24. August 2015

Fernab jeglicher pädagogischer Professionalität

Christina Huber, Erziehungswissenschaftlerin und Dozentin an der PH Luzern, erklärt, weshalb Unterstufenlehrkräfte eine Hochschulausbildung brauchen.




Huber: Lehrer brauchen eine akademische Ausbildung. Bild: Politblog Tages Anzeiger

Brauchen Lehrer einen Hochschulabschluss? Politblog Tages Anzeiger, 24.8. von Christina Huber



Das «Geissenpeter-Syndrom», wie Andreas Pfister das Unbehagen gegenüber Akademikerinnen und Akademikern kürzlich betitelte, zeigt sich auch in der Debatte um die Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Insbesondere mit Blick auf die Ausbildung von Lehrpersonen für die Kindergarten- und Unterstufe wird eine «Verakademisierung» beklagt und argumentiert, dass diese Lehrer keine Hochschulausbildung bräuchten, um unterrichten zu können.

Natürlich braucht es kein Doktorat in Mathematik, um dieses Fach auf der Primarstufe zu unterrichten, aber vertiefte Kenntnis davon, wie Kinder lernen. Lehrer und Lehrerinnen müssen beispielsweise wissen, wie sich Kinder mathematische Grundfertigkeiten aneignen und welche spezifischen Entwicklungsschwierigkeiten dabei entstehen können. Dies setzt sowohl ein Grundverständnis der Mathematik als auch fachdidaktisches, lerntheoretisches und diagnostisches Wissen voraus.

In der Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen (PH) lernen angehende Lehrer, wie sie Lernprozesse anleiten und guten Unterricht durchführen. Dieses Wissen vertiefen sie in den einzelnen Praktika – der Umfang der praktischen Ausbildung an den heutigen PH ist grösser, als dies vor deren Gründung der Fall war.

Neben dem Unterrichten gehört es auch zum Lehrberuf, Kinder und Jugendliche auf ihrem Lern- und Lebensweg zu begleiten. Lehrpersonen arbeiten dabei Hand in Hand mit Eltern und weiteren Fachleuten. Darüber hinaus wird von ihnen mehr denn je – und durchaus zu Recht – gefordert, dass sie ihre Schule sowie ihren Unterricht laufend verbessern. Dies verlangt von den Lehrpersonen ein hohes Mass an Selbstreflexion sowie organisatorische und kommunikative Kompetenzen.

Die Professionskompetenzen des Lehrberufs und das dafür notwendige Wissen sind letztlich also nur bedingt schulstufenabhängig, sodass das Argument, gerade Lehrer auf den unteren Schulstufen bräuchten keine akademische Ausbildung, nicht verfängt. Ganz im Gegenteil kommt gerade ihnen eine besonders wichtige Rolle im Hinblick auf die spätere Schullaufbahn von Kindern zu. Überdies müssen Lehrpersonen auf den unteren Schulstufen eine wesentlich grössere Übersetzungsleistung erbringen, wenn sie (akademisches) Fachwissen in lern- und damit vermittelbares «Schulwissen» umformen wollen.

Die Behauptung also, dass der Lehrberuf keine grossen intellektuellen Anforderungen stelle und deshalb kein akademischer, sondern primär ein (Klassen-)Führungsberuf sei, in dem es vor allem darum gehe, Kindern Disziplin und Fachwissen beizubringen, ist fernab von jeglicher pädagogischer Professionalität und Praxis.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen