Bildungsrat hatte keine andere Wahl, Basler Zeitung, 28.2. von Daniel Wahl
Offenbar nach der Methode «Vogel friss, oder stirb», hat der
Baselbieter Bildungsrat das umstrittene Englischlehrmittel «New World»
gutgeheissen – oder noch konsequenter ausgedrückt «gutheissen müssen». «Wir
hatten keine Auswahl, es lag keine Alternative vor», sagt Michael Weiss, der
vom Lehrerverband LVB in den Bildungsrat delegiert worden ist. Vizepräsident
Rolf Knechtli weicht der Frage aus, weshalb man «New World» trotz Bedenken im
Rat «durchgewunken» habe: «Das trifft so schlicht nicht zu. Vielmehr haben wir
das Problem erkannt und uns deshalb nur zur befristeten Einführung
entschlossen.»
«New
World» ist ein neues Englisch-Lehrmittel, das der Kompetenz-Ideologie des
Lehrplan 21 am nächsten steht. Eingeengt wurde die Auswahl entsprechend geeigneter
Bücher weiter, weil der Kanton Baselland zu den wenigen (sechs) Kantonen
gehört, die Englisch erst in der fünften Klasse einführen. Nach einer
fundierten Analyse kritisiert der Sekundarlehrer Philipp Loretz aus Aesch das
Lehrmittel (siehe BaZ von gestern Freitag) mit deutlichen Worten: Die Schüler
würden systematisch überfordert, das Werk sei weltfremd und würde Jugendliche
permanent in die ungemütliche Lage versetzen, Diskussionen in einer
Fremdsprache führen zu müssen, ohne über einen Wortschatz zu verfügen.
Das
bedeutet letztlich Stress, vor allem für die schwächeren Schüler. Aufgeschreckt
von dieser Kritik äussert nun auch das Komitee Starke Schule Baselland
Bedenken. «Offensichtlich soll flächendeckend ein neuer Unterrichtsstil
standardisiert und zwangsverordnet werden; zurechtgebogen als neu einzig wahre
Erkenntnis der Unterrichtstheorie», schreibt das Komitee. Statt systematisches
Lernen stünden nun Kompetenzen im Vordergrund. «New World» lasse einen klaren
grammatikalischen Aufbau vermissen genauso wie einen fundierten Wortschatz.
Schüler, die einen klar strukturierten Unterricht benötigen, seien mit dieser
neuen Philosophie hilflos verloren, heisst es weiter.
Absage
ans Berufsleben
Wie
Bildungsrat Michael Weiss ausführt, wurden gegenüber dem Bildungsrat «bewährte
Lehrmittel aus England/Oxford von Beginn weg abgelehnt mit dem Hinweis, dass
zertifikatsorientierte Lehrmittel nicht in unser Schulsystem passen.»
«Zertifikatsorientiert» bedeutet, dass die Lehrmittel die Schüler so auf das
Berufsleben vorbereiten, dass sie dereinst mit dem Diplom «First» oder
«Advanced» abschliessen können.
Genau
diese Vorbereitung auf das Leben und die Ausbildung nach der Volksschule
wollten die Baselbieter Bildungsverantwortlichen offenbar vermeiden. Dabei, so
Weiss, stimme die Aussage nicht einmal, zertifikatsorientierte Lehrmittel
passten nicht in unser Schulsysten. Er verweist auf die Fachmittelschule (FMS),
die ihren Französischunterricht im Hinblick auf den Erwerb des «diplôme
d'études en langue française» (DELF) aufbaut. Knechtli wiederum sagt, er habe
persönlich nichts gegen zertifikatsorientierte Lehrmittel. Es stelle sich
jedoch die Frage, ob es sinnvoll ist, schon auf Stufe Primar und Sek. I mit
solchen Lehrmitteln zu arbeiten.
Um
Lehrpersonen auf den Unterricht mit «New World» vorzubereiten, werden sie für
24 Halbtage zur Weiterbildung aufgeboten. Ein Rekordaufwand, den das Baselbiet
nun betreibt. Normalerweise reiche ein halber bis ein Tag, um sich mit einem
Lehrmittel vertraut zu machen, sagen diverse Lehrer. Die Starke Schule
Baselland hält die umfangreiche Weiterbildung für aufgebläht und vermutet eine
ideologische Indoktrination dahinter: «Die Lehrer werden ihrer
didaktisch-methodischen Unterricht- und Lehrfreiheit beraubt, was im krassen
Gegensatz zum Berufsauftrag steht.»
Während
Bildungsräte betonen, auf Basis der Empfehlung der Lehrmittelkommission
Primarschule entschieden zu haben, wehrt sich Kommissionmitglied Christine
Stampfli gegen die Darstellung: «Die Lehrmittelkommission Primarstufe konnte
sich überhaupt nicht zu besagtem Lehrmittel einbringen. Sie wurde schlicht vor
die Tatsache gestellt, dass dieses Lehrmittel beschlossene Sache ist», schreibt
Stampfli. Das wirft wiederum mehr Fragen auf, als Stampfli beantwortet: Wer hat
die Lehrmittelkommission vor vollendete Tatsachen gestellt und wer entscheidet
überhaupt im Baselbiet?
Interessant finde ich, dass ich anlässlich einer obligatorischen Einführung ins Lehrmittel mehrmals fragte, wer für die Wahl des Lehrmittes New World - das auch in Graubünden eingesetzt wird - verantwortlich sei. Die Antwort war Ausweichen und Ablenken, aber niemand der anwesenden PH-Leute konnte oder wollte sagen, was da gelaufen ist.
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