8. Juli 2015

"Lehrer sollen nicht über den Znüni bestimmen"

Schweizer Schulen bekämpfen fettiges und süsses Essen. Darüber regen sich manche Eltern auf.




Ein Mädchen isst seinen Znüni im Kindergarten, Bild: Georgios Kefalas


"Lehrer sollen nicht über den Znüni bestimmen", 20 Minuten, 3.7. von Annette Hirschberg


Lehrer in Grossbritannien konfiszierten kürzlich ein Minipic und ein Scotch Egg (Ei in Wurstbrät und das Ganze frittiert) aus Essensboxen von Schülern. Dies führte zu einem Aufschrei unter den Eltern, weil die Schule sich ihrer Meinung nach zu sehr in Privates einmische. Aber das Erziehungsministerium hat nun offiziell bestätigt, dass Lehrer berechtigt sind, die Boxen zu durchsuchen und ungesundes Essen wegzunehmen.
Auch in der Schweiz ist das Essen, das Kinder in die Schule mitbringen, ein wichtiges Thema. Es geht vor allem um den Znüni. Dieser solle möglichst wenig Fett und Zucker enthalten und vor allem aus Vollkorngetreide, Früchten oder Gemüse bestehen, sagt Sprecher Simon Thiriet vom Erziehungsdepartement Basel-Stadt.
Gesunde Ernährung als Ziel
Halten sich die Eltern nicht daran, wird interveniert. «Wenn Kinder regelmässig Essen mitbringen, das nicht den Empfehlungen entspricht, sprechen die Lehrpersonen dies zuerst bei den Eltern an», so Thiriet. Damit die Eltern verstehen würden, was sich die Schule vorstelle, werde im ersten Kindergarten auch eine Box mit einem Beispiel-Znüni abgegeben. Mit dabei sei ein Flyer voller Tipps, was gesund sei. Thiriet: «Ziel ist, dass sich alle Schulkinder vom Kindergarten bis zum Ende der Schulzeit gesund ernähren.»
Die Lehrpersonen dürfen laut Ralph Kreuzer, Sprecher des Stadtzürcher Schul- und Sportdepartements, die Eltern aber nicht zwingen, das passende Essen mitzugeben. «Die Znüni-Tipps an die Eltern sind nur Empfehlungen, keine Weisungen.» Und: Man nehme den Kindern kein Essen weg.
Die Madeleine kam wieder nach Hause
Die Idee sei aber schon, dass die Kinder nicht Mars, Chips oder Früchtequarks mitbringen würden. «Wenn es gar nicht klappt, werden die Eltern auch mal auf die Seite genommen oder der Znüni in einem Elterngespräch thematisiert», so Kreuzer. Die allermeisten Eltern würden das Konzept aber schnell begreifen und sich auch daran halten. «Schliesslich geht es um gesunde Zähne und die Verhinderung von Fettleibigkeit.»
Roger M.* und seine Partnerin haben die Situation mit ihrer Tochter im Kanton St. Gallen anders erlebt. Sie hätten der 5-Jährigen an einem Morgen eine Madeleine mit in den Kindergarten gegeben. M.: «Diese brachte sie unberührt wieder nach Hause.» Die Kindergartenlehrerin habe seiner Tochter verboten, die Madeleine zu essen, so M.
«Essen ist Sache der Eltern und nicht der Schule»
Ihn ärgert, dass sich die Lehrer so einmischen. «Es ist unsere Entscheidung, was unsere Tochter isst, und es ihr zu verbieten, geht gar nicht.» Die Fünfjährige sei spindeldürr und dürfe sehr wohl hin und wieder mal etwas Süsses essen. Ausserdem trifft es ihn, dass man Druck auf seine Tochter ausübt, statt das Gespräch mit ihm zu suchen. «Es gibt kein Znüni-Gesetz und auch kein Reglement, nur einen Flyer mit empfohlenen Speisen. Aber der Kindergarten duldet nichts, was nicht dieser Empfehlung entspricht.»
Auch Andrea Caroni, Vater und FDP-Nationalrat, kritisiert das Vorgehen der Schulen. «Was gesund ist und was nicht, ist eine Frage des Masses.» Ausserdem sei Essen Privatsache, solange das Wohl des Kindes nicht gefährdet sei. «Die Eltern sollen entscheiden, was das Kind isst. Es wird nicht zur Sache der Schule, nur weil sich das Kind in der Schule befindet.»


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