Die Baustellen des Bildungsdirektors, Basler Zeitung, 31.1. von Thomas Dähler
«Das Parlament kann alles wieder korrigieren»: Das war diese Woche
die Antwort des scheidenden Baselbieter Bildungsdirektors Urs Wüthrich auf die
Frage der BaZ, ob er in der verbleibenden Amtszeit noch möglichst viel
zementieren wolle. Es ist dies das pragmatische Geständnis, dass die
zahlreichen Baustellen im Bereich der Baselbieter Bildungspolitik das Resultat
eines tiefgreifenden Zerwürfnisses zwischen seiner Direktion und dem Landrat
sind. Besonders deutlich wurden die Meinungsverschiedenheiten bei der
Bildungsharmonisierung. Hier ist auch absehbar, dass Wüthrichs Nachfolger oder
Nachfolgerin manches anders umsetzen wird als heute vorgesehen. Denn wie auch
immer die Wahlen ausgehen: Es ist wahrscheinlich, dass die Bildungsdirektion
nicht unter SP-Führung bleibt.
Die
Sek als Baustelle Nummer 1
Weitgehend
offen ist heute, wie sich die Sekundarschule weiterentwickelt. Es zeichnet sich
jedoch ab, dass die weitgehende Gleichschaltung der verschiedenen Niveaus, wie
sie im Lehrplan 21 verankert ist, chancenlos bleibt. Selbst Wüthrich hat
im Falle der Sek pragmatisch agiert und den Zeithorizont für die Einführung
eines neuen Lehrplans vorerst durch den Bildungsrat auf das Schuljahr 2018/2019
verschieben lassen. Wahrscheinlich ist, dass es der neue Bildungsdirektor noch
weniger eilig haben wird. Die Sekundarschule im Baselbiet ist nicht so schlecht
aufgestellt, dass sie von heute auf morgen umgestaltet werden müsste. In der
Schweiz hat es heute einzig der Kanton Basel-Stadt eilig, wo es bisher gar
keine Sekundarschule gab.
Die
verbreiteten Vorbehalte dem Lehrplan 21 gegenüber könnten zum Anlass
genommen werden, die Lerninhalte zusammen mit den Nachbarkantonen Solothurn und
Aargau festzulegen, wo ebenfalls Initiativen gegen den Lehrplan 21 hängig
sind. Statt in den einzelnen Sekundarschulniveaus möglichst viel
gleichzuschalten, könnte die Einsicht wachsen, dass die bisherige differenzierte
Ausrichtung auf die verschiedenen beruflichen Ausbildungswege so falsch nicht
war. Die Wahrscheinlichkeit ist auch gross, dass die Parlamente oder die
Stimmberechtigten ihr Veto gegen die geplanten neuen Fächerzusammenlegungen
einlegen.
Ein
wichtiger Faktor ist zudem die Lehrerausbildung unter dem Dach der gemeinsamen
Fachhochschule Nordwestschweiz. Auch dies spricht für ein koordiniertes
Vorgehen der Nordwestschweizer Kantone. Nach wie vor möglich ist, dass sich
auch der Kanton Basel-Stadt einbinden lässt, der in den kommenden Jahren erste
Erfahrungen mit seiner neuen Sek sammeln wird.
Lehrplan
21 in der Primarschule
Von
keiner Seite mehr bestritten wird das System 6/3. Sechs Jahre Primarschule und
drei Jahre Sekundarschule sind definitiv Schweizer Standard. Ob es aber klug
war, im Baselbiet für die Primarschule den Lehrplan 21 bereits per sofort
für verbindlich zu erklären, wird sich weisen. Das Volk, das noch darüber
abstimmen wird, hat es normalerweise nicht gern, wenn die Politik schon vorher
vollendete Tatsachen schafft. Möglich bleibt allerdings, dass der Schnellschuss
Wüthrichs und seines Bildungsrats ohne grosse Auswirkungen bleibt – dann
nämlich, wenn der Lehrplan 21 von den Lehrkräften nur als vager Leitfaden
oder als blosser Ideengeber für etablierte Lerninhalte verwendet wird. Dasselbe
gilt auch für die aufgegleiste Integration des Kindergartens in die Volksschule.
Es muss sich erst weisen, ob von oben angeordnete Rezepte im Alltag stärker
sind als die gewachsene Tradition.
Nicht
nur Harmos
Umgesetzt
sind im Baselbiet auch Frühfranzösisch und Frühenglisch. Als Baustellen sind
die Fremdsprachen aber nach wie vor zu betrachten. Vermutlich wird erst, wenn
sich die Sprachkenntnisse der ersten Frühfremdsprachen-Jahrgänge messen lassen,
definitiv über die Zukunft der Frühfremdsprachen entschieden.
Der
Katalog angefangener oder geplanter Reformen allein im Bereich der Bildungsharmonisierung
ist umfangreich und anspruchsvoll. Ein neuer Bildungsdirektor dürfte vieles
überprüfen, bevor er munter auf den bestehenden Baustellen weiterarbeitet. Die
Bildungsharmonisierung ist zudem bei Weitem nicht die einzige Herausforderung.
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