Auch in anderen Kantonen wird das Volk über den Lehrplan 21 abstimmen, Bild: Keystone
Die Lehrer befürchten, dass sie weniger wichtig werden als Lehrbücher, Aargauer Zeitung, 16.9. von Bastian Heiniger
Im Saal herrscht dicke Luft. An der Kantonsschule in Wettingen ist der
Lehrplan 21 auf einem Podium heftig diskutiert worden – obwohl es noch
eineinhalb Jahre dauert bis zur Volksabstimmung und der Kanton den neuen
Lehrplan erst in fünf Jahren einführen wird.
Auf dem von der CVP Aargau organisierten Podium trafen drei Befürworter
und eine Gegnerin aufeinander. Elfy Roca vom Initiativkomitee «Nein zum
Lehrplan 21» erhielt dabei Unterstützung aus dem 40-köpfigen Publikum, das sich
weitgehend aus merklich angespannten Lehrern zusammensetzte.
Doch warum sorgt die Schulreform überhaupt für Unmut? Wie
Bildungsdirektor Alex Hürzeler in seinem Einführungsreferat festhielt, handle
es sich bei dem 470-seitigen Papier um «einen Kompass zur Orientierung, nicht
um ein Gesetzbuch».
Zudem sei noch gar nicht entschieden, wie die aargauische Umsetzung des
Lehrplans 21 konkret aussehe. Denn, obwohl dieser die Deutschschweizer Schulen
harmonisieren soll, haben die Kantone einigen Spielraum: Sie entscheiden über
Lektionentafeln, Fremdsprachen, ergänzende Fächer und den Zeitpunkt der
Einführung.
Schulunterricht wird individuell
Doch nicht nur im Aargau erhält die Reform Gegenwind. «Bereits in 13
Kantonen versuchen Lehrer und Eltern, den neuen Lehrplan zu verhindern», sagte
Elfy Roca, die selber seit 35 Jahren unterrichtet. An dem Podium wird klar,
warum: Viele Lehrer stört, dass der Lehrplan 21 stärker auf selbstständiges
Lernen setzt.
Der Schulunterricht würde individueller. Lehrer verlieren dann an
Bedeutung, die Lehrmittel aber werden wichtiger. An dem Abend fiel somit wieder
und wieder ein Begriff: Konstruktivismus. Dieser geht davon aus, dass jeder
Mensch sein Wissen vorwiegend selber aufbauen muss. «Schwache Kinder bleiben
dann auf der Strecke», erklärte Roca im Gespräch nach dem Podium.
Ein Befürworter der Schulreform ist Kurt Wiedemeier, Rektor der Kanti
Wettingen. «Wenn sich eine Gesellschaft weiterentwickelt, muss von Zeit zu Zeit
auch der Lehrplan wechseln», sagte er. An der Kantonsschule unterrichteten die
Lehrer seit drei Jahren kompetenzorientiert. Kompetenzen, auch das ein häufig
genutzter Begriff in der Debatte.
Die Gegner versteigen sich dazu, dass Schüler gemäss Lehrplan 21 mehr
können und weniger wissen müssten. Für den Kanti-Rektor ist klar: «Kompetenzen
sind ein Zusammenspiel von Wissen, Können und Wollen.»
Kanton Aargau im Alleingang?
Doch was, wenn die Initiative gegen den neuen Lehrplan durchkommt?
«Macht der Aargau dann einen Alleingang?», wollte az-Autor Hans Fahrländer, der
Moderator, von Elfy Roca wissen. Nicht unbedingt. Sie hoffe, dass dann auch in
anderen Kantonen die Initiativen erfolgreich sein würden.
Alex Hürzeler entgegnete darauf: «Wir werden so oder so einen neuen
Lehrplan einführen in fünf Jahren.» Nur: Werde die Initiative angenommen,
«müssten wir halt viel Geld ausgeben für Anpassungen».
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