Jahre Bildungspolitik unter ihrer
Führung für die schwierige Situation an unseren Schulen verantwortlich ist.
Folgend erlauben wir uns, Ihnen eine an das Co-Präsidium der SP gerichtete
Reaktion einer Lehrperson weiterzuleiten.
Freundliche Grüsse
Saskia
Olsson
Geschäftsleiterin
Starke Schule BL
|
Alina
Isler
Sekretariat
Starke Schule BL
|
Michael
Pedrazzi
Vorstand
Starke Schule BL
|
«Sehr geehrte Frau Meschberger, sehr geehrter
Herr Koller
Ihre Partei hat massiv an Rückhalt verloren
innerhalb der Lehrerschaft u.a. wegen der Positionen, die sie auch in Ihrem
Mail vertreten. Von daher täten Sie gut daran, tatsächlich offen zu sein für Anregungen
von Lehrerseite, wie Sie es am Schluss Ihres Mails formulieren.
Ihre Aussage, wonach erneute Sparübungen für
Sie nicht in Frage kämen, ist schöne Rhetorik ohne praktische Relevanz: Ihre
Partei hat die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion an die FDP verloren, und
im Landrat verfügt sie von insgesamt 90 Sitzen über 21 gegenüber 54 der
Hauptvertreter des bürgerlichen Blocks. Es ermangelt Ihrer Partei folglich an
Wirkungsmöglichkeiten und Stimmen, um Ihre Anliegen durchzusetzen. Dies ist
nicht zuletzt die Folge der Entfremdung Ihrer Partei von der Basis.
Zu Beginn Ihres Schreibens behaupten Sie eine
Verunglimpfung des Alt-Regierungsrates Urs Wüthrich seitens der "Starken
Schule Baselland", um weiter unten die aktuelle Regierungsrätin, Monica
Gschwind, zu verunglimpfen mittels der Unterstellung, sie sehe Bildung vor
allem als Kostenfaktor. Damit entblössen Sie Ihre eigenen dem politischen
Gegner unterstellten Methoden.
Unter Urs Wüthrichs Ägide wurden Lehrkräfte zu
schweigenden Befehlsempfängern. Er machte den Eindruck eines zwar aus der
Gewerkschaft kommenden, aber nun im hohen Elfenbeinturm sitzenden Ideologen
ohne Bodenhaftung und Kontakt zur Basis, völlig unzugänglich für Anregungen.
Sein Schreiben vom 1. September 2014 ans Lehrpersonal liest sich als
unterschwellige Drohung insbesondere an die Adresse seiner Bildungs- und
Reformpolitik gegenüber kritisch gesinnten Lehrerschaft. Es mutet auf diesem
Hintergrund befremdend an, dass nun zwei Co-Präsidenten als Wüthrichs
Parteigenossen sich ausgerechnet an die von ihm verschmähte Basis wenden, um
sich für Rückmeldungen offen zu zeigen. Wo waren Sie bisher?
Es scheint, die SP weiss nicht, was sich an
der Basis abspielt. Da werden Lehrkräfte von Schulleitungen eingeschüchtert und
genötigt; da werden Tricksereien angewendet, um nicht genehme Lehrer wenige
Jahre vor deren Pensionierung loszuwerden; da wird die von Urs Wüthrich als
Anregung deklarierte pädagogische Kooperation als verbindlicher Bildungsauftrag
durchgeboxt; da werden Schreiben von der Bildungsdirektion unterschlagen, weil
sie die Schulleitungen dazu anhalten die Kollegien zu entlasten; da werden
seitens diverser Schulleitungen ganze Kollegien auseinanderdividiert in
kritisch und unkritisch usw. Schulräte wurden im neuen Schulgesetz aus den
Klassenzimmern verbannt, wodurch sie sich nur noch mit den Schulleiterinnen und
Schulleitern austauschen. Eine Aufsichtsbehörde für Schulleitungen, an die sich
Lehrkräfte wenden könnten, gibt es folglich keine.
Es verwundert, dass Sie in Ihrem Schreiben
hervorheben, Urs Wüthrich habe sich im Landrat für die Lehrerschaft und die
Angestellten des Kantons eingesetzt. Was hätte er denn als sozialdemokratischer
Bildungsdirektor und ehemaliger Gewerkschaftssekretär anderes tun sollen? Das
ist doch das Mindeste, was man von ihm erwarten durfte. Was allerdings nutzte
sein Einsatz in Anbetracht seiner Funktion als Durchlauferhitzer für die
Reformindustrie?
Während der letzten Jahre entstanden rund ums
Klassenzimmer neue Wirtschaftszweige bzw. Kostenstellen, die auf dem Buckel der
öffentlichen Schulen und zu deren Nachteil ihre Geschäfte betreiben bzw. Kosten
verursachen. Da ist die so genannte „Bildungswissenschaft“ zu nennen, die an
Fachhochschulen in ständig schnellerem Rhythmus "neue"
Unterrichtsmethoden, Schulkonzepte und -strukturen ausbrütet. Damit verbunden
sind hoch dotierte Professuren, Assistenzen, Doktorate, Studienlehrgänge,
Seminarien usw. Das Amt für Volksschule als nächster Akteur verarbeitet die
erwähnten "Forschungsergebnisse" zu Schulreformen, wozu es u.a. personalintensive
und kostspielige Arbeits- und Projektgruppen, Koordinations- und Stabsstellen
schafft. Auf der Grundlage dieser im Wesentlichen immer wieder von neuem
erfundenen alten Schläuche entwickelt die Verlagsindustrie neue und zunehmend
teurer werdende Unterrichtsmaterialien, die vermehrt in den Schränken der
Schulzimmer gebunkert, aber nicht zur Anwendung kommen wegen fehlender
Praxistauglichkeit, siehe insbesondere http://www.starke-schule-baselland.ch/Initiative_Fremdsprachen/Passepartout.aspx. Als letzter Wirtschaftszweig agiert
die Fortbildungsindustrie, die den Schulen ihre obligatorischen
Weiterbildungskurse für die erwähnten Methoden, Konzepte und Schulbücher
verkauft. Diesbezüglich stellen sich Fragen:
"Wie ist es möglich, dass sich eine
einzige Beratungsfirma sprunghaft an die Spitze der Weiterbildungsindustrie
setzen konnte? Wie lässt sich erklären, dass dieselbe Firma den Schulleitungen
auch die entsprechenden Evaluationsinstrumente zur Verfügung stellt, mit
welchen die korrekte Anwendung der von ihr vermarkteten Produkte überprüft
werden soll? Weshalb investiert der Kanton so viel Geld in diese Produkte? Der
Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz VSLCH macht auf seiner Website
keinen Hehl daraus, dass er in Kooperation mit erwähnter Beratungsfirma
Weiterbildungsseminare anbietet. Unter den Beraterinnen und Beratern finden
sich Ex-Schulleiterinnen und -Schulleiter, welche an ihren ehemaligen Schulen
die genannten Unterrichtskonzepte bereits zum Mass aller Dinge erklärt haben.
Und ebendiese Schulen werden im Rahmen des vom Kanton finanzierten Projektes
«Schulen besuchen Schulen» rege besucht." http://www.lvb.ch/docs/magazin/2014_2015/03-M%C3%A4rz/32_Sprachlabor_und_Fleischkaesewerkstatt_LVB_1415-03.pdf
Hätte sich Ihre Partei die letzten Jahre für
die Redimensionierung der erwähnten vier Wirtschaftszweige und Kostenstellen
und somit gegen das sich ständig schneller drehende Rad der Reformen
eingesetzt, hätten wir heute kein Kostenplus im Bildungsbereich von 9.4% zu
verzeichnen, sondern ein zweistelliges Minus. Dann hätten u.a. die
Klassenzahlen und Pensen der Lehrkräfte nicht erhöht und die Altersentlastung
nicht gestrichen werden müssen, was im Gegensatz der sich mittlerweile
überschlagenden Reformen dem Schulbetrieb tatsächlich zugute käme. Auch wenn es
als Argumentation schön daherkommt, nützt es der öffentlichen Schule und deren
Kindern und Jugendlichen nichts, dass andere Departemente höhere
Kostensteigerungen als der Bildungsbereich zu verzeichnen hat. Auch die zwar
berechtigte Betonung der verfehlten rechtsbürgerlichen Steuerpolitik der
letzten Jahre hilft da nicht weiter. Das ist Parteiengeplänkel und zeugt von
Ihrer Ferne vom thematisierten Gegenstand.
Solange Ihre Partei die Reformhysterie als den
richtigen Weg betrachtet, sind Sie eben nicht auf unserer Seite. Sie machen
sich offensichtlich kein Bild vom starken Sukkurs, den das Komitee Starke
Schule Baselland im Lehrpersonal geniesst. Kommen Sie an die Basis, machen Sie
Umfragen, sprechen Sie mit den Lehrkräften und den Eltern, lösen Sie sich von
Ideologie und Parteiendoktrin, beginnen Sie sich für den realen Schulalltag zu
interessieren.
Machen Sie einen Schritt auf die Lehrerschaft, losgelöst von Parteipropaganda. Lösen Sie sich von der Vorstellung, Ihre bildungspolitischen Ideen liessen sich umsetzen. Darum geht es schon lange nicht mehr. Ihre Ideologie ist mittlerweile nicht mehr als ein lukratives Geschäftsmodell auf dem Buckel der öffentlichen Schule.»
Machen Sie einen Schritt auf die Lehrerschaft, losgelöst von Parteipropaganda. Lösen Sie sich von der Vorstellung, Ihre bildungspolitischen Ideen liessen sich umsetzen. Darum geht es schon lange nicht mehr. Ihre Ideologie ist mittlerweile nicht mehr als ein lukratives Geschäftsmodell auf dem Buckel der öffentlichen Schule.»
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