7. März 2015

Martin Jäger will nicht

Der Bündner Erziehungsdirektor Martin Jäger will keine Kehrtwende beim Englisch-Lehrmittel für die Oberstufe. Trotz der massiven Kritik aus der Lehrerschaft will er am umstrittenen "New World" festhalten.




Will den Anschluss an die Ostschweiz nicht verlieren: Martin Jäger, Bild: Yanik Bürkli


Martin Jäger: "Wir hinken schon jetzt hinterher", Südostschweiz, 7.3. von Stefan Bisculm


Im Kanton Graubünden wird seit dem Schuljahr 2012/13 Englisch ab der 5. Primarschulstufe unterrichtet. Weil das Lehrmittel auf diesen Zeitpunkt hin noch nicht fertig war, muss der erste Jahrgang bis zum Ende der Volksschule mit einer Probeversion vorlieb nehmen. Erziehungsdirektor Martin Jäger findet, ein guter Lehrer könne auch mit einem suboptimalen Lehrmittel gute Resultate erzielen.
Warum wird im Kanton Graubünden mit einem unfertigen Englischlehrmittel «New World» unterrichtet?

Martin Jäger: Der Kanton Graubünden hat das Lehrmittel «New World» mit den anderen Kantonen entwickelt, die wie wir ab der 3. Klasse eine Landessprache als erste Fremdsprache unterrichten und ab der 5. Klasse mit Englisch beginnen. Diese sogenannten Passepartout-Kantone stützen sich dabei auf einen Lehrplan, den man gemeinsam entwickelt hat. Die anderen Passepartout-Kantone sind Bern, Baselland, Basel-Stadt, Solothurn, Wallis und Freiburg und liegen in der westlichen Deutschschweiz. Es ist sinnvoll, dass wir in Graubünden wie all diese Kantone das gleiche Lehrmittel verwenden ...


... der Kanton Graubünden hat aber ein Jahr früher mit dem Englischunterricht begonnen und hat nicht gewartet, bis die Endfassung des Lehrmittels «New World» vorlag. Warum diese Hektik?

Martin Jäger: Unser Problem ist, dass Graubünden der einzige Passepartout-Kanton im Osten der Schweiz ist. Kantone wie St. Gallen, Thurgau und Glarus fangen mit Englisch auf der Primarstufe an und haben viel früher damit gestartet. Wir wollten nicht, dass unsere Schüler beim Austritt aus der Volksschule allzu weit hinter dem Fahrplan der anderen Ostschweizer Kantone hinterherhinken. Wir hinken schon jetzt hinterher.

Ein ganzer Jahrgang wird bis zum Ende der Volksschule also mit einem unfertigen Lehrmittel unterrichtet. Eine Umfrage unter den Bündner Sekundarlehrern hat ergeben, dass zwei Drittel der Lehrer mit dieser sogenannten Erprobeversion unzufrieden sind. Das ist viel Kritik von der Basis.

Martin Jäger: Das wird am Anfang in anderen Passepartout-Kantonen wahrscheinlich ähnlich tönen. Wenn sich das Lehrmittel als nicht optimal erweisen sollte, werden wir da sicher noch schrauben müssen. Allerdings wird das der Kanton Graubünden nicht alleine machen. Es ist nämlich gerade der Sinn der Sache, dass alle Passepartout-Kantone gemeinsam handeln.

Bündner Schüler werden als Versuchskaninchen für ein unfertiges Lehrmittel eingesetzt. Das birgt auch Risiken.

Martin Jäger: Der entscheidende Faktor für einen guten Unterricht sind die Lehrpersonen. Eine gute Lehrperson kann auch mit einem suboptimalen Lehrmittel ein gutes Resultat erzielen.

Warum hat der Kanton Graubünden nicht selber ein Englisch-Lehrmittel evaluiert, warum folgte man blind den anderen Passepartout-Kantonen?

Martin Jäger: Die Passepartout-Kantone setzten das neue Sprachenmodell der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren mit zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe gleich um wie wir. Der Lehrplan und das Lehrmittel sind genau darauf ausgerichtet und darum ist es absolut sinnvoll, dass der Kanton Graubünden das Rad nicht alleine neu erfindet.

Die anderen Passepartout-Kantone lehren ab der 3. Klasse aber Französisch und nicht Italienisch. Und «New World» baut explizit auf den Kompetenzen des Französischunterrichts auf. Für Graubünden ergibt das keinen Sinn.


Martin Jäger: Es mag nicht 100 Prozent kompatibel sein, aber zu weiten Teilen schon. «New World» baut darauf auf, dass Englisch nicht die erste Fremdsprache ist und die Schulkinder schon Erfahrungen mit einer anderen Fremdsprache gemacht haben. Ob man diese Erfahrungen mit Rätoromanisch, Italienisch, Deutsch oder Französisch macht, ist kein fundamentaler Unterschied.

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