Ganze vier Männer arbeiten im Bitzius-Schulhaus, Bild: Valérie Chételat
Berner Schule will mit Vollzeitstellen Männer anlocken, Bund, 21.5. von Naomi Jones
Im Schulstandort Bitzius in der Stadt Bern sind
Jobsharer nicht mehr erwünscht. Zwar arbeiten dort von 42 Lehrkräften nur
gerade 10 mit einem Vollzeitpensum. Doch wenn Schulleiter Urs Schenk eine
Stelle neu besetzen kann, schreibt er nach Möglichkeit ein Vollzeitpensum aus.
Wollen Lehrerinnen nach dem Mutterschaftsurlaub reduziert weiterarbeiten,
müssen sie unter Umständen längere Zeit warten, bis ein kleines Pensum frei
wird. Die Personalpolitik des Schulleiters gibt zu reden. Aus Elternkreisen ist
zu vernehmen, dass Schenk keine Stellenteilungen bewillige und Bewerbungen im
Jobsharing ablehne.
Die Haltung des Bitzius-Schulleiters irritiert die
Eltern umso mehr, als die Stadt Bern als moderne Arbeitgeberin explizit mit
Teilzeitstellen und Jobsharing die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern
will. Da die Schulen von den Gemeinden organisiert sind, ist die Schule Bitzius
ein städtischer Arbeitgeber. Die Personalpolitik von Schulleiter Schenk
widerspricht demnach den Gleichstellungszielen des städtischen Personalamtes.
Kompetenz der Schulleitung
Ist dies erlaubt? «Ja», sagt Roland Amstutz,
Rechtsberater beim Bernischen Lehrerverband (Lebe). Rechtlich sei das Vorgehen
möglich. Die Schulleitung erhalte von den Gemeinden die Kompetenz, die
Lehrkräfte an ihrer Schule anzustellen. In der Stadt Bern ist dies im
Schulreglement geregelt. «Doch es bedeutet, dass Eltern, in der Regel Mütter,
mit kleinen Kindern unter Umständen nicht arbeiten können», sagt der
Fürsprecher.
Aus pädagogischer Sicht unterstützt Lebe den Trend
zu weniger Fachlehrkräften pro Klasse und hat Verständnis für Schenks
Personalpolitik. «Weniger Bezugspersonen sind besser als viele und erleichtern
das Lernen», sagt Franziska Schwab, Leiterin Pädagogik der Lebe. Doch eine
Stellenteilung von zwei Lehrkräften, die gut und engagiert zusammenarbeiten,
sei ein pädagogischer Gewinn für die Schüler.
Vollzeit spricht Männer an
Weshalb also fördert Urs Schenk im Gegensatz zum
Personalamt der Stadt Bern Vollzeitstellen? «Ich will damit gezielt Männer
ansprechen», sagt er gegenüber dem «Bund». An seinem Schulstandort sind von 42
Lehrkräften gerade mal vier Männer. Mit den Vollzeitstellen wolle er dem Beruf
wieder zu einem höheren gesellschaftlichen Stellenwert verhelfen. Denn wer von
einem Lehrerlohn leben wolle, müsse Vollzeit arbeiten, sagt Schenk. Deshalb
würden sich auf ausgeschriebene Teilzeitstellen fast keine Männer melden.
Damit reagiert der Schulleiter auf ein anderes
gleichstellungspolitisches Anliegen – nämlich eine Schule, in der sowohl Männer
wie Frauen auf allen Stufen unterrichten. Auf der Primarstufe betrage der
Männeranteil gerade noch 17,7 Prozent, sagt Markus Theunert vom Dachverband der
Schweizer Männer- und Väterorganisationen. In den 1990er-Jahren sei der
Frauenanteil bei den Lehrkräften zum ersten Mal höher als der Männeranteil gewesen.
Mit der Folge, dass die männlichen Vorbilder in der Schulstube schwanden.
Buben brauchen Vorbilder
«Wenn Buben keine männlichen Vorbilder haben,
schwindet die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst dereinst Lehrer werden», sagt
Theunert. Den Versuch, Männer in die Klassenzimmer zu holen, begrüsst er. Dass
man Vollzeitstellen ausschreiben müsse, um Männer anzusprechen, obwohl die
Stadt Teilzeit fördert, sei ein klassischer gleichstellungspolitischer
Zielkonflikt. Tatsächlich würden Männer eher Vollzeit- oder hochprozentige
Teilzeitstellen bevorzugen, sagt Theunert. Wenn sich Männer eher mit
Vollzeitstellen in die Schule holen liessen, sei das ein Weg. Doch gleichzeitig
sollten nicht Hürden in den Weg gelegt werden, wenn Eltern Teilzeit arbeiten
möchten. «Wir propagieren Rahmenbedingungen, die Männern und Frauen eine Wahl
ermöglichen.»
Aus der Personalpolitik einer einzigen Schule einen
Trend abzuleiten, wäre jedoch übertrieben: «In der Schule überwiegen
Teilzeitanstellungen», sagt Irene Hänsenberger, Leiterin des Stadtberner
Schulamtes. Zu reden gebe eher die Tendenz zu Minipensen und vielen Lehrkräften
an den Klassen als das Fördern von Vollzeitstellen. Vor allem Minipensen von
wenigen Lektionen würden das Unterrichten erschweren. Die Amtsleiterin bestätigt
aber, dass der Männeranteil an den Schulen sehr tief sei.
Eine Strategie ist nötig
Die oberste Verantwortliche für Berner Schulen ist
Franziska Teuscher (GB), Direktorin für Bildung, Soziales und Sport. Sie ist
eine vehemente Verfechterin von Jobsharing. Die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf sei für sie eine wichtige politische Forderung. «Wo ich es beeinflussen
kann, fördere ich Teilzeitstellen», sagt sie.
Doch tatsächlich gebe es im Lehrerberuf so viele Frauen, dass mehr
Männer wünschenswert wären. Teuscher fände es aber besser, wenn Männer in der
Stellenausschreibung ermuntert würden, sich zu bewerben, als auf
Vollzeitstellen zu setzen. «Die Schulleitungen sollten sich zusammen mit den
Schulkommissionen eine Strategie überlegen, wie sie Männer ins Klassenzimmer
holen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern können.» (Der
Bund)
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