Streitpunkt Znünipause: Wie weit soll diese als Arbeitszeit angerechnet werden? Bild: Gaetan Bally
Plötzlich viel weniger Lohn, St. Galler Tagblatt, 23.9. von Elisabeth Reisp
Praktisch von einem Tag auf den anderen verdient sie 250 Franken
weniger. Und das nach 25 Jahren als Kindergärtnerin in der Stadt St. Gallen.
Sie hat noch Glück gehabt, ältere Kolleginnen müssen eine Lohneinbusse von bis
zu 700 Franken monatlich verschmerzen. Sie, das ist eine Kindergärtnerin, deren
Namen nicht in der Zeitung stehen darf. «Eine Order vom Lehrerverband», sagt
die Kindergärtnerin. «Damit nicht alles Geschirr zerschlagen wird.»
Pausen sollen bezahlt werden
Die Situation bei den Kindergärtnerinnen der Stadt ist angespannt. Sie
mussten vor den Sommerferien einen Vorvertrag für einen neuen Berufsauftrag
unterschreiben. Dieser hat zum Teil happige Lohneinbussen zur Folge. Nun setzt
sich der Lehrerverband der Stadt St. Gallen (VLSG) für sie ein. Der Verband hat
Stadtrat Markus Buschor eine Resolution geschickt mit zwei Forderungen: Den
Kindergärtnerinnen soll die effektive Arbeitszeit bezahlt werden. Gemeint ist
damit die 20minütige Znünipause am Morgen, die seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht
entlöhnt wird. Einzelne Schulhäuser haben indes Lösungen gefunden, diese
unbezahlte Arbeitszeit auszugleichen. Und hier knüpft der VLSG seine zweite
Forderung an: Alle Kindergärtnerinnen sollen innerhalb der Gemeinde gleich
behandelt werden.
Würde der Stadtrat diesen Forderungen nachkommen, könnte die
Lohneinbusse wenigstens zum Teil wettgemacht werden, sagt Olivia Rudin,
Präsidentin des VLSG.
Automatische Pensenreduktion
Bei den Kindergärtnerinnen brodelt es schon seit langem. Der neue
Berufsauftrag und die damit verbundenen Lohneinbussen haben die Suppe
überkochen lassen. Wer sie auslöffeln muss, ist unklar. «Schulamtsleitung und
Stadtrat blocken ab», sagt die betroffene Kindergärtnerin.
Mit dem neuen Berufsauftrag kann die Arbeitsleistung in Stunden abgerechnet
werden. Da im Kindergarten weniger Lektionen unterrichtet werden als in der
Primarschule, kann eine Kindergärtnerin gemäss Rudin gar nicht mehr 100 Prozent
unterrichten. Dies, weil ihre Arbeit in vier Felder unterteilt wird:
Unterricht, Schule, Schüler, Lehrperson. Der Unterricht mache den Hauptteil der
Arbeit aus, sagt Rudin. Die anderen drei Felder werden in Relation zur Zahl der
Lektionen abgerechnet. Würde wenigstens die Znünipause angerechnet, könnte das
Pensum wieder etwas aufgestockt werden, sagt Rudin. «Auf hundert Prozent kämen
die Kindergärtnerinnen zwar nicht, aber immerhin wieder auf ein höheres
Pensum.»
Die Pause sei keine Arbeitspause, sondern «eine Bewegungs- und
Verpflegungsphase für die Kinder», sagt Rudin. Denn die Kindergärtnerinnen
seien auch in dieser Unterrichtsphase für die Kinder verantwortlich. Gerade im
ersten Quartal ist diese sehr betreuungsintensiv. Nicht alle Kinder sind beim
Eintritt in den Kindergarten gleichermassen selbständig.
Schulamt verweist auf Gesetz
Bei der Stadt sei der Lehrerverband bis jetzt auf taube Ohren gestossen.
«Alle Bitten unserseits um Verhandlungen wurden vom Tisch gewischt», sagt
Rudin. Die Direktion für Schule und Sport weigere sich, am Zustand etwas zu
ändern.
Die Schulamtsleiterin Marlis Angehrn begründet die Haltung des Schulamts
mit der Gesetzgebung. Eine Entlastung für die Pausenaufsicht sei gemäss
Bildungsdepartement nicht im Sinne des Gesetzgebers. In der Handreichung zum
neuen Berufsauftrag sei empfohlen worden, einen überdurchschnittlichen Einsatz
der Kindergärtnerin während der Pausenaufsicht dem Arbeitsfeld Schule
anzurechnen.
Stadtrat für Besitzstandwahrung
Stadtrat Markus Buschor sieht ebenfalls keinen Grund, die Pausen
anzurechnen. «Vor Jahren hat man festgelegt, die Zeit, welche es braucht, die
Kinder zu empfangen und wieder zu entlassen, als Unterrichtszeit zu
honorieren.» Das heisse, für diese Zeit werde automatisch auch
Vorbereitungszeit angerechnet, die nicht nötig ist. Hingegen werden Pausen
nicht als Arbeitszeit verrechnet. Das sei damals der Deal gewesen.
Schuldirektor Buschor will aber keineswegs die Augen verschliessen vor jenen
Fällen, die der neue Berufsauftrag besonders hart getroffen hat. «Der Stadtrat
hat klar entschieden, den Besitzstand der Lehrpersonen zu wahren.» Wer also
eine einschneidende Lohneinbusse zu verschmerzen habe, könne einen Antrag zur
Überprüfung der Situation stellen. Bei einer Anerkennung als Härtefall solle
der Lohn wieder angepasst werden.
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