21. Mai 2015

Mit Vollzeitstellen Männer anlocken

Die Stadt Bern fördert Teilzeitarbeit und Jobsharing. Der Schulleiter des Bitzius-Schulhauses macht das Gegenteil und schreibt Vollzeitstellen aus. Damit will er mehr Männer ins Schulzimmer holen.




Ganze vier Männer arbeiten im Bitzius-Schulhaus, Bild: Valérie Chételat


Berner Schule will mit Vollzeitstellen Männer anlocken, Bund, 21.5. von Naomi Jones


Im Schulstandort Bitzius in der Stadt Bern sind Jobsharer nicht mehr erwünscht. Zwar arbeiten dort von 42 Lehrkräften nur gerade 10 mit einem Vollzeitpensum. Doch wenn Schulleiter Urs Schenk eine Stelle neu besetzen kann, schreibt er nach Möglichkeit ein Vollzeitpensum aus. Wollen Lehrerinnen nach dem Mutterschaftsurlaub reduziert weiterarbeiten, müssen sie unter Umständen längere Zeit warten, bis ein kleines Pensum frei wird. Die Personalpolitik des Schulleiters gibt zu reden. Aus Elternkreisen ist zu vernehmen, dass Schenk keine Stellenteilungen bewillige und Bewerbungen im Jobsharing ablehne.
Die Haltung des Bitzius-Schulleiters irritiert die Eltern umso mehr, als die Stadt Bern als moderne Arbeitgeberin explizit mit Teilzeitstellen und Jobsharing die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern will. Da die Schulen von den Gemeinden organisiert sind, ist die Schule Bitzius ein städtischer Arbeitgeber. Die Personalpolitik von Schulleiter Schenk widerspricht demnach den Gleichstellungszielen des städtischen Personalamtes. 
Kompetenz der Schulleitung
Ist dies erlaubt? «Ja», sagt Roland Amstutz, Rechtsberater beim Bernischen Lehrerverband (Lebe). Rechtlich sei das Vorgehen möglich. Die Schulleitung erhalte von den Gemeinden die Kompetenz, die Lehrkräfte an ihrer Schule anzustellen. In der Stadt Bern ist dies im Schulreglement geregelt. «Doch es bedeutet, dass Eltern, in der Regel Mütter, mit kleinen Kindern unter Umständen nicht arbeiten können», sagt der Fürsprecher.
Aus pädagogischer Sicht unterstützt Lebe den Trend zu weniger Fachlehrkräften pro Klasse und hat Verständnis für Schenks Personalpolitik. «Weniger Bezugspersonen sind besser als viele und erleichtern das Lernen», sagt Franziska Schwab, Leiterin Pädagogik der Lebe. Doch eine Stellenteilung von zwei Lehrkräften, die gut und engagiert zusammenarbeiten, sei ein pädagogischer Gewinn für die Schüler.
Vollzeit spricht Männer an
Weshalb also fördert Urs Schenk im Gegensatz zum Personalamt der Stadt Bern Vollzeitstellen? «Ich will damit gezielt Männer ansprechen», sagt er gegenüber dem «Bund». An seinem Schulstandort sind von 42 Lehrkräften gerade mal vier Männer. Mit den Vollzeitstellen wolle er dem Beruf wieder zu einem höheren gesellschaftlichen Stellenwert verhelfen. Denn wer von einem Lehrerlohn leben wolle, müsse Vollzeit arbeiten, sagt Schenk. Deshalb würden sich auf ausgeschriebene Teilzeitstellen fast keine Männer melden.
Damit reagiert der Schulleiter auf ein anderes gleichstellungspolitisches Anliegen – nämlich eine Schule, in der sowohl Männer wie Frauen auf allen Stufen unterrichten. Auf der Primarstufe betrage der Männeranteil gerade noch 17,7 Prozent, sagt Markus Theunert vom Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen. In den 1990er-Jahren sei der Frauenanteil bei den Lehrkräften zum ersten Mal höher als der Männeranteil gewesen. Mit der Folge, dass die männlichen Vorbilder in der Schulstube schwanden.
Buben brauchen Vorbilder
«Wenn Buben keine männlichen Vorbilder haben, schwindet die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst dereinst Lehrer werden», sagt Theunert. Den Versuch, Männer in die Klassenzimmer zu holen, begrüsst er. Dass man Vollzeitstellen ausschreiben müsse, um Männer anzusprechen, obwohl die Stadt Teilzeit fördert, sei ein klassischer gleichstellungspolitischer Zielkonflikt. Tatsächlich würden Männer eher Vollzeit- oder hochprozentige Teilzeitstellen bevorzugen, sagt Theunert. Wenn sich Männer eher mit Vollzeitstellen in die Schule holen liessen, sei das ein Weg. Doch gleichzeitig sollten nicht Hürden in den Weg gelegt werden, wenn Eltern Teilzeit arbeiten möchten. «Wir propagieren Rahmenbedingungen, die Männern und Frauen eine Wahl ermöglichen.»
Aus der Personalpolitik einer einzigen Schule einen Trend abzuleiten, wäre jedoch übertrieben: «In der Schule überwiegen Teilzeitanstellungen», sagt Irene Hänsenberger, Leiterin des Stadtberner Schulamtes. Zu reden gebe eher die Tendenz zu Minipensen und vielen Lehrkräften an den Klassen als das Fördern von Vollzeitstellen. Vor allem Minipensen von wenigen Lektionen würden das Unterrichten erschweren. Die Amtsleiterin bestätigt aber, dass der Männeranteil an den Schulen sehr tief sei.
Eine Strategie ist nötig
Die oberste Verantwortliche für Berner Schulen ist Franziska Teuscher (GB), Direktorin für Bildung, Soziales und Sport. Sie ist eine vehemente Verfechterin von Jobsharing. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei für sie eine wichtige politische Forderung. «Wo ich es beeinflussen kann, fördere ich Teilzeitstellen», sagt sie.
Doch tatsächlich gebe es im Lehrerberuf so viele Frauen, dass mehr Männer wünschenswert wären. Teuscher fände es aber besser, wenn Männer in der Stellenausschreibung ermuntert würden, sich zu bewerben, als auf Vollzeitstellen zu setzen. «Die Schulleitungen sollten sich zusammen mit den Schulkommissionen eine Strategie überlegen, wie sie Männer ins Klassenzimmer holen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern können.» (Der Bund)


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