"Machos" vernachlässigen das Lesen und Schreiben, Bild: Martin Ruetschi
Junge Macker sind miese Schüler, 20 Minuten, 23.6. von B. Zanni
In der Schule fallen Buben gegenüber Mädchen immer weiter zurück. Gemäss
einer aktuellen Studie der Universität Luxemburg und der Fachhochschule
Nordwestschweiz sind daran auch Rollenklischees schuld: So erzielen Schüler,
die die Frau am Herd und den Mann als Ernährer sehen, markant schlechtere
Schulnoten als jene, die sich nicht an einem traditionellen Rollenbild
orientieren. Untersucht haben die Forscher die Leistungen von rund 900 Berner
Schülern der achten Klasse aus der Real- und Sekundarschule sowie dem
Gymnasium.
Machos verweigern sich dem Lesen und Schreiben
Ein Grund für das schlechtere Abschneiden der Macho-Jungs liegt laut den
Studienautoren darin, dass diese wegen ihres draufgängerischen Verhaltens eher
aus der Reihe tanzen würden, was sich negativ auf den schulischen Erfolg
auswirke.
Hinzu kommt, dass sich die Macho-Schüler auch gewissen Fächern aus
Prinzip verweigern, wie die beteiligten Wissenschaftlerin Elisabeth Grünewald
von der Pädagogischen Hochschule Bern sagt: «Die Buben vernachlässigen das
Lesen und Schreiben, weil sie diese Fähigkeiten als unmännlich wahrnehmen.»
Doch damit legten sie sich selbst ein Ei. «Die sprachlichen Kompetenzen sind
die Grundlage für den Erfolg in allen anderen Fächern», sagt Grünewald. Ohne
gute Lese- und Schreibkenntnisse kämen die Buben auch in den
mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern schnell an ihre Grenzen.
«Ein Gerangel ist nicht sofort ein Problem»
Die Männerorganisationen sehen das Resultat als Folge der
gesellschaftlichen Entwicklung. «Der Arbeitsmarkt verlangt immer mehr
Kompetenzen, die traditionell als weiblich gelten», sagt Markus Theunert,
Präsident des Dachverbandes. Buben, die sich am Männerbild von gestern
orientierten, liefen deshalb Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Das
Schulversagen könne darum zumindest teilweise Ausdruck von Rebellion und
Zukunftsangst sein. «Wenn Buben das Gefühl haben, mit den Mädchen nicht mehr
mithalten zu können, reagieren sie mit Verweigerung», sagt Theunert.
Erschwerend komme hinzu, dass an den Primarschulen zu über 80 Prozent
weibliche Lehrkräfte tätig sind. «Dies macht es schwierig, den Jungen
realistische und vielschichtige Männerbilder zu vermitteln.» Damit die Knaben
in der Schule wieder mithalten können, fordert Theunert mehr männliche
Lehrpersonen und mehr Verständnis der Lehrer. «Wenn die Jungen lebendig und
laut sind oder miteinander rangeln, darf das nicht grundsätzlich sofort als
Problem angesehen werden.»
«Buben sind häufig kindlicher»
Dagegen bezweifeln die Lehrer, dass traditionelle Rollenbilder einen
Einfluss auf den schulischen Erfolg der Knaben haben. «Die Buben halten
schlechter mit, weil sie einfach häufig kindlicher und auch kindischer sind als
die Mädchen», sagt Lilo Lätzsch, Sekundarlehrerin und Präsidentin des Zürcher
Lehrerverbands.
Ausserdem falle ihr auf, dass die Schüler weniger strebsam seien als
ihre weiblichen Kolleginnen – und sich gerne zurücklehnten. Spätestens dann
kommt der Macho ins Spiel: «In der Sek sind die Buben ziemlich raffiniert. Sie
wissen, dass sie die Mädchen gut einspannen können, um für sie etwas zu
erledigen», sagt Lätzsch.
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