31. Januar 2015

Wüthrichs Reformen

Urs Wüthrichs Nachfolger erbt einen umfangreichen Katalog von aufgegleisten Reformen.
Die Baustellen des Bildungsdirektors, Basler Zeitung, 31.1. von Thomas Dähler


«Das Parlament kann alles wieder korrigieren»: Das war diese Woche die Antwort des scheidenden Baselbieter Bildungsdirektors Urs Wüthrich auf die Frage der BaZ, ob er in der verbleibenden Amtszeit noch möglichst viel zementieren wolle. Es ist dies das pragmatische Geständnis, dass die zahlreichen Baustellen im Bereich der Baselbieter Bildungspolitik das Resultat eines tiefgreifenden Zerwürfnisses zwischen seiner Direktion und dem Landrat sind. Besonders deutlich wurden die Meinungsverschiedenheiten bei der Bildungsharmonisierung. Hier ist auch absehbar, dass Wüthrichs Nachfolger oder Nachfolgerin manches anders umsetzen wird als heute vorgesehen. Denn wie auch immer die Wahlen ausgehen: Es ist wahrscheinlich, dass die Bildungsdirektion nicht unter SP-Führung bleibt.
Die Sek als Baustelle Nummer 1
Weitgehend offen ist heute, wie sich die Sekundarschule weiterentwickelt. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die weitgehende Gleichschaltung der verschiedenen Niveaus, wie sie im Lehrplan 21 verankert ist, chancenlos bleibt. Selbst Wüthrich hat im Falle der Sek pragmatisch agiert und den Zeithorizont für die Einführung eines neuen Lehrplans vorerst durch den Bildungsrat auf das Schuljahr 2018/2019 verschieben lassen. Wahrscheinlich ist, dass es der neue Bildungsdirektor noch weniger eilig haben wird. Die Sekundarschule im Baselbiet ist nicht so schlecht aufgestellt, dass sie von heute auf morgen umgestaltet werden müsste. In der Schweiz hat es heute einzig der Kanton Basel-Stadt eilig, wo es bisher gar keine Sekundarschule gab.
Die verbreiteten Vorbehalte dem Lehrplan 21 gegenüber könnten zum Anlass genommen werden, die Lerninhalte zusammen mit den Nachbarkantonen Solothurn und Aargau festzulegen, wo ebenfalls Initiativen gegen den Lehrplan 21 hängig sind. Statt in den einzelnen Sekundarschulniveaus möglichst viel gleichzuschalten, könnte die Einsicht wachsen, dass die bisherige ­differenzierte Ausrichtung auf die ­verschiedenen beruflichen Ausbildungswege so falsch nicht war. Die Wahrscheinlichkeit ist auch gross, dass die Parlamente oder die Stimmberechtigten ihr Veto gegen die geplanten neuen Fächerzusammenlegungen einlegen.
Ein wichtiger Faktor ist zudem die Lehrerausbildung unter dem Dach der gemeinsamen Fachhochschule Nordwestschweiz. Auch dies spricht für ein koordiniertes Vorgehen der Nordwestschweizer Kantone. Nach wie vor ­möglich ist, dass sich auch der Kanton Basel-Stadt einbinden lässt, der in den kommenden Jahren erste Erfahrungen mit seiner neuen Sek sammeln wird.
Lehrplan 21 in der Primarschule
Von keiner Seite mehr bestritten wird das System 6/3. Sechs Jahre Primarschule und drei Jahre Sekundarschule sind definitiv Schweizer Standard. Ob es aber klug war, im Baselbiet für die Primarschule den Lehrplan 21 bereits per sofort für verbindlich zu erklären, wird sich weisen. Das Volk, das noch darüber abstimmen wird, hat es normalerweise nicht gern, wenn die Politik schon vorher vollendete Tatsachen schafft. Möglich bleibt allerdings, dass der Schnellschuss Wüthrichs und seines Bildungsrats ohne grosse Auswirkungen bleibt – dann nämlich, wenn der Lehrplan 21 von den Lehrkräften nur als vager Leitfaden oder als blosser Ideengeber für etablierte Lerninhalte verwendet wird. Dasselbe gilt auch für die aufgegleiste Integration des Kindergartens in die Volksschule. Es muss sich erst weisen, ob von oben angeordnete Rezepte im Alltag stärker sind als die gewachsene Tradition.
Nicht nur Harmos
Umgesetzt sind im Baselbiet auch Frühfranzösisch und Frühenglisch. Als Baustellen sind die Fremdsprachen aber nach wie vor zu betrachten. ­Vermutlich wird erst, wenn sich die Sprachkenntnisse der ersten Frühfremdsprachen-Jahrgänge messen lassen, definitiv über die Zukunft der ­Frühfremdsprachen entschieden.

Der Katalog angefangener oder geplanter Reformen allein im Bereich der Bildungsharmonisierung ist umfangreich und anspruchsvoll. Ein neuer Bildungsdirektor dürfte vieles überprüfen, bevor er munter auf den bestehenden Baustellen weiterarbeitet. Die Bildungsharmonisierung ist zudem bei Weitem nicht die einzige Herausforderung.

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