Es knarrt im Gebälk. Viele Eltern
sehen sich vom unsensiblen Umbau der Volksschule überrannt. Der «komische
neumodische» Unterricht bewegt die Gemüter, auch jene mancher Lehrer. Im
Gespräch begegnet mir viel Skepsis und Unmut, aber auch Angst. Andere schütteln
resigniert den Kopf: Sie verstehen den «Irrsinn» der neuen Schulwelt nicht.
Pädagogische Hochschule mit Profil - oder simpler Durchlauferhitzer, Bildungsblog Südostschweiz, 27.5. von Fritz Tschudi
Der Anspruch
auf Orientierung zur unerlässlichen Meinungsbildung ist gerade in Zeiten des
ideologischen Wandels, der Eingriffe durch gesellschaftspolitische und
ökonomistische Begehrlichkeiten in unser Schul- und Bildungswesen eine
demokratische Notwendigkeit. Gefragt sind Instanzen, welche in der Lage und
willens sind, wissenschaftliche und durch Erfahrungen
gesicherte Aussagen zu geplanten Reformen in die Öffentlichkeit zu
tragen. Die mediale Präsenz darf sich aber nicht – wie so oft – auf die stete
Wiederholung sattsam bekannter Behauptungen beschränken, wie das den
Teilnehmern von Lehrerweiterbildungen zugemutet wird. Die seriöse Orientierung
schliesst die gleichberechtigte Offenlegung kritischer Einwände ein. Gefochten
wird ausschliesslich mit belegbaren Argumenten.
Der Umbau
liefert eine ganze Reihe klärungsbedürftiger Themen. So etwa die Folgen der
Kompetenzorientierung künftiger Lehrpläne, der Stellenwert von aktuellen
pädagogischen Moden, die drohende Unterwerfung der Kinder und ihrer Lehrer
unter eine fragliche, konstruktivistische Unterrichtstheorie und die Aufklärung
der Eltern über den missverständlichen Begriff «individualisierter Unterricht».
Ausserdem Fragen zur neuen Rolle der Lehrperson und zur Wahrnehmung der Eltern
als «Störfaktor».
Die Pädagogische Hochschule Graubünden
(PHGR) ist die
einzige Instanz in unserem Kanton, die der Wissenschaft, der Forschung und der
Lehre verpflichtet wäre. Was liegt also näher, als sie zu
Informationsoffensiven für die Bevölkerung zu ermuntern?
Die
Strategie des Schweigens
Ein
Schlüsselelement zur Lenkung einer Gesellschaft ist gezieltes Schweigen.
Informationen zur Ausgestaltung des Lehrplans 21 blieben während der
mehrjährigen Ausarbeitung ausgewählten politischen und fachlichen Akteuren
vorbehalten. Die Orientierung der Öffentlichkeit war dagegen dürftig.
Erst im Juni
2013 wurde der Lehrplanentwurf frei zugänglich. Bald startete auch die
Durchsetzungsmaschine der Befürworter. Um in der Bevölkerung keine Emotionen zu
schüren, wurde der umfangreiche Lehrplanentwurf lakonisch als zwingend,
überfällig und alternativlos verkauft. Kein Wort über politische Hintergründe,
über den Abbau der Bildungsqualität in Deutschland und Österreich oder das
offizielle Eingeständnis des Scheiterns der Kompetenzorientierung in den USA.
Offenbar haben
die Verantwortlichen höllische Angst vor den «schlafenden Hunden», die geweckt
werden könnten. Selbst das auf bedingungslose Anpassung und widerstandslose
Lenkbarkeit ausgerichtete Menschbild des Lehrplans 21 ist leider kaum
öffentliches Thema.
Zwar liest man im «Bündner Schulblatt»
gelegentlich Fragmente offizieller bildungspolitisch genormter
«Stossrichtungen», etwa zum Lehrplan 21 oder zur Verbreitung fraglicher
Unterrichtskonzepte. Allerdings verzichten die Autoren offenkundig darauf, die
Texte selbst(kritisch) zu reflektieren, sich
(mit dem Publikum) auszutauschen, sich (auf kritische Einwände) einzulassen, (fundiert) zu argumentieren, zu erklären, (Widerspruch) zuzulassen…, so wie es die
Kompetenzumschreibungen in dem von der Pädagogischen Hochschule Graubünden
unterstützten Lehrplan 21 tausendfach wiederholen.
Der
publizierte Output der Pädagogischen Hochschule orientiert sich
(ausschliesslich) an den Erwartungen des gerade aktuellen bildungspolitischen
Mainstreams. Alternativen, für jeden Forscher eine zwingende Herausforderung,
schaffen es nicht ans Licht der Öffentlichkeit. Kritisches scheint wohl im
Giftschrank besser aufgehoben.
Warum baut die
Pädagogische Hochschule ihre Informationskultur auf die Errichtung von
Barrikaden? Warum schweigt sie auf unangenehme Fragen? Warum ist sie auf die
Verbreitung immer gleicher Worthülsen abonniert? Warum nimmt sie Aussenstehende
nicht ernst? Warum ist sie bestrebt, sich von einer fachfremden Aussenwelt
abzuschotten, indem sie den Erwartungen der «gewöhnlichen» Bürgerinnen und
Bürger den Rücken kehrt? Warum trachtet sie danach zu verordnen
(Lehrerausbildung), statt überzeugend zu argumentieren?
So erhärtet
sich der Verdacht, die Pädagogische Hochschule wolle bildungspolitische
Zielvorstellungen mittels wiederholter Behauptungen und unter prophylaktischer
Ausgrenzung möglicher Gegner durchsetzen. Die Taktik des steten Tropfens, der
den Stein höhlt, ist allerdings bewährt. Ein tabuisiertes Faktum darf hier
nicht verschwiegen werden: Es sind die Lohnabhängigen im Schulwesen, welche es
sich kaum leisten können, offenen Widerspruch anzumelden, Einwände abzusetzen
oder nach überzeugenden Argumenten zu verlangen. Widerstand könnte die
berufliche Existenz gefährden.
Die
Ausrichtung der Pädagogischen Hochschule überdenken
Nicht erst
seit der berühmten Metastudie des Bildungsforscher J. Hattie wissen wir mit
Sicherheit: Die Lehrerin oder der Lehrer entscheidet über die Qualität des
Unterrichts. Sie/er ist der wichtigste Faktor für den Schulerfolg der Kinder.
Die Lehrerqualität ist weitaus bedeutsamer als jedes hochgejubelte Brimborium
modischer Provenienz. Leider sind es ausgerechnet die bewährten
Qualitätselemente, die heute in der Lehrerausbildung relativiert, abgebaut oder
gezielt ausgemustert werden.
Immer häufiger
sind Klagen über mangelnde
Qualität der Lehrerbildung zu
hören. Hierzu empfehle ich die Lektüre der auf «SPON» kürzlich erschienen
Schilderungen der angehenden Pädagogin Larissa
Sarand (26),
welche an einer Berliner Uni die Ausbildung zur Gymnasiallehrerin absolviert: «Bekenntnisse einer
Lehramtsstudentin – Wir lernen: nichts».
Natürlich ist
die dortige «Dysfunktionalität» nicht 1:1 auf Schweizer «Settings»
«herunterzubrechen», weil die «Passung» der beiden Systeme nicht
«korrespondiert». (pädagogische Modesprache, ironisch «angedacht»).
Nun, die
Pädagogische Hochschule Graubünden hat sich bislang kaum als eigenständige
Fachinstanz erwiesen. Die Verkaufsstelle für professionelle Nutzer ohne
Rückgaberecht, fremdbestimmt, der Freiheit von Forschung und Lehre entfremdet,
irrlichtert wohl weiter – als monoton summender Durchlauferhitzer.
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