1. März 2015

Unstimmigkeiten bei Lehrmittel-Auswahl

Es ist nach wie vor unklar, wer verantwortlich ist für die Auswahl des kritisierten Englisch-Lehrmittels 'New World'. Dieses musste offenbar gegen Empfehlungen eingeführt werden. Der Baselbieter Bildungsrat hatte keine andere Wahl.
Bildungsrat hatte keine andere Wahl, Basler Zeitung, 28.2. von Daniel Wahl


Offenbar nach der Methode «Vogel friss, oder stirb», hat der Baselbieter Bildungsrat das umstrittene Englischlehrmittel «New World» gutgeheissen – oder noch konsequenter ausgedrückt «gutheissen müssen». «Wir hatten keine Auswahl, es lag keine Alternative vor», sagt Michael Weiss, der vom Lehrerverband LVB in den Bildungsrat delegiert worden ist. Vizepräsident Rolf Knechtli weicht der Frage aus, weshalb man «New World» trotz Bedenken im Rat «durchgewunken» habe: «Das trifft so schlicht nicht zu. Vielmehr haben wir das Problem erkannt und uns deshalb nur zur befristeten Einführung entschlossen.»
«New World» ist ein neues Englisch-Lehrmittel, das der Kompetenz-Ideologie des Lehrplan  21 am nächsten steht. Eingeengt wurde die Auswahl entsprechend geeigneter Bücher weiter, weil der Kanton Baselland zu den wenigen (sechs) Kantonen gehört, die Englisch erst in der fünften Klasse einführen. Nach einer fundierten Analyse kritisiert der Sekundarlehrer Philipp Loretz aus Aesch das Lehrmittel (siehe BaZ von gestern Freitag) mit deutlichen Worten: Die Schüler würden systematisch überfordert, das Werk sei weltfremd und würde Jugendliche permanent in die ungemütliche Lage versetzen, Diskussionen in einer Fremdsprache führen zu müssen, ohne über einen Wortschatz zu verfügen.
Das bedeutet letztlich Stress, vor allem für die schwächeren Schüler. Aufgeschreckt von dieser Kritik äussert nun auch das Komitee Starke Schule Baselland Bedenken. «Offensichtlich soll flächendeckend ein neuer Unterrichtsstil standardisiert und zwangsverordnet werden; zurechtgebogen als neu einzig wahre Erkenntnis der Unterrichtstheorie», schreibt das Komitee. Statt systematisches Lernen stünden nun Kompetenzen im Vordergrund. «New World» lasse einen klaren grammatikalischen Aufbau vermissen genauso wie einen fundierten Wortschatz. Schüler, die einen klar strukturierten Unterricht benötigen, seien mit dieser neuen Philosophie hilflos verloren, heisst es weiter.

Absage ans Berufsleben
Wie Bildungsrat Michael Weiss ausführt, wurden gegenüber dem Bildungsrat «bewährte Lehrmittel aus England/Oxford von Beginn weg abgelehnt mit dem Hinweis, dass zertifikatsorientierte Lehrmittel nicht in unser Schulsystem passen.» «Zertifikatsorientiert» bedeutet, dass die Lehrmittel die Schüler so auf das Berufsleben vorbereiten, dass sie dereinst mit dem Diplom «First» oder «Advanced» abschliessen können.
Genau diese Vorbereitung auf das Leben und die Ausbildung nach der Volksschule wollten die Baselbieter Bildungsverantwortlichen offenbar vermeiden. Dabei, so Weiss, stimme die Aussage nicht einmal, zertifikatsorientierte Lehrmittel passten nicht in unser Schulsysten. Er verweist auf die Fachmittelschule (FMS), die ihren Französischunterricht im Hinblick auf den Erwerb des «diplôme d'études en langue française» (DELF) aufbaut. Knechtli wiederum sagt, er habe persönlich nichts gegen zertifikatsorientierte Lehrmittel. Es stelle sich jedoch die Frage, ob es sinnvoll ist, schon auf Stufe Primar und Sek. I mit solchen Lehrmitteln zu arbeiten.
Um Lehrpersonen auf den Unterricht mit «New World» vorzubereiten, werden sie für 24 Halbtage zur Weiterbildung aufgeboten. Ein Rekordaufwand, den das Baselbiet nun betreibt. Normalerweise reiche ein halber bis ein Tag, um sich mit einem Lehrmittel vertraut zu machen, sagen diverse Lehrer. Die Starke Schule Baselland hält die umfangreiche Weiterbildung für aufgebläht und vermutet eine ideologische Indoktrination dahinter: «Die Lehrer werden ihrer didaktisch-methodischen Unterricht- und Lehrfreiheit beraubt, was im krassen Gegensatz zum Berufsauftrag steht.»

Während Bildungsräte betonen, auf Basis der Empfehlung der Lehrmittelkommission Primarschule entschieden zu haben, wehrt sich Kommissionmitglied Christine Stampfli gegen die Darstellung: «Die Lehrmittelkommission Primarstufe konnte sich überhaupt nicht zu besagtem Lehrmittel einbringen. Sie wurde schlicht vor die Tatsache gestellt, dass dieses Lehrmittel beschlossene Sache ist», schreibt Stampfli. Das wirft wiederum mehr Fragen auf, als Stampfli beantwortet: Wer hat die Lehrmittelkommission vor vollendete Tatsachen gestellt und wer entscheidet überhaupt im Baselbiet?

1 Kommentar:

  1. Interessant finde ich, dass ich anlässlich einer obligatorischen Einführung ins Lehrmittel mehrmals fragte, wer für die Wahl des Lehrmittes New World - das auch in Graubünden eingesetzt wird - verantwortlich sei. Die Antwort war Ausweichen und Ablenken, aber niemand der anwesenden PH-Leute konnte oder wollte sagen, was da gelaufen ist.

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