Die Kantone sind nicht verpflichtet, den LP21 zu übernehmen, Bild: Christian Beutler
Reifeprüfung für den Lehrplan, Thurgauer Zeitung, 19.1. von Marina Winder
Mit dem Lehrplan 21 liegt erstmals ein Werk vor,
das für alle Schulkinder der Deutschschweiz die gleichen Lernziele festlegt.
Das Vernehmlassungsverfahren, durch das ihn die Erziehungsdirektoren geschickt
haben, hat er relativ gut überstanden. Nun befindet sich die überarbeitete
Version des Lehrplans zur Umsetzung bei den Kantonen. Dort weht ihm aber ein
rauher Wind entgegen – der Lehrplan befindet sich damit erneut auf dem
Prüfstand.
Fast in der ganzen Deutschschweiz formiert sich
Widerstand gegen das Projekt. Die Gruppierungen setzen sich aus Politikern,
Lehrern und Eltern zusammen. Auf politischer Seite führen Vertreter von SVP,
EVP und EDU die Opposition an. Zumeist wollen sie das Volk oder zumindest die
Kantonsparlamente über den Lehrplan 21 abstimmen lassen. Noch ist es schwierig
abzuschätzen, welche Schlagkraft die Opposition gegen den neuen Lehrplan hat.
Erfolg für Initiativkomitees
Im Kanton Schwyz stimmt wohl das Stimmvolk ab: Die
Initiative «Nein zum Lehrplan 21» ist zustande gekommen. Erfolg hatte auch das
Initiativkomitee im Kanton Aargau. Noch vor Weihnachten hatte es 3000
Unterschriften beisammen. Im Kanton Baselland wird der Lehrplan 21 auf
Primarstufe zwar schon diesen Sommer eingeführt. Das Kantonsparlament will aber
die Entscheidungsbefugnis, wann und ob ein Lehrplan eingeführt wird, an sich
reissen. Es hat eine entsprechende Initiative überwiesen, die
Bildungskommission arbeitet nun eine Vorlage aus. Unterschriften gegen den
Lehrplan 21 werden zurzeit unter anderem auch in St. Gallen, Zürich oder
demnächst in Solothurn gesammelt.
Christian Amsler, Präsident der
deutschschweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK) und Schaffhauser
Regierungsrat, zeigt sich dennoch zuversichtlich: «Ich erlebe wesentlich mehr
Zustimmung zum Lehrplan als Kritik. Es liegt in der Natur der Sache und der
Zeit, dass die Kritiker lauter sind.»
Kantone sind nicht verpflichtet
Die Kantone sind nicht verpflichtet, den Lehrplan
21 zu übernehmen. Sie sind aber gemäss Bundesverfassung zur Harmonisierung von
Dauer und Zielen der Schulstufen verpflichtet. Das war auch ausschlaggebend
dafür, dass sich alle deutsch- und mehrsprachigen Kantone am Lehrplanprojekt
beteiligt haben. «Wenn sich einzelne Kantone für einen anderen Weg entscheiden,
ist damit das Harmonisierungsziel noch nicht in Frage gestellt», sagt Amsler.
Die damit verbundene zeitliche Verzögerung der Harmonisierung sei allerdings
«unschön». «Ich persönlich hatte deshalb keine Freude am Entscheid des Kantons
Aargau, die Einführung des Lehrplans 21 auf 2020 zu verschieben.»
Entscheidet sich ein Kanton tatsächlich gegen die
Einführung des Lehrplans 21, muss er gemäss D-EDK-Präsident Amsler sicherstellen,
dass die Ziele seines Lehrplanes «in den wesentlichen Teilen ähnlich sind wie
beim Lehrplan 21». Das kann mächtig ins Geld gehen. Bei einer guten Abstützung
in der Lehrerschaft und in der Fachwelt dürften die Kosten für einen Kanton
mittlerer Grösse mehrere Millionen betragen, schätzt Amsler. Das sei ein
weiterer Faktor gewesen, der für das gemeinsame Lehrplanprojekt gesprochen
habe: «In vielen Kantonen wären sowieso Neu- oder Fortschreibungen der
bestehenden Lehrpläne angestanden. In der Summe hätte das massiv mehr Kosten
nach sich gezogen. Alleingänge sind zu teuer.»
Lehrerausbildung anpassen
Die Behörden setzen unterdessen die Einführung des
Lehrplans in den Kantonen fort. Allen voran ist Basel-Stadt. Er will ab diesem
Sommer mit dem Unterricht nach dem neuen Lehrplan beginnen. Die meisten anderen
Kantone planen die Einführung zwei bis drei Jahre später.
Dazu müssen sie ihr Schulrecht anpassen, dieses
regelt zum Beispiel die Stundentafeln, Zeugnisse und Übertritte. Ebenfalls
anpassen müssen sie kantonsspezifische Teile, die Lehrmittel sowie die
Grundausbildung der Lehrer. Als kurzfristige Massnahme sind auch Informationen
und Weiterbildungen für diese notwendig.
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