3. März 2015

Reformen als Schaufensterdekoration der Schule

Eine Reform ist laut Definition eine planvolle und gewaltlose Umgestaltung bestehender Verhältnisse mit der Absicht, die Dinge zu verbessern. Wir sind uns alle einig, dass Reformen, besonders in der Schule, beliebt und zweifellos auch dringend nötig sind. Doch wird heute immer mehr am Gerüst herumgebastelt und das dann als Bildungsreform verkauft. Harmos, z.B., lässt sich der Kanton Basel-Stadt in den nächsten Jahren fast 1 Milliarde Franken kosten. Das sind aber nur die baulichen Massnahmen, die für die Umsetzung auf das System 6 Jahre Primar / 3 Jahre Sekundar notwendig seien. Es werden Strukturen und Hierarchien geschaffen, die bewirtschaftet werden wollen. So wird denn das Netz der Kontrolle immer engmaschiger, die Bürokratie triumphiert. Der Lehrer wird vom Schulleiter, der vom Schulrat und Inspektorat, das wiederum vom Amt kontrolliert. Das Amt wird vom Erziehungschef kontrolliert und ich bin sicher, dass auch der bei jemandem den Kopf hinhalten muss. Verfolgen Sie mal, wie in Ihrer Gemeinde die Pensen der Schulleitungen in den letzten Jahren gestiegen sind – bei sinkenden Schülerzahlen, notabene!





Schulreformen: Verpackung oder Inhalt? Bild: inhabitots.com


Blog der Südostschweiz, 3.3. von Urs Kalberer


Reformen über Reformen – und immer im Namen der Bildung. Da kann man doch nicht dagegen sein, oder? Während seit Jahren bekannt ist, dass 20 Prozent der Knaben die obligatorische Schule verlässt, ohne wirklich lesen und schreiben zu können, werden bei uns Hochglanzprospekte für Leitbilder gedruckt. Leitbilder, Evaluationen, Qualitätskontrolle: die Schule hat sich zu einem Wirtschaftsfaktor entwickelt. Doch Schule ist nicht Wirtschaft, Schulleiter keine Firmenchefs und Lehrer keine Angestellten, die nach einem fremdbestimmten Arbeitsplan arbeiten. Mit Schule kann man Geld machen. Doch dieses Geld landet nicht in den Klassenzimmern. Dort können, nach Auskunft der Lehrmeister, immer weniger Schüler das simple Einmaleins.

Auch die Lehrer sollen nicht mehr selbstständig unterrichten, sondern nur noch da und dort die Maschine ölen, wenn sie stockt. Sie werden zunehmend zu Coaches degradiert, deren Aufgabe es ist, möglichst heterogene Schülergruppen den Schulstoff individuell bearbeiten zu lassen – das nennt sich dann „Förderorientierung“. Die Beurteilung findet in kleinen, überprüfbaren Häppchen, den vielbeachteten Kompetenzen, statt. Das Ganze wird uns als Reform verkauft, unabhängig davon, ob es auch wirklich zu einer Verbesserung führt oder nicht. Die Verbissenheit, mit der der Lehrplan 21 an allen guten Argumenten vorbeigeschleust wird, sollte eigentlich hellhörig machen. Wir wissen schon seit längerer Zeit, dass z.B. der bei uns praktizierte Frühfremdsprachenunterricht (Schönsprech: Sprachbad) nichts bringt. Ich kenne keine Primarlehrerin, die nicht unter der grossen Heterogenität in ihrer Klasse stöhnt. Trotzdem gilt es nun, die Heterogenität durch Altersdurchmischung (Schönsprech: Lernlandschaften) weiter zu erhöhen. Doch ist der Schritt zurück zu einem Lehrer für mehrere Klassen wirklich ein Fortschritt? Die oben erwähnten Entwicklungen geschehen unter den anerkennenden Augen eines Lehrerverbandes, der lieber pädagogisch bankrott geht, als sich dem Anschein von Reformkritik auszusetzen. Denn wer bei dem ganzen Trallala von Reformen Fragen stellt, gilt schnell als konservativ und veraltet. Wer hingegen kritiklos mitmacht, der gilt als fortschrittlich und bekommt die Lorbeeren. So einfach läuft das bei uns.


Ich habe in den vergangenen Beiträgen immer wieder auf Missstände hingewiesen, dies ist mein letzter. Jetzt liegt es an den Eltern, Bürgern und der Politik endlich zu handeln. Genug der Selbstbeweihräucherung. Wir brauchen keine Lobreden für die Bündner Schule, sondern die Dinge müssen beim Namen genannt werden. Zur Erinnerung nochmals eine Auswahl von Handlungsfeldern: Chancengerechtigkeit bei Aufnahmeprüfungen und zweisprachigen Schulen (z.B. Chur), die völlig verkachelte integrative Förderung, Hochdeutsch und Förderwahn im Kindergarten, der Lehrplan 21 und der Wildwuchs der Bildungsbürokratie, die zweifelhafte Ausbildungsqualität an der PHGR, die Krise der Bündner Mittelschulen, die Heuchelei mit den Fremdsprachen und das faktenresistente altersdurchmischte Lernen. Das sollte eigentlich reichen.

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