Neuer Lehrplan ohne Bücher, Basler Zeitung, 27.10. von Nina Jecker
Als erster Kanton in der Schweiz hat
Basel-Stadt nach den Sommerferien den umstrittenen Lehrplan 21 eingeführt. Ein
Lehrplan, der eigentlich mit neuen Lehrmitteln umgesetzt werden sollte. Dies
ist jedoch nicht möglich, weil es die für die neuen Kombifächer wie
beispielsweise Natur und Technik, Wirtschaft, Arbeit und Haushalt oder Ethik,
Religionen, Gemeinschaft noch gar keine Bücher und Hefte gibt. «Für die Verlage
lohnt es sich nicht, für einen kleinen Markt ein Lehrmittel zu produzieren»,
erklärt Dieter Baur, Leiter Volksschulen Basel-Stadt.
Hergestellt werden die Unterlagen für Lehrer und Schüler erst,
wenn die Kantone Bern und Zürich den neuen Lehrplan ebenfalls einführen und
dann Lehrmittel bestellen. «Diese Kantone haben einen genügend grossen Abnehmerkreis.
Ab da wird es interessant für die Verlage», sagt Baur. Was die Kombifächer oder
Sammelfächer angeht, rechnet man in Basel damit, dass die Lehrmittel ungefähr
für das Schuljahr 2018/2019 komplett vorliegen werden.
«Wir spielen Versuchskaninchen»
Nicht alle Lehrpersonen sind begeistert davon, als Erste im Land
mit dem Lehrplan 21 zu beginnen. Mit ihrem vollen Namen möchten sie keine
Kritik üben, weil sie negative Konsequenzen im Beruf fürchten. Anonym machen
sich einige aber Luft. «Einmal mehr dienen wir und die Schulkinder dem
Erziehungsdepartement als Versuchskaninchen», sagt Lehrer A. F.* Bereits die
Einführung der Orientierungsschule als Basler Unikum sei ein einziges
Experiment und ein riesiger Fehler gewesen. «Und jetzt passen wir unser System
dem Rest der Schweiz an, noch bevor die anderen Kantone die Neuerung selber
umsetzen.» Eine andere Lehrerin hält fest: «Ich und viele Kolleginnen freuen
sich zwar über das neue System. Aber wir haben das Gefühl, dass wieder einmal
alles viel zu schnell passieren muss, bevor überhaupt alles ausgegoren ist.»
Sie hätte lieber auf die anderen Kantone gewartet, um dann gemeinsam
loszulegen. «Dann hätte man auch die Lehrmittel pünktlich zur Verfügung
gehabt.»
Zum Vergleich: Der Kanton Bern beispielsweise lässt sich mit der
Inkraftsetzung des neuen Lehrplans deutlich mehr Zeit als die Basler und will
ihn je nach Schulstufe zwischen 2018 und 2020 umsetzen. In Zürich soll
kommenden Frühling überhaupt erst ein kantonale Version davon vorliegen, die
dann auch noch in die Vernehmlassung geht. Eingeführt wird der Lehrplan 21 im
Kanton Zürich frühestens auf das Schuljahr 2017/2018.
Beim Basler Erziehungsdepartement will man von einer überstürzten
Einführung dennoch nichts wissen. Das Ganze sei genügend vorbereitet worden.
«Es war uns bekannt, dass in gewissen Fächern ohne neue Lehrmittel gestartet
werden muss», sagt Baur. In den Fächern Mathematik, Deutsch und für die
Fremdsprachen seien ausserdem bereits lehrplankonforme Unterlagen im Einsatz.
«Da gibt es auch keine Wechsel mehr», sagt Baur.
Sechs Jahre Übergangsfrist
Aber warum haben die Basler nicht einfach gewartet, bis auch
andere Kantone zur Einführung des umfangreichen Lehrplans bereit sind? Der
Grund ist die Umstellung des Basler Schulsystems mit der Orientierungsschule
auf das neue System mit einer Sekundarstufe. «Hätten wir mit dem Lehrplan 21
noch gewartet, hätten wir für diese Zeit extra einen teuren Übergangslehrplan
entwickeln müssen. Das lohnt sich für eine solch kurze Zeitspanne aber nicht»,
sagt Baur.
Für die Basler Lehrer gibt es Hilfestellungen. Sie können sich im
Internet darüber informieren, welche Lehrmittel bereits heute mit den neuen
Vorgaben kompatibel sind. Wo solche fehlen, stellt das Erziehungsdepartement
zum Teil Unterrichtseinheiten im Internet zur Verfügung. Ausserdem können die
Schulen laut Baur mit Materialkrediten zusätzliche Materialien kaufen, um
Lücken in der Übergangszeit zu überbrücken. Nach dieser Frist von sechs Jahren
soll dann an der gesamten Volksschule nur noch der neue Lehrplan zum Einsatz
kommen. «Ich hoffe, dass all die Pädagogen unsere Schule ab dann endlich einmal
einige Zeit in Ruhe lassen», sagt dazu Lehrer A. F.
Warum stellt man die Lehrmittel eigentlich immer noch auf Papier her? Man könnte sie doch elektronisch herstellen. Dann wären sie immer à jour, können dauernd jedem Furz angepasst werden und verrotten nicht in den Schulkellern. Zudem müssten keine Bäume dafür herhalten.
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