Schwierigkeiten beim Wechsel von der Sek ans Gymi, Bild: Timur Emek
Sek und Gymi unterrichten aneinander vorbei, Tages Anzeiger, 9.4. von Liliane Minor
Dieses
Jahr stand die Aufnahmeprüfung ans Kurzgymnasium nach der zweiten oder dritten
Sek unter einem besonderen Fokus: Zum ersten Mal konnten sich die
Sekschülerinnen und Sekschüler nicht mehr auf ihre Vornoten verlassen. Allein
das Resultat der Aufnahmeprüfung bestimmte, wer auf den Sommer hin ans Gymi
wechseln darf. Und ausgerechnet dieses Jahr geriet die Deutschprüfung so
schwer, dass die Notenskala deutlich nach unten korrigiert werden musste.
An sich ist das kein
ungewöhnlicher Vorgang, sondern einer, der den meisten Lehrpersonen bekannt
sein dürfte. Nicht immer ist es im Voraus abschätzbar, ob Kinder eine Aufgabe
lösen können. Auch bei den Gymiprüfungen muss die Skala in einzelnen Fächern
immer mal wieder angepasst werden. Letztes Jahr etwa enthielt die
Mathematikprüfung für die Sechstklässler eine Aufgabe, welche
überdurchschnittlich viele Kinder nicht lösen konnten.
Die Krux mit der
Mengenlehre
Trotzdem hat die
diesjährige Prüfung unter Seklehrpersonen für Diskussionen und Unmut gesorgt.
Denn aus Sicht vieler Lehrerinnen und Lehrer ist die Prüfung ein Symptom für
ein tiefer liegendes Problem. «Der Übertritt ins Gymi ist unbefriedigend», sagt
der Präsident des Seklehrerverbands SekZH, Kaspar Vogel. «Die Stoffpläne von
Sek und Gymi korrespondieren nicht miteinander. Der Dialog zwischen den
Schulstufen klappt schlecht.» Diesen Eindruck hat auch Lilo Lätzsch,
Präsidentin des Zürcher Lehrerverbands ZLV: «Die Mittelschulen klagen, die
Sekschüler hätten nicht mehr die Kompetenzen, die sie fürs Gymi brauchten –
aber sie kümmern sich nicht darum, was und wie wir an der Sek unterrichten.»
Das zeige sich nicht nur
an der Aufnahmeprüfung, sondern vor allem in der Probezeit, sagen Lätzsch und
Vogel. Etliche Jugendliche, die von der Sek ins Gymi wechseln, kommen dort
schwer ins Schwimmen, weil sie im Gymi mit Stoff konfrontiert sind, von dem sie
in den ersten zwei Sekjahren nie gehört haben – Stoff, den die Gymilehrer aber
als bekannt voraussetzen, weil er im ersten und zweiten Jahr des Langgymnasiums
behandelt wird.
Brennpunkt ist vor allem
die Mathematik. So gehört Mengenlehre im Langgymnasium zum Schulstoff, in der
Sek nicht. Immer wieder scheitern Schülerinnen und Schüler in der Probezeit an
der Mathe, obwohl sie eigentlich das Potenzial fürs Gymi hätten. «Das macht
auch uns Sorgen», sagt Rolf Bosshard, der Präsident des
Mittelschullehrerverbands. Für ihn ist klar, dass Handlungsbedarf besteht.
Den Dialog pflegen
Dieser Ansicht sind auch
die Rektoren der Mittelschulen. Cornel Jacquemart, Rektor der Kantonsschule
Büelrain in Winterthur und Präsident der Schulleiterkonferenz der Zürcher
Kantonsschulen, findet das Thema extrem wichtig: «Wir müssen den Dialog pflegen.»
Letztes Jahr versuchte die Kantonsschule Zürich Nord, das Problem mit
freiwilligen Kursen noch vor Gymibeginn zu lösen – und handelte sich Ärger von
allen Seiten ein. Cornel Jacquemart etwa sagt: «Wir sollten nicht zu
Einzelübungen greifen, sondern das Problem systematisch angehen.»
Die ersten Schritte dazu
sind gemacht: Ende 2014 wurde die Arbeitsgruppe VSGYM ins Leben gerufen, der
Vertreter der Gymnasien, der Sekundarschulen, des Volksschulamts und des
Mittelschul- und Berufsbildungsamts angehören. Gestern tagte die Gruppe.
Wohin die Reise geht,
ist offen. Das sagt Christoph Wittmer, Rektor der Kantonsschule Enge und
Delegierter der Mittelschulen im VSGYM: «Im Moment diskutieren wir die
Organisation und die Aufgaben des Projektes, das die Koordination sicherstellen
soll. Im Sommer werden wir sagen können, wie wir den Dialog aufgleisen wollen.»
Gemeinsamer Lehrplan?
Einfach dürfte es nicht
sein, eine Lösung zu finden. Klar ist eines: Den Sekundarschulen sind die Hände
punkto Schulstoff mehr gebunden als den Gymnasien. Denn der Lehrplan der Sekundarschulen
ist vom Kanton vorgegeben, und auch die Lehrmittel dürfen nicht frei gewählt
werden. Die Gymnasien hingegen haben von jeher Lehrmittelfreiheit; die
Stoffpläne arbeiten die Fachschaften selbst aus. Sie müssen aber die
übergeordneten Vorgaben erfüllen, die im Maturitätsanerkennungsreglement
festgehalten sind.
Auf den ersten Blick
wäre es am einfachsten, die Gymis würden sich an den Lehrplan der Sek anpassen.
Das wäre im Sinn der Sekundarschulen, und auch Rektorenpräsident Jacquemart
glaubt: «Die Bereitschaft, mindestens den Schulstoff im ersten Semester des
Gymnasiums vermehrt mit der Sek zu koordinieren, ist da.» Doch es gibt aus
Sicht der Gymilehrer Grenzen. Denn die Kantonsschulen müssen ihrerseits den Anschluss
an die Universitäten sicherstellen. Und an der Lehrmittelfreiheit wollen viele
Gymilehrer festhalten. Enge-Rektor Christoph Wittmer ist überzeugt: «Die
Lehrmittelfreiheit auf gymnasialer Stufe ist ein zentraler Motor eines guten
Unterrichts.» Dieser Meinung ist auch Rolf Bosshard: «Entscheidender als ein
einheitliches Lehrmittel und ein gemeinsamer Lehrplan ist, dass wir wissen, wie
die Alltagspraxis in der Sek aussieht.»
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