Es geht nicht nur um die Ansprüche, die Kritik am neuen Lehrplan ist vielfältig, Bild: Keystone
In jedem zweiten Kanton wollen Kritiker den Lehrplan bodigen, Tages Anzeiger, 3.5. von Anja Burri
Es ist das aufwendigste Bildungsprojekt der Schweiz. Fast acht Jahre lang haben rund 200 Fachleute am Lehrplan 21 gearbeitet. Endlich sollen alle Schulkinder der Deutschschweiz nach den gleichen Lernzielen unterrichtet werden. Seit ein paar Wochen liegt die druckfertige Version des 470-seitigen Werks vor; viele Kantone haben mit der Umsetzung und Anpassung an ihre Bedürfnisse begonnen. Die öffentliche Debatte scheint zu Ende. Doch tatsächlich hat die Auseinandersetzung um den Lehrplan 21 noch gar nicht richtig angefangen.
Recherchen zeigen: In
der Hälfte aller Deutschschweizer Kantone wollen die Gegner die Einführung
verhindern. Sie haben sich in mindestens zehn Kantonen zusammengeschlossen.
Unter ihnen sind Politiker, aber auch parteilose Lehrer und Eltern. Ihre Kritik
am Lehrplan ist vielfältig. Manche stören sich am Umfang oder an einzelnen
Kapiteln wie etwa den Lernzielen zur Nachhaltigkeit. Andere kritisieren die aus
ihrer Sicht zu hohen Ansprüche oder die Sammelfächer wie «Räume, Zeiten,
Gesellschaften».
Vorstösse und
Initiativen
Kürzlich trafen sich
Lehrplankritiker aus der Deutschschweiz in Zürich. Eingeladen hatte
SVP-Politiker Ulrich Schlüer. Es sei ein Bedürfnis der Lehrplangegner, sich
auszutauschen, sagt der Präsident der SVP-Bildungskommission. Nun gehe es
darum, zu schauen, ob man sich gegenseitig unterstützen könne.
Am weitesten sind die
Lehrplankritiker im Aargau und in Schwyz. Dort wird das Stimmvolk entscheiden –
entsprechende Volksinitiativen sind zustande gekommen. In St. Gallen und Baselland
wird auch abgestimmt, allerdings geht es dort zuerst um einen Austritt aus dem
Schulharmonisierungskonkordat Harmos. In beiden Kantonen ist es das Ziel der
Initianten, den Lehrplan 21 zu verhindern. In Solothurn sammelt ein Komitee
Unterschriften; in Zürich und in Graubünden wurden Anti-Lehrplan-Initiativen
zur Vorprüfung eingereicht. In Schaffhausen und Luzern wollen
Kantonsparlamentarier mit Vorstössen erreichen, dass die Kantonsparlamente über
die Einführung entscheiden können.
Schule, wohin?
«Gelingt uns dies nicht,
lancieren wir eine Volksinitiative», sagt der Schaffhauser SVP-Kantonsrat
Mariano Fioretti. Im Kanton Thurgau lädt die Interessengruppe «für eine gute
Thurgauer Volksschule» Mitte Mai zu einer Medienkonferenz. Gut informierte
Quellen rechnen auch dort mit einer Initiative. Unter dem Namen «Gute Schule
Zug» bildet sich in einem weiteren Kanton ein überparteiliches Komitee.
Der Lehrplan 21 ist nicht die einzige
Herausforderung der Volksschule. Auch der Fremdsprachenunterricht oder die
Integration von Sonderschülern werden kontrovers diskutiert. Der Spardruck
verschärft in vielen Kantonen die Debatten.
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