Die kantonalen Sparpakete liessen die Bildung ausbluten, sagt der LCH. Er hat erstmals ausgerechnet, wie hoch die Einbussen in der Deutschschweiz sind.
Mindestens 180 Millionen wurden seit 2013 gespart - noch einmal so viel soll folgen, Bild: Gaetan Bally
Lehrer warnen vor Bildungsabbau, NZZaS, 27.9. von Katharina Bracher
18 von 21 Deutschschweizer Kantonen haben
zwischen den Jahren 2013 und 2018 Sparmassnahmen in der Bildung entweder
geplant oder schon realisiert. Dies ergibt eine Umfrage des Lehrerdachverbandes
(LCH). «Wir gehen von mindestens 180 Millionen Franken Bildungsabbau aus, der
seit 2013 erfolgt ist», sagt LCH-Zentralsekretärin Franziska Peterhans. Das
seien jedoch nur jene Sparbeiträge, die eindeutig identifizierbar seien. «Einen
Teil der Kosten für die Bildung übernehmen die Gemeinden», sagt Peterhans. Wie
viel auf kommunaler Ebene eingespart wurde, hat der LCH in seiner Umfrage nicht
erhoben. Hingegen wurde erfasst, welche Sparmassnahmen in den Kantonen künftig
anfallen. «Wir gehen von mindestens 180 Millionen Franken aus, die in den
Kantonen bis 2018 eingespart werden müssen», sagt Peterhans.
Ein Grossteil betreffe die Anstellungsbedingungen der Lehrer:
Pensumsreduktionen, Verschlechterung bei den Löhnen und den Sozialleistungen.
Aber auch der Unterricht sei mit zweistelligen Millionenbeträgen vom Abbau
betroffen. «Häufig sind Klassenvergrösserungen, Lektionenabbau und Streichung
von Freifächern und Extra-Stunden, die es dem Lehrer erlauben würden, sich
intensiver mit den Lernproblemen der einzelnen Schüler zu befassen», sagt
Peterhans. Aber auch mit Gebühren versuchten die Kantone zu sparen, etwa indem
die Eltern vermehrt zur Kasse gebeten würden.
Weniger Geld pro Schüler
Zuletzt hat der Kanton Zürich seine Sparpläne öffentlich gemacht.
Am Freitag gab die neue Bildungsdirektorin Silvia Steiner (cvp.) bekannt, dass
ihr Bereich jährlich 49 Millionen einsparen müsse. 20 Millionen davon betreffen
allein die Volksschule. «Ich wüsste nicht, wo wir das einsparen sollten», sagt
Lilo Lätzsch vom Zürcher Lehrerverband. Vor allem, da die Schülerzahlen stark
steigen. «Wie sollen wir mit mehr Schülern und weniger Geld die Bildungsziele
erreichen?», fragt Lätzsch. Ausserdem müsse Zürich, wie die meisten Kantone,
gleichzeitig den Lehrplan 21 einführen, was auch nicht kostenlos zu haben sei.
Christian Amsler (fdp.), Präsident der Deutschschweizer
Erziehungsdirektoren, spricht angesichts der Zahlen von einer «ganz neuen
Dimension» (Interview). Früher habe man die Bildung nur im Notfall angetastet.
Doch weil die Kosten in anderen Bereichen gestiegen seien, müsse nun auch die
Bildung ihren Teil zu den Einsparungen beitragen. Anders als Lätzsch sieht der
Schaffhauser Bildungsdirektor noch Spielraum für Einsparungen. «Es hat
unzählige Landgemeinden, die ganz kleine Klassen haben», sagt Amsler. Die
Zusammenlegung zwischen den Gemeinden müsse unbedingt geprüft werden.
Eine Methode, die man im Kanton Baselland bereits angewendet hat.
Trotzdem habe das am Spardruck nicht viel geändert, sagt Roger von Wartburg vom
Baselbieter Lehrerverband. «Es ist das dritte Sparpaket in zwölf Jahren, die
Bildung ist jedes Mal erheblich betroffen», sagt er.
Lieber auf die
Privatschule
Auch die Baselbieter haben neu eine bürgerliche
Bildungsdirektorin. Insgesamt 50 Millionen muss sie einsparen. «Es gibt
Verschlechterungen bei den Anstellungsbedingungen», räumt Monica Gschwind
(fdp.) ein. «Aber das betrifft nicht nur die Lehrer, sondern alle Kantonsangestellten.»
Sie wolle vermeiden, dass die Volksschule einseitig von den Einsparungen
betroffen sei. Deshalb prüfe man nun, den jährlichen Beitrag von 169 Millionen
Franken, den der Kanton an die Universität Basel bezahle und der 20 Prozent des
Budgets ausmache, zu reduzieren.
Bern baut derzeit 300 Vollzeitstellen auf allen Schulstufen ab.
«Das passiert schleichend, indem nicht nur Klassen geschlossen, sondern
einzelne Lektionen gestrichen werden», sagt Gewerkschaftsleiter Christoph
Michel vom Lehrerverband Bern. Heute seien Klassen von 26 und mehr Schülern
keine Seltenheit mehr. «So erstaunt es nicht, wenn Eltern sich bereits
überlegen, die Kinder auf eine Privatschule zu schicken», sagt Michel. Dem
widerspricht Bernhard Pulver (gp.), Bildungsdirektor des Kantons Bern. Die
Privatschul-Quote sei nicht angestiegen. Weitere Sparpakete seien auch nicht
vorgesehen. Und den Stellenabbau habe man durch Pensenschwankungen realisiert,
sagt Pulver: «Es ist nicht so, dass es in Bern arbeitslose Lehrer gibt.»
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