Schulpflicht bedeutet nicht
Schulbesuchspflicht. In Ergänzung zu den öffentlichen und den privaten Schulen
kann der Unterricht in der Schweiz auch zu Hause abgehalten werden. In den
kantonalen Gesetzestexten nennt sich das «private Schulung» oder «Unterricht zu
Hause», «nicht öffentlicher Unterricht», «l’enseignement au milieu privé» ...
Einmal mehr ordnet ein englischer Begriff das föderale Babylon: Homeschooling!
Mutter ist gleichzeitig auch die Lehrerin, Bild: Iowapolitics.com
Mamablog-Beitrag, 26.3. von Marianne Binder-Keller, CVP-Präsidentin Bezirk Baden
Homeschooling
ist nicht etwa gleichzusetzen mit dem Unterricht durch Hauslehrer, der in der
Vergangenheit dem Nachwuchs einer ausschliesslich privilegierten
Gesellschaftsschicht vorbehalten war mit mitunter eindrücklichem Lehrpersonalwie
Hegel, Novalis, Fichte, Hölderlin oder Mörike. Gemäss dem Schriftsteller Pirmin
Meier bildete diese Lehrform im 18. und 19. Jahrhundert denn auch einen
Höhepunkt in Sachen Begabtenförderung.
Homeschooling
heute heisst, die Eltern unterrichten ihren Nachwuchs selber, es sei denn, sie
lassen ihren Nachwuchs sich gleich selbst unterrichten, aber das wären dann
keine «Homeschooler», sondern «Unschooler». Diese wiederum unterscheiden sich
in Nuancen (oder auch nicht) von den «Deschoolern», den «Entschulern», denen das
«Schooling» grundsätzlich suspekt ist, weil dies mit Schulung
zu tun hat. Also der Vermittlung eines heimlichen Lehrplanes, eines bestimmten
Gesellschaftssystems im Dienste derer, die gerade Macht im Staat haben. Geprägt
hatte den Begriff der ehemalige New Yorker Pfarrer Ivan Illich im Zuge der
68er-Bewegung in seinem 1971 erschienenen Buch «Deschooling Society», das wie «Summerhill» zur
reformpädagogischen Pflichtlektüre gehörte.
Wie auch
immer; eines gilt für alle: Die Kinder gehen aus unterschiedlichen Gründen
nicht in die Schule. Manchmal machen Krankheiten einen privaten Unterricht
nötig, ein nur vorübergehender Aufenthalt einer Familie in der Schweiz oder ein
längerer im Ausland. Über weitere Motive gibt es in der Schweiz einen
schlechten Überblick. Anders in den USA, wo das Homeschooling verbreitet ist.
Studien nennen an erster Stelle die grundsätzliche Schulkritik, religiöse Gründe
spielen eine grosse Rolle, ideologische, der Wunsch, das Kind vor schlechten
und vor allem fremden Einflüssen zu schützen. Die Eltern sind
überzeugt, ihren Kindern selber die beste Bildung zu vermitteln.
Nach dieser
Überzeugung können sie auch bei uns leben. Doch da Kindern das
verfassungsmässige Recht auf Bildung verbunden mit obligatorischem
Grundschulunterricht zusteht, haben die Kantone Qualitätsgarantien für den Heimunterricht zu leisten.
So verlangen
denn die meisten auch ein Lehrpatent, und beinahe überall ist ein Gesuch
erforderlich für Eltern, die ihre Kinder selber schulen. Lockerer nimmt es die
Westschweiz und ausserordentlich locker der Kanton Aargau. Da dürfen alle, die
über irgendeinen Lehrabschluss verfügen, ihre Kinder selber unterrichten. Sie
melden das zwei Wochen vor Schulbeginn und bekommen einmal im Jahr einen Besuch
der Behörde. An kantonalen Leistungschecks lässt man die Kinder nicht
teilhaben. Ich finde, das ist fahrlässig. Es
geht nicht um mehr Kontrolle, sondern um mehr Qualität in der Kontrolle.
Auch im
Interesse der Homeschooler, die sich oft über Vorurteile beklagen und über den
dreisten Eingriff des Staates in die elterlichen Rechte. Doch
was ist mit den Rechten der Kinder? An öffentlichen und privaten Schulen
haben Kinder immerhin verschiedene Anwälte, wenn sich Qualitätsprobleme
ergeben: Schulleiter, Eltern, Behörden, Schulkameraden. Kindern, die zu Hause
geschult werden, bleiben nur ihre Eltern, bei denen sie sich ja wohl kaum
wirkungsvoll über den Unterricht beklagen können.
Homeschooling
ist ein ausschliesslich
elterliches Bildungsprojekt, das
ich nicht zur Debatte stelle, doch das Kind selbst ist mehr als ein Projekt.
Seine Interessen stehen im Zentrum.
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