Seit der Pisa-Studie, die
erstmals 2000 durchgeführt wurde, galt Finnland wegen seiner glänzenden
Resultate als vorbildlich. Wie der Tagesanzeiger berichtete, beruht der Erfolg vonFinnlands Schulen aber nicht auf modernen Lernmethoden, sondern auf derautoritären Tradition, die bis zu den Reformen in den 90er-Jahren herrschte. In den Pisa-Tests von 2012 schnitten die finnischen
Schüler im Lesen nun das erste Mal schlechter ab. Die Ursache dafür sieht ein
Bildungsforscher der London School of Economics im moderneren und weniger
autoritär ausgerichteten Schulwesen Finnlands. Was das für den Kanton Zürich heisst, der sich
ebenfalls teilweise an den Skandinaviern orientiert, erklärt Volksschulamtschef
Martin Wendelspiess.
Wendelspiess: Integration von Lernschwachen mindert die Leistung der Mitschüler nicht. Bild: Dominique Meienberg
"Finnland hat uns in wesentlichen Punkten bestärkt", Tages Anzeiger, 9.7. von Salome Müller
Herr Wendelspiess, der Schein bei Finnland, das bis jetzt als
europäisches Vorbild in Sachen Bildung galt, trügt offensichtlich.
Zuallererst will ich vorausschicken, dass es jetzt plötzlich so klingt, als
habe Finnland versagt. Das ist überhaupt nicht so: Die finnischen Schülerinnen
und Schüler sind trotz der gesunkenen Resultate im Lesen nach wie vor sehr gut
und liegen mit 524 Punkten weit über dem Länder-Durchschnitt von 496 Punkten.
Trotzdem: Bildungsexperten und Bildungspolitiker aus ganz Europa sind
nach Finnland gereist, weil dieses Land ein modernes und gerechtes
Bildungssystem zu haben schien und gute Schüler hervorbrach.
Wenn es stimmt, dass in Finnland ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat, was ich nicht beurteilen kann, dann muss man sagen: Die Finnen waren sowohl im alten System gut, wie sie es auch im neuen noch sind.
Es ist – wie im Spitzensport – schwierig, das hohe Niveau zu halten oder gar zu steigern. Auch darum haben wir im Kanton Zürich den Fokus nach den Ergebnissen von 2009 auf die schwächsten 20 Prozent gelegt – obwohl die Schweiz bei Pisa sehr gut abgeschlossen hatte und in Mathematik eines der besten europäischen Länder war.
Wenn es stimmt, dass in Finnland ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat, was ich nicht beurteilen kann, dann muss man sagen: Die Finnen waren sowohl im alten System gut, wie sie es auch im neuen noch sind.
Es ist – wie im Spitzensport – schwierig, das hohe Niveau zu halten oder gar zu steigern. Auch darum haben wir im Kanton Zürich den Fokus nach den Ergebnissen von 2009 auf die schwächsten 20 Prozent gelegt – obwohl die Schweiz bei Pisa sehr gut abgeschlossen hatte und in Mathematik eines der besten europäischen Länder war.
Hat sich der Kanton Zürich auch an Finnland orientiert?
Von Finnland haben wir nichts direkt übernommen. Das Bildungssystem hat immer auch mit der Tradition und Kultur eines Landes zu tun und lässt sich nicht einfach so kopieren. Aber selbstverständlich haben wir Anregungen bekommen und das Bildungssystem angepasst, so hat die Schweiz Bildungsstandards definiert.
Von Finnland haben wir nichts direkt übernommen. Das Bildungssystem hat immer auch mit der Tradition und Kultur eines Landes zu tun und lässt sich nicht einfach so kopieren. Aber selbstverständlich haben wir Anregungen bekommen und das Bildungssystem angepasst, so hat die Schweiz Bildungsstandards definiert.
Was sind denn die Unterschiede?
Finnland ist viel homogener als die Schweiz: Bei uns liegt der durchschnittliche Anteil an Fremdsprachigen bei 20 bis 25 Prozent in den einzelnen Kantonen, in Finnland bei knapp vier Prozent. Schwierig wird es, wenn wie bei uns viele fremdsprachige Kinder oftmals aus einer bildungsfernen Familie stammen.
Auch haben wir eine frühere Selektion: Nach der Primarschule werden die Schweizer in verschiedenen Leistungsstufen, zum Beispiel Sek A, B oder C unterrichtet. In Finnland absolvieren die Schülerinnen und Schüler bis zur Matura den gleichen Weg. Darum haben sie dort eine Maturandenquote von 90 Prozent, weshalb die Selektion mit dem Numerus clausus erst an den Universitäten erfolgt.
Finnland ist viel homogener als die Schweiz: Bei uns liegt der durchschnittliche Anteil an Fremdsprachigen bei 20 bis 25 Prozent in den einzelnen Kantonen, in Finnland bei knapp vier Prozent. Schwierig wird es, wenn wie bei uns viele fremdsprachige Kinder oftmals aus einer bildungsfernen Familie stammen.
Auch haben wir eine frühere Selektion: Nach der Primarschule werden die Schweizer in verschiedenen Leistungsstufen, zum Beispiel Sek A, B oder C unterrichtet. In Finnland absolvieren die Schülerinnen und Schüler bis zur Matura den gleichen Weg. Darum haben sie dort eine Maturandenquote von 90 Prozent, weshalb die Selektion mit dem Numerus clausus erst an den Universitäten erfolgt.
Und Ähnlichkeiten gibt es nicht?
Doch, in Punkten, die hier lange umstritten waren, fühlten wir uns durch die Finnen bestärkt, weil diese bei ihnen funktioniert haben.
Doch, in Punkten, die hier lange umstritten waren, fühlten wir uns durch die Finnen bestärkt, weil diese bei ihnen funktioniert haben.
Welche Punkte sind das?
Zum Beispiel, dass die Integration von lernschwächeren und behinderten Kindern nicht die Leistung der Mitschüler mindert. Darum setzten wir stark darauf, was sich gemäss einer Studie der Universität Fribourg bewährte.
Auch führt die längere Lehrerausbildung, die bei uns nun an den Pädagogischen Hochschulen erfolgt, zu guten Ergebnissen. In Finnland wurden die Lehrer schon lange auf Hochschulniveau ausgebildet. Die hiesigen Befürchtungen, die Lehrer wären zu akademisch und hätten zu wenig Praxiserfahrung, liessen sich nicht erhärten.
Zum Beispiel, dass die Integration von lernschwächeren und behinderten Kindern nicht die Leistung der Mitschüler mindert. Darum setzten wir stark darauf, was sich gemäss einer Studie der Universität Fribourg bewährte.
Auch führt die längere Lehrerausbildung, die bei uns nun an den Pädagogischen Hochschulen erfolgt, zu guten Ergebnissen. In Finnland wurden die Lehrer schon lange auf Hochschulniveau ausgebildet. Die hiesigen Befürchtungen, die Lehrer wären zu akademisch und hätten zu wenig Praxiserfahrung, liessen sich nicht erhärten.
Was ist der Grund, dass die Schweizer bei Pisa so gut abschneiden?
Pisa zeigt, dass es verschiedene Wege gibt, die zum Erfolg führen: das zentralistische, aber auch das föderalistische System, das selektive, aber auch das nichtselektive. Der Schlüssel liegt darin, welchen Stellenwert die Bildung in einem Land geniesst: Bei uns ist dieser sehr hoch.
Die Gesellschaft und die Politik nehmen die Schule ernst, Sparvorlagen im Volksschulbereich haben einen schweren Stand. Und die 2012 lancierte Volksinitiative freie Schulwahl haben über 80 Prozent der Zürcher abgelehnt. Das zeigt, dass unser Schulsystem gut verankert ist. Und schliesslich verfügen wir über eine gut ausgebildete und hochmotivierte Lehrerschaft.
Pisa zeigt, dass es verschiedene Wege gibt, die zum Erfolg führen: das zentralistische, aber auch das föderalistische System, das selektive, aber auch das nichtselektive. Der Schlüssel liegt darin, welchen Stellenwert die Bildung in einem Land geniesst: Bei uns ist dieser sehr hoch.
Die Gesellschaft und die Politik nehmen die Schule ernst, Sparvorlagen im Volksschulbereich haben einen schweren Stand. Und die 2012 lancierte Volksinitiative freie Schulwahl haben über 80 Prozent der Zürcher abgelehnt. Das zeigt, dass unser Schulsystem gut verankert ist. Und schliesslich verfügen wir über eine gut ausgebildete und hochmotivierte Lehrerschaft.
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