3. Juni 2015

Pädagogische Hochschule mit Profil - oder simpler Durchlauferhitzer?

Es knarrt im Gebälk. Viele Eltern sehen sich vom unsensiblen Umbau der Volksschule überrannt. Der «komische neumodische» Unterricht bewegt die Gemüter, auch jene mancher Lehrer. Im Gespräch begegnet mir viel Skepsis und Unmut, aber auch Angst. Andere schütteln resigniert den Kopf: Sie verstehen den «Irrsinn» der neuen Schulwelt nicht.
Pädagogische Hochschule mit Profil - oder simpler Durchlauferhitzer, Bildungsblog Südostschweiz, 27.5. von Fritz Tschudi


Der Anspruch auf Orientierung zur unerlässlichen Meinungsbildung ist gerade in Zeiten des ideologischen Wandels, der Eingriffe durch gesellschaftspolitische und ökonomistische Begehrlichkeiten in unser Schul- und Bildungswesen eine demokratische Notwendigkeit. Gefragt sind Instanzen, welche in der Lage und willens sind, wissenschaftliche und durch Erfahrungen gesicherte Aussagen zu geplanten Reformen in die Öffentlichkeit zu tragen. Die mediale Präsenz darf sich aber nicht – wie so oft – auf die stete Wiederholung sattsam bekannter Behauptungen beschränken, wie das den Teilnehmern von Lehrerweiterbildungen zugemutet wird. Die seriöse Orientierung schliesst die gleichberechtigte Offenlegung kritischer Einwände ein. Gefochten wird ausschliesslich mit belegbaren Argumenten.
Der Umbau liefert eine ganze Reihe klärungsbedürftiger Themen. So etwa die Folgen der Kompetenzorientierung künftiger Lehrpläne, der Stellenwert von aktuellen pädagogischen Moden, die drohende Unterwerfung der Kinder und ihrer Lehrer unter eine fragliche, konstruktivistische Unterrichtstheorie und die Aufklärung der Eltern über den missverständlichen Begriff «individualisierter Unterricht». Ausserdem Fragen zur neuen Rolle der Lehrperson und zur Wahrnehmung der Eltern als «Störfaktor».
Die Pädagogische Hochschule Graubünden (PHGR) ist die einzige Instanz in unserem Kanton, die der Wissenschaft, der Forschung und der Lehre verpflichtet wäre. Was liegt also näher, als sie zu Informationsoffensiven für die Bevölkerung zu ermuntern?

Die Strategie des Schweigens
Ein Schlüsselelement zur Lenkung einer Gesellschaft ist gezieltes Schweigen.  Informationen zur Ausgestaltung des Lehrplans 21 blieben während der mehrjährigen Ausarbeitung ausgewählten politischen und fachlichen Akteuren vorbehalten. Die Orientierung der Öffentlichkeit war dagegen dürftig.
Erst im Juni 2013 wurde der Lehrplanentwurf frei zugänglich. Bald startete auch die Durchsetzungsmaschine der Befürworter. Um in der Bevölkerung keine Emotionen zu schüren, wurde der umfangreiche Lehrplanentwurf lakonisch als zwingend, überfällig und alternativlos verkauft. Kein Wort über politische Hintergründe, über den Abbau der Bildungsqualität in Deutschland und Österreich oder das offizielle Eingeständnis des Scheiterns der Kompetenzorientierung in den USA.
Offenbar haben die Verantwortlichen höllische Angst vor den «schlafenden Hunden», die geweckt werden könnten. Selbst das auf bedingungslose Anpassung und widerstandslose Lenkbarkeit ausgerichtete Menschbild des Lehrplans 21 ist leider kaum öffentliches Thema.

Zwar liest man im «Bündner Schulblatt» gelegentlich Fragmente offizieller bildungspolitisch genormter «Stossrichtungen», etwa zum Lehrplan 21 oder zur Verbreitung fraglicher Unterrichtskonzepte. Allerdings verzichten die Autoren offenkundig darauf, die Texte selbst(kritisch) zu reflektieren, sich (mit dem Publikum) auszutauschen, sich (auf kritische Einwände) einzulassen, (fundiert) zu argumentieren, zu erklären, (Widerspruch) zuzulassen, so wie es die Kompetenzumschreibungen in dem von der Pädagogischen Hochschule Graubünden unterstützten Lehrplan 21 tausendfach wiederholen.
Der publizierte Output der Pädagogischen Hochschule orientiert sich (ausschliesslich) an den Erwartungen des gerade aktuellen bildungspolitischen Mainstreams. Alternativen, für jeden Forscher eine zwingende Herausforderung, schaffen es nicht ans Licht der Öffentlichkeit. Kritisches scheint wohl im Giftschrank besser aufgehoben.
Warum baut die Pädagogische Hochschule ihre Informationskultur auf die Errichtung von Barrikaden? Warum schweigt sie auf unangenehme Fragen? Warum ist sie auf die Verbreitung immer gleicher Worthülsen abonniert? Warum nimmt sie Aussenstehende nicht ernst? Warum ist sie bestrebt, sich von einer fachfremden Aussenwelt abzuschotten, indem sie den Erwartungen der «gewöhnlichen» Bürgerinnen und Bürger den Rücken kehrt? Warum trachtet sie danach zu verordnen (Lehrerausbildung), statt überzeugend zu argumentieren?
So erhärtet sich der Verdacht, die Pädagogische Hochschule wolle bildungspolitische Zielvorstellungen mittels wiederholter Behauptungen und unter prophylaktischer Ausgrenzung möglicher Gegner durchsetzen. Die Taktik des steten Tropfens, der den Stein höhlt, ist allerdings bewährt. Ein tabuisiertes Faktum darf hier nicht verschwiegen werden: Es sind die Lohnabhängigen im Schulwesen, welche es sich kaum leisten können, offenen Widerspruch anzumelden, Einwände abzusetzen oder nach überzeugenden Argumenten zu verlangen. Widerstand könnte die berufliche Existenz gefährden.

Die Ausrichtung der Pädagogischen Hochschule überdenken
Nicht erst seit der berühmten Metastudie des Bildungsforscher J. Hattie wissen wir mit Sicherheit: Die Lehrerin oder der Lehrer entscheidet über die Qualität des Unterrichts. Sie/er ist der wichtigste Faktor für den Schulerfolg der Kinder. Die Lehrerqualität ist weitaus bedeutsamer als jedes hochgejubelte Brimborium modischer Provenienz. Leider sind es ausgerechnet die bewährten Qualitätselemente, die heute in der Lehrerausbildung relativiert, abgebaut oder gezielt ausgemustert werden.
Immer häufiger sind Klagen über mangelnde Qualität der Lehrerbildung zu hören. Hierzu empfehle ich die Lektüre der auf «SPON» kürzlich erschienen Schilderungen der angehenden Pädagogin Larissa Sarand (26), welche an einer Berliner Uni die Ausbildung zur Gymnasiallehrerin absolviert: «Bekenntnisse einer Lehramtsstudentin – Wir lernen: nichts».
Natürlich ist die dortige «Dysfunktionalität» nicht 1:1 auf Schweizer «Settings» «herunterzubrechen», weil die «Passung» der beiden Systeme nicht «korrespondiert». (pädagogische Modesprache, ironisch «angedacht»).

Nun, die Pädagogische Hochschule Graubünden hat sich bislang kaum als eigenständige Fachinstanz erwiesen. Die Verkaufsstelle für professionelle Nutzer ohne Rückgaberecht, fremdbestimmt, der Freiheit von Forschung und Lehre entfremdet, irrlichtert wohl weiter – als monoton summender Durchlauferhitzer.

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