Nach neun
turbulenten Jahren des Aufbaus, des Erfolgs und des Widerspruchs geht Professor
Hermann J. Forneck, Direktor der Pädagogischen Hochschule FHNW, versehen mit
dem Dank der Trägerkantone Baselland, Basel-Stadt, Aargau und Solothurn, auf
Ende des Frühlingssemesters altershalber in Pension. Wie hat er selber dieses
knappe Jahrzehnt erlebt?
Versteht sich auch als Praktiker: Forneck, Bild: Raphael Hünerfauth
PH-Direktor Forneck: "Vielleicht habe ich einige etwas überfordert", Aargauer Zeitung, 9.7. von Hans Fahrländer
Herr Forneck, Sie haben die Leitung der
Pädagogischen Hochschule FHNW wenige Monate nach deren Gründung im Jahr 2006
übernommen. Wie lautete der Auftrag, der Ihnen der Fachhochschulrat und die
vier Trägerkantone erteilt haben?
Hermann J.
Forneck: Es war ein mehrfacher Auftrag. Es galt, acht
Vorgängerinstitute aus vier Kantonen zu einer einzigen Hochschule zu vereinen
und 27 Studiengänge auf 7 zu reduzieren. In der neuen Hochschule stiessen acht
Administrationen, Kulturen und Strukturen aufeinander, es kam zu heftigen
Abgrenzungsprozessen zwischen diesen lokalen Kulturen. Zudem ging es darum, die
Lehrerbildung in der Nordwestschweiz konsequent zu tertiarisieren, das heisst
auf Hochschulniveau anzusiedeln. Auch dagegen gab es anfänglich grossen
Widerstand. Ein Kollege sagte zu mir, als ich das Amt 2006 antrat: «Das ist ein
Himmelfahrtskommando!»
Was denken Sie, warum hat der Fachhochschulrat
gerade Sie für dieses Himmelfahrtskommando ausersehen?
Ich war zuvor
einerseits während 14 Jahren in der Zürcher Lehrerbildung tätig, anderseits
habe ich in Deutschland eine akademische Karriere durchlaufen. Ich kannte also
beide Seiten der Lehrerbildung, die praktische und die theoretische. Das war es
wohl, was man suchte.
Während Ihrer gesamten Zeit als Direktor verfolgte
Sie der Ruf, Sie seien zu akademisch, zu theoretisch, Ihr Verständnis von
Lehrerbildung sei zu «hoch», zu wissenschaftlich. Ein ungerechtfertigter
Vorwurf?
Mir war
bewusst: Ich betrete vermintes Gelände. Man musste in diesem Prozess viele
Menschen erst gewinnen, überzeugen und Tabus brechen, was immer Ängste und
Widerstände provoziert. Aber der Auftrag galt von Anfang an nicht nur der Theorie,
sondern auch der Praxis. Wir haben den berufspraktischen Anteil über alle
Studiengänge gesehen erhöht. Ebenso wurden Fächer wie Handarbeit, textiles
Gestalten, Hauswirtschaft etc. aufgewertet. Wir haben im sogenannt
«nicht-wissenschaftlichen» Bereich vieles getan, was öffentlich nicht
wahrgenommen wurde. Mit unserem Partnerschulkonzept, das die praktische
Ausbildung der Studierenden an den Schulen des Verbreitungsgebietes ins Zentrum
stellt, haben wir Pionierleistungen vollbracht und auch internationale
Anerkennung geerntet.
Die Angriffe auf Ihre Amtsführung, vor allem
vonseiten des Verbandes der Dozierenden VDNW, haben Ihnen nach unserer
Beobachtung schon etwas zugesetzt.
Der VDNW
vertrat und vertritt nur einen kleinen Teil der Mitarbeitenden, erweckte aber
stets den Eindruck, im Namen der Mehrheit zu sprechen. Die meisten der
Widerstände erwuchsen aus dem schnellen Änderungsprozess. Es gab Leute, die
durch diesen Prozess ihre bevorzugte Stellung und Privilegien verloren.
Insgesamt bin ich überzeugt, dass sich die PH FHNW heute auf einem guten Weg
befindet. Es gibt dafür Indizien: Die Zahl der Studierenden hat sich in den
neun Jahren mehr als verdoppelt. Der fachliche Ruf der Hochschule ist sehr gut.
Und: Die vierkantonalen Strukturen sind eingerichtet.
Gibt es auch einen Punkt, in welchem die
VDNW-Kritik ins Schwarze traf? Immerhin hat der Fachhochschulrat nach der
öffentlichen Kritik eine Untersuchung veranlasst.
Ja. Die
administrative Belastung für viele Mitarbeitende hat das Mass des Zumutbaren
aufgrund der enorm vielen Aufgaben zeitweise überschritten. Ich bedaure das
sehr. Wir haben die notwendigen Korrekturen eingeleitet.
War es nicht möglich, zusätzliches Personal
anzustellen? Waren die Träger nicht bereit, mehr Budget für zusätzliche
Anstellungen zur Verfügung zu stellen?
Natürlich
müssen wir bei knappem Budget sehr gut haushalten. Aber die Hauptgründe sind in
der stetig wachsenden Zahl der Studierenden sowie in den angesprochenen
Veränderungsprozessen zu suchen. Der Wechsel von lokalen Strukturen hin zu
einer überlokalen Grossorganisation war und ist äusserst anspruchsvoll.
Kritik geerntet hat auch die Einführung des
Professuren-Modells.
Auch dies war
ein Kulturwechsel, etwas, was man bisher nicht kannte. Gearbeitet wird in
Teams, die eine hohe Eigenverantwortung und einen eigenen Gestaltungsraum
haben. Alle Teams sind sowohl in der Lehre wie auch in der Forschung und – ganz
wichtig – in der Praxis tätig. Das Modell ist ein Garant dafür, dass die Lehre
und die Praxis nicht zu kurz kommen.
Ihr Chef, FHNW-Direktionspräsident Crispino
Bergamaschi, nannte Sie in einem Interview einen «Vorreiter der neuen Lehrerbildung
in der Schweiz»; Sie hätten die PH in die Höchstklasse geführt. Und dann sagte
er noch: «Vielleicht wollte er alles ein bisschen zu perfekt machen.»
Ich kann nur
sagen: Es gibt für alles ein Zeitfenster. Das galt auch für diese Reform. Und
dieses Fenster war nur kurz offen. Es galt daher, ein hohes Tempo anzuschlagen.
Mit diesem Tempo habe ich vielleicht einige überfordert. Aber denken Sie an die
Entwicklungen in der Zentralschweiz; dort ist die mehrkantonale Pädagogische
Hochschule wieder auseinandergefallen.
Was ziehen Sie zusammenfassend für eine Bilanz über
Ihre Amtszeit?
Eine solche
Bilanz müssen eigentlich andere ziehen. Die schönste Anerkennung durften wir
durch die ständig steigenden Studierendenzahlen ernten. Und es gab grosse
Anerkennung aus der Fachwelt, gerade auch für unser Praxisschulmodell. Wir
haben kürzlich einen internationalen Kongress zu diesem Thema durchgeführt. Und
ich durfte hören, die PH FHNW sei zusammen mit wenigen Hochschulen in den USA,
in Kanada und in den Niederlanden in der Top-Gruppe der Lehrerbildungsinstitute
anzusiedeln.
Und wie hat sich die Bildungsdebatte in diesem
knappen Jahrzehnt entwickelt?
Ein Thema ist
immer mehr in den Vordergrund gerückt: Wir müssen es besser verstehen, mit der
zunehmenden Verschiedenartigkeit unserer Kinder und Jugendlichen umzugehen,
indem wir sie individuell fordern und fördern. Wir müssen einsehen: Für gute
Schülerinnen und Schüler tun wir viel. Doch wir müssten unsere Anstrengungen
zugunsten der leistungsschwächeren Jugendlichen deutlich steigern. Das würde
sich in jeder Beziehung auszahlen, auch volkswirtschaftlich.
Nun gehen Sie in Rente. Wie werden Sie sich nun
hauptsächlich betätigen?
Meine Tochter
hat seinerzeit im Kindergarten auf die Frage nach dem Beruf des Vaters
geantwortet: «Mein Papi ist Flicker …» Ich habe in der Tat eine andere,
total unakademische Seite: mit den Händen arbeiten, reparieren, umbauen. Zu
Hause wartet in dieser Hinsicht viel Arbeit auf mich. Und ich wandere sehr
gern, vor allem im Zürcher und im Berner Oberland. Auch das ist in den letzten
Jahren zu kurz gekommen. Ich freue mich darauf.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen