22. Mai 2015

Kontrollwahn der Eltern

Spätestens mit dem ersten Schultag eines Kindes beginnt der Ernst des Lebens. Nichts darf mehr schiefgehen. Wird ein Defizit nicht sofort aufgedeckt, kann das Folgen für den Rest des Lebens haben, sind viele Eltern der Meinung. Viele Mütter und Väter sind verunsichert und kontrollieren und analysieren alles, was ihre Kinder und deren Lehrer in der Schule tun oder nicht tun. Da werden Tests kopiert und mit denen der besten Freundin verglichen. Ist man mit einer Bewertung nicht einverstanden, schreibt man dem Lehrer eine Nachricht, Fehler des Lehrers werden der Schulleitung gemeldet.



Welche Art von Unterstützung ist sinnvoll? Bild: iStock
Vertraut euren Schulkindern, Tages Anzeiger Mamablog, 22.5. von Marianne Kuhn

Bringt das Kind nicht die erwarteten Bestleistungen nach Hause, muss etwas unternommen werden. Der Telefondraht unter den Eltern läuft heiss. Geht es anderen Kindern ähnlich? Vermittelt die Lehrerin den Stoff richtig, wird von den Kindern zu viel verlangt – oder zu wenig?
Um dem Kind zu helfen, wird das Arbeitsblatt schon mal in einer Nachtschicht von der Mutter ausgemalt. Papi liest derweil noch einmal seine Asterix-Sammlung durch, um die Fragen des Antolin-Leseförderungsprogramms im Netz zu beantworten – und so wertvolle Punkte für seinen Sprössling zu sammeln. Der Grossvater kennt doch da noch ein paar mathematische Tricks, die dem Kind bestimmt weiterhelfen. Die Kollegin weiss von einer Therapie, welche auf jeden Fall nützen wird. Und die Tochter der Bürokollegin hat grosse Fortschritte gemacht, seit sie mit der neuen App auf ihrem Tablet übt.
Ja, stimmt etwas mit der heutigen Schule nicht? Oder können Schüler heute weniger als früher? Ich bin der Meinung, nichts von beidem stimmt. Tatsache ist allerdings, dass die Welt und die Schule sich in den letzten Jahren verändert haben. Die Schüler müssen heutzutage viel mehr und anderes können als früher. Die Lehrer kennen ihre Aufgaben und geben sich in der Regel grosse Mühe, alle Kinder optimal zu fördern. Sie haben ihre Schüler gern. Sie sind gut ausgebildet und werden von entsprechenden Behörden unterstützt und kontrolliert. Manchmal machen sie, wie jeder andere Mensch auch, Fehler, und dann sollen diese auch korrigiert werden.
Ständige Kritik an der Schule von allen Seiten ist allerdings nicht nötig. Es verunsichert viele engagierte Lehrer und ist auf die Dauer nur frustrierend. Ich rate deshalb allen Eltern: Habt Vertrauen in eure Kinder! Sie müssen lernen, selbstständig zu denken und zu handeln, Verantwortung zu übernehmen und starke, eigenständige, ehrliche Persönlichkeiten zu werden. Dazu brauchen sie Vorbilder. Menschen, die ihnen zeigen, dass man auch einmal straucheln und dann wieder aufstehen kann, dass man Probleme selber bewältigen kann. Die auch hinter ihnen stehen, wenn sie nicht Klassenbeste sind. Kinder müssen für Fortschritte gelobt werden und Fehler machen dürfen. Sie müssen ausprobieren und lernen, Grenzen zu akzeptieren. Eltern müssen für ihre Kinder da sein, ihnen Mut machen und sie unterstützen, wenn sie Hilfe brauchen. Kinder können viel! Oft viel mehr, als wir uns vorstellen können. Trauen wir es ihnen einfach zu!


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