Offener Brief an Christian Amsler, ZLV, 10.4.
Sehr geehrter Herr Regierungsrat Amsler
Nach wie vor ist das Thema „Sprachen in der Volksschule“ in der ganzen
Schweiz eine zentrales und heiss diskutiertes Politikum. Der Zürcher
Lehrerinnen- und Lehrerverband ZLV hat deshalb Ende 2014 bei seinen rund 4000
Mitgliedern eine entsprechende Umfrage durchgeführt. (s. Beilage). Die
Ergebnisse lassen sich in zwei Kernaussagen zusammenfassen:
- Die Lehrpersonen wollen nur
noch eine Fremdsprache auf der Primarstufe.
- Die Lehrpersonen bevorzugen
eine Lösung für die gesamte Deutschschweiz und halten einen Alleingang des
Kantons Zürich für keine vernünftige Option.
Die Lehrpersonen waren bei der Einführung der Regelung mit zwei
Fremdsprachen auf der Primarstufe mehrheitlich kritisch eingestellt – es gab
aber auch viele positive Stimmen. Die damals versprochenen Rahmenbedingungen
(keine Noten, nicht promotionswirksam, angepasste kleinere Lerngruppen) wurden
jedoch im Verlauf der Zeit verändert oder gar nie eingehalten, was sich auf die
Akzeptanz der Zweisprachen-Regelung bei den Lehrpersonen unserer Ansicht nach
negativ auswirkte. Als grösstes Hindernis für einen nachhaltigen Erfolg des
frühen Sprachenlernens erwies sich aber die ungenügende Stundendotation mit nur
je zwei Wochenlektionen für die beiden Fremdsprachen. Statt in einer der beiden
Fremdsprachen die Lektionendichte zu erhöhen, wurden die sprachlichen
Bildungsziele verzettelt, was viele Schülerinnen und Schüler überforderte.
Allzu oft mussten Lehrpersonen den Fremdsprachenunterricht auf andere Fächer
ausdehnen, um die wichtigsten Ziele im Französisch und Englisch überhaupt
erreichen zu können.
Darüber hinaus hat das sprachenlastige Konzept den Bildungsauftrag der
Primarschule spürbar verändert. Umso grösser ist die Ernüchterung, da sich
jetzt herausstellt, dass der frühe Fremdsprachenunterricht nur bescheidene
Resultat vorweisen kann. Nun fragen sich viele Lehrpersonen: „Lohnt sich der
ganze Aufwand wirklich?“
Der ZLV bedauert, dass im Kanton Zürich die vom Verband bereits 2010
geforderte Evaluation des Fremdsprachenunterrichtes an der Primarschule nie
durchgeführte wurde. Dann hätte man heute auch Daten aus den Zürcher Schulen
für eine sachliche Diskussion über die Nachhaltigkeit des frühen
Fremdsprachenlernens.
Die Lehrerschaft ist sich bewusst, dass neben dem pädagogischen Aspekt
das frühe Lernen der französischen Sprache in unserem viersprachigen Land ein
zentrales Anliegen ist. Pädagogisch gibt es starke Argumente für nur eine
Fremdsprache an der Primarschule, politisch haben wir Verständnis, dass
Französisch bereits auf der Mittelstufe gelernt werden soll. Als Ausweg aus dem
Dilemma könnten wir uns vorstellen, dass die funktionale Weltsprache Englisch
deshalb erst ab Beginn der Oberstufe eingeführt würde.
Dass die Situation beim Sprachenlernen in der Primarschule als völlig
unbefriedigend erachtet wird, zeigen bildungspolitische Aktivitäten in
verschiedenen Kantonen. Mehrere kantonale Volksinitiativen für nur eine
Fremdsprache werden im kommenden Jahr zur Abstimmung gelangen. Auch im Kanton
Zürich ist zurzeit eine solche Initiative in Vorbereitung.
Der ZLV setzt sich dafür ein, dass eine für die Deutschschweiz sowohl
pädagogisch wie politisch tragfähige Lösung gefunden werden kann. Wir haben
Hoffnung, dass ein vernünftiger Ausweg aus der Sackgasse noch immer möglich
ist. Um dieses Ziel zu erreichen, suchen wir mit Ihnen das Gespräch. Wir würden
uns deshalb sehr freuen, wenn Sie als EDK-Präsident Deutschschweiz die
Einladung für einen Gedankenaustausch über die genannte Thematik annehmen
würden. Bitte lassen Sie uns wissen, ob wir grundsätzlich für einen solchen
Austausch auf Sie zählen dürfen. Um die Terminierung würden wir uns sobald wie
möglich kümmern.
Mit freundlichen Grüssen
Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband
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