Die Schulleitung ist überzeugt, dass sich das bessere Klima auf die Schüler und die Eltern überträgt, Bild: Felix Gerber
Lehrerteams für Ruhe im Klassenzimmer, Berner Zeitung, 27.4. von Sandra Rutschi
Ab August
wird in zehn Schulen im Kanton Bern einiges anders laufen als heute. Fünf
deutsch- und fünf französischsprachige Schulen nehmen an einem Versuch des
Kantons teil (siehe Kasten). Die Grundidee: Mit Lehrerteams soll die Anzahl
Lehrpersonen pro Klasse reduziert werden. Das Oberstufenzentrum Wiedlisbach führt
die Teams als einzige Schule über alle Klassen hinweg. «Bei unserem Schulmodell
ist das gar nicht anders möglich», sagt Schulleiter Ernst Franz Stalder. Er hat
gemeinsam mit Myriam Gessler, ab August Stellvertreterin der Schulleitung, das
Konzept für den Wiedlisbacher Schulversuch entworfen.
Die rund 160
Schülerinnen und Schüler werden in Wiedlisbach nach dem Modell 3B Spiegel
unterrichtet: Wer von den drei Hauptfächern Deutsch, Französisch und Mathematik
zwei auf Sekundarschulniveau besucht, gilt als Sekundarschüler – und umgekehrt.
Im 7. und im 8.Schuljahr werden drei Parallelklassen unterrichtet, ab der
9.Klasse nur noch zwei – weil Schüler ans Gymnasium gewechselt haben.
Bis
zu elf Lehrer unterrichten pro Klasse
Weil mit dem Modell 3B
die Klassengrössen flexibler gestaltet werden können, kostet dies den
Schulverband weniger Geld. Da aber unter anderem im Niveauunterricht viele
Fachlehrer nötig sind, ist die Zahl der Lehrkräfte pro Klasse hoch. Teilweise
sind es elf unterschiedliche Personen pro Klasse. «Das ist vor allem für Kinder
schwierig, die eine ruhige Lernatmosphäre benötigen», sagt Stalder. Sie sind
mit den ständigen Wechseln überfordert. Bei einigen äussert sich das in
disziplinarischen Problemen, andere werden vergesslich.
Aber auch Klassenlehrer
haben es schwer: Sie unterrichten zum Teil nur selten in ihrer Stammklasse.
Myriam Gessler zum Beispiel stand im letzten Schuljahr nur während dreier
Lektionen pro Woche vor ihrer Stammklasse.
Dank dem Schulversuch
soll die Anzahl Lehrkräfte pro Klasse um ein bis zwei Personen reduziert
werden. Grundgedanke des Konzepts ist, dass die Lehrer künftig in
Jahrgangsteams von sieben bis acht Personen zusammenarbeiten. Eine Teamleitung
und zwei bis drei Mitverantwortliche teilen sich ein Ko-Klassenlehramt für die
Klassen im jeweiligen Jahrgang. In diesem Team werden die Aufgaben nach
Fähigkeiten verteilt: Wer besonders gut Elterngespräche führen kann, soll vor
allem das machen. Wer eine Stärke im Konfliktmanagement hat, kann diese
ausspielen.
In einer Datenbank
werden Dokumentationen über jeden Schüler erstellt, damit der Austausch unter
den Lehrern funktioniert.
Stalder und Gessler
hoffen, so die Lehrer zu entlasten, zu stärken und ihnen mehr Verantwortung zu
überlassen. Entlasten in dem Sinne, dass etwa bei Abwesenheit des
Klassenlehrers die Zuständigkeiten klar geregelt sind. Und mehr einbinden
insofern, als die Klassenlehrerfunktion auf mehrere Personen verteilt ist.
Die
Neuntklässler sollen in Workshops lernen
Obwohl bis zum Start des
Versuchs noch vier Monate vergehen, bereiten sich die Lehrer bereits vor. Auf
Flipcharts im Lehrerzimmer haben sie ihre Stärken und Interessen aufgeschrieben
– auch im fachlichen und im nebenberuflichen Bereich. Denn das Konzept sieht
vor, dass Neuntklässler in den Hauptfächern vermehrt in Workshops oder Modulen
unterrichtet werden. So, dass künftige KV-Lernende im Deutsch zum Beispiel
Grammatik und Textformen vertiefen, während sich andere etwa mit Literatur
auseinandersetzen. In den Workshops sollen sich die Lehrkräfte nach ihren
Fähigkeiten einbringen können.
«Insgesamt wird das
Unterrichten für die Lehrer so sehr attraktiv», sagt Myriam Gessler. Natürlich
gebe es auch Kollegen, die dem Ganzen skeptisch gegenüberstünden, räumt Stalder
ein. Doch er ist überzeugt, dass während des Versuchs Ängste abgebaut werden
können.
«Aufbruchstimmung
im Kollegium»
Und was werden die
Schüler vom Schulversuch mitbekommen? Stalder hofft, dass mehr Ruhe in die
Klassenzimmer einkehrt. Bereits jetzt würden die Schüler das gute Klima im
Kollegium und die Aufbruchstimmung spüren. Stalder ist überzeugt, dass sich
dieses Klima auf die Schüler und auch die Eltern überträgt. Diese werden im
Juni mit einem Brief über den Versuch informiert.
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