5. März 2015

Projekt Tagesschulen in Zürich

An sieben Pilotschulen der Stadt Zürich werden Tagesstrukturen eingeführt. Bis in zehn Jahren soll das Projekt auf sämtliche städtische Schulen ausgeweitet werden.
Künftig wird in der Schule gegessen, NZZ, 5.3. von Jan Hudec


Bereits auf das neue Schuljahr werden in den ersten von sieben Pilotschulen in der Stadt Zürich Tagesstrukturen eingeführt, die übrigen folgen 2016. Dies hat der Gemeinderat am Mittwochabend beschlossen. Dieses Projekt ist aber gewissermassen nur der Startschuss zu einem grösseren Ziel: Bis 2025 soll die ganze Volksschule umgekrempelt werden. Die Kinder sollen auch über Mittag in der Schule bleiben, um dort zu essen, sofern sie am Nachmittag Unterricht haben. Längerfristig sollen damit 30 bis 40 Millionen Franken eingespart werden gegenüber dem Hortsystem, das derzeit rasant ausgebaut wird.
Die grosse Mehrheit des Gemeinderats begrüsste das neue Modell, einige fast schon euphorisch. So hiess es zum Beispiel von der GLP: «Hurra, die Tagesschule kommt!» Generell wurde gelobt, dass das neue System die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessere. Nur mit grösster Mühe könne das gegenwertige Hortsystem den Ansturm bewältigen, befand die FDP. Mit Tagesschulen liessen sich Kosten einsparen. Vonseiten der Grünen und der SP wurde zudem betont, dass eine Betreuung über Mittag die Chancengleichheit fördert.
Grundsätzliche Kritik kam nur von der SVP. Es gehe keineswegs um das Wohl der Kinder, sondern um das Wohl von Doppelverdienern und Familiendekonstruktivisten, sagte Daniel Regli. Künftig wolle man die Kinder dazu zwingen, in der Schule zu Mittag zu essen - im gegenwärtigen Versuch ist die Teilnahme freiwillig. Die SVP werde versuchen, diese Zwängerei auf kantonaler Ebene zu verhindern. Dem entgegneten die anderen Parteien, dass die Kinder dank verkürzter Mittagspause am Nachmittag auch früher nach Hause könnten, somit also mehr Zeit hätten für Freizeitaktivitäten oder fürs Zusammensein mit der Familie. Zudem stimme man gegenwärtig nur über das Pilotprojekt ab, und in den teilnehmenden Schulen seien Pflichtmittagessen kein Thema.
Es überraschte denn auch nicht, dass das Tagesschulmodell mit 97 zu 21 Stimmen klar angenommen wurde. Eine lebhafte Diskussion entzündete sich dann aber noch an den Details, insbesondere an den Kosten fürs Mittagessen. Der Vorschlag des Stadtrats sah vor, fürs Schulessen einen Beitrag von 6 Franken pro Kind und Tag zu verlangen. SP, GP und AL war dies zu viel. Die Grünen wollten den Elternbeitrag zumindest für die erste Pilotphase komplett streichen, AL und SP forderten eine Befreiung vom Beitrag für Eltern mit tieferen Einkommen.
6 Franken seien ein guter Kompromiss, befand die FDP. Es sei ja auch zu Hause kaum möglich, für weniger Geld zu kochen, der Betrag sei für die meisten Familien tragbar, sagte Severin Pflüger. Zudem könnten jene Familien, für die diese Kosten wirklich zu hoch seien, einen Antrag auf die Befreiung von diesem Beitrag stellen. Die Linke hielt dem entgegen, dass es darum gehe, dass möglichst alle Familien am Versuch teilnehmen könnten. Nur ein niederschwelliges Angebot könne zum Erfolg führen. Der Entscheid fiel am Schluss aber relativ deutlich aus. 60 Parlamentarier sprachen sich für die stadträtliche Variante aus, 44 für den SP/AL-Vorschlag und 14 fürs Gratis-Mittagessen.
Mit seinem Ja hat der Gemeinderat entschieden, für das Pilotprojekt einen Kredit von 19 Millionen Franken zur Verfügung zu stellen. An den Schulen Aegerten, Am Wasser, Albisriederplatz, Balgrist-Kartaus, Blumenfeld, Leutschenbach, Schauenberg werden nun Tagesstrukturen eingerichtet. Das Mittagessen in der Schule ist für die Kinder zwar nicht obligatorisch, die Mittagspause wird aber von 110 Minuten auf 80 Minuten reduziert. Der Versuch läuft nun bis 2018, danach soll er ausgeweitet werden.

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