Bis Mitte Februar werden die Sechstklässler den Schulhäusern zugewiesen, Bild: Nils Fisch
Generation Harmos kommt in die Sekundarschule, Tageswoche, 27.1. von Jasmin Schraner
Die Bildungsreform des Kantons Basel-Stadt zur Schulharmonisierung schreitet
voran. In diesem Jahr ist die neue Sekundarschule an der Reihe. Die ersten
Schülerinnen und Schüler – die bereits sechs Jahre Primarschule hinter sich
haben – treten in die Sekundarschule über.
Die Vorbereitungen laufen, die Schulhausstandorte stehen fest: Bis Mitte Februar sollen
die Kinder und ihre Erziehungsberechtigten drei bevorzugte Schulhäuser angeben.
Eine rein pragmatische Entscheidung je nach Wohnort? Nicht nur. Je nach
Standort wird mit verschiedenen Konzepten gearbeitet.
Doch zuerst von vorn: Was hat es mit der neuen Schule auf sich?
Die elf obligatorischen Volksschuljahre führen in Zukunft nur noch über
den Kindergarten, die Primar- und Sekundarschule. Die Bildungsreform opfert
dafür zwei bisherige Schulen: die Orientierungsschule
(OS) und die Weiterbildungsschule
(WBS) mit ihren zwei Leistungszügen. Ausserdem wird das Gymnasium um ein Jahr verkürzt.
Der Übergang zum neuen Schulsystem verläuft fliessend: 2015 verschwindet
die OS endgültig, 2017 die WBS.
Drei Leistungszüge unter einem Dach
Die neue Sekundarschule umfasst drei Leistungszüge, die alle im gleichen
Schulhaus besucht werden. In welchen der drei Leistungszüge die Schüler
eingeteilt werden, entscheiden die Noten des letzten Primarschuljahres. Zur
Auswahl stehen drei Züge:
·
Leistungszug A für allgemeine Anforderungen
·
Leistungszug E für erweiterte Anforderungen
·
Leistungszug P für hohe Anforderungen.
Bis jetzt besuchten die Schüler die WBS oder das Gymnasium in
unterschiedlichen Schulhäusern. Man teilte sich vielleicht den Pausenplatz,
hatte aber sonst wenig miteinander zu tun.
Das wird sich ändern – auch im Sinne des sozialen Zusammenhalts der
Schülerinnen und Schüler. «Es ist ein grosser Vorteil, dass der P-Zug im
gleichen Schulhaus wie die andern ist. Das wird sicher abfärben», sagt Dieter
Baur, Leiter Volksschulen Basel-Stadt.
Die Leistungszüge unterscheiden sich derweilen in ihrer Klassengrösse.
Während der P-Zug ein Maximum von 25 Schülerinnen und Schülern zulässt, sind es
im E-Zug 23 und im A-Zug nur 16 Schüler.
Die Aufteilung in drei Leistungsniveaus ist kein starres System. «Der
Wechsel in einen anderen Leistungszug ist deutlich einfacher als früher –
sofern natürlich die Leistung stimmt», sagt Baur. Erbringt eine Schülerin aus
dem E-Zug also Leistungen, die dem Niveau des P-Zugs entsprechen, kann sie
einfach wechseln – und erst noch im gleichen Schulhaus bleiben. Dasselbe gilt
auch für die Umstufung in ein tieferes Niveau.
In allen drei Leistungszügen soll überdies die Berufsorientierung
stärker vermittelt werden. Davon werden insbesondere auch die Schüler des
P-Zuges profitieren, ist Dieter Baur überzeugt: Sie sollen in Zukunft mehr
Informationen über Berufslehren erhalten, als dies bis anhin im Gymnasium der
Fall war.
Zehn Standorte, eine Erfahrungsschule
Zehn verschiedene Sekundarschulen sind über die Stadt verteilt, einige befinden sich derzeit noch im Um- oder Neubau. «In den
Schulhäusern müssen zwingend alle Leistungszüge vertreten sein, nur so können
wir die Durchlässigkeit am Standort garantieren», erklärt Baur. Deshalb
könne die Volksschulleitung nicht zusichern, dass das Kind tatsächlich am
gewünschten Standort eingeteilt werde. Die Erziehungsberechtigten dürfen also
drei Standorte wünschen, haben aber keine Garantie. Auf die Volksschulleitung
wird damit eine Menge Arbeit zukommen, zumal auch für sie die Zuteilung in die
Sekundarschule Neuland ist.
Manche Schulleitungen haben die Gunst der Stunde genutzt und wollen in
der Sekundarschule neue Konzepte ausprobieren. Am deutlichsten zeigt sich dies
im Sandgruben-Schulhaus, wo das Modell der Erfahrungsschule
umgesetzt werden soll. Der Unterricht findet hier jahrgangsübergreifend in
grossen Lernateliers statt. Für eine staatliche Schule ist ein solches Konzept,
das sich in gewissen Privatschulen bewährt hat, eigentlich nicht vorgesehen,
weshalb die Schulleitung dafür eine Sondergenehmigung einholte.
Selbstständiges Arbeiten wird gefördert
Auch in anderen Schulhäusern werde mit ähnlichen Konzepten gearbeitet,
sagt Baur. «Alle Standorte haben ihre spezifischen Eigenheiten.» Für die
gesamte Sekundarschule gilt aber, dass das selbstständige Lernen der Schüler
gefördert wird – etwa in Form von grossen Lernateliers, in denen die Schüler
ihren eigenen Arbeitsplatz haben. Oder in sogenannten plus-Klassen: Hier findet
der Unterricht in Phasen statt, in welchen jeweils eine kleine Auswahl an
Fächern gelehrt wird, dafür umso intensiver.
Neu kommen Leistungschecks auf die Schülerinnen und Schüler zu – und
zwar nicht nur auf der Sekundarstufe, sondern auch in der Primarschule. Die
Tests sind mit den Kantonen Basel-Landschaft, Aargau und Solothurn abgestimmt
und erlauben damit über die Kantonsgrenzen hinaus vergleichbare Aussagen über
eine Klasse oder ein Schulhaus.
Die Ergebnisse werden mit Punktezahlen und nicht mit Noten ausgewiesen.
Eine externe Instanz wertet sie aus. Die Anonymität der Ergebnisse soll einen
Wettbewerb verhindern: Das wurde
bereits als Farce kritisiert.
Für Baur ist diese Kritik aber nicht angebracht: «Wir wehren uns
vehement gegen Ratings.» Die Checks sollen lediglich zur gezielten Förderung
und Weiterentwicklung des Unterrichts dienen. Eine Ausnahme bilden die zwei
Checks in der Sekundarschule, die im Abschlusszertifikat kommuniziert
werden.
Kampf um Kunstfächer
Stark kritisiert wurde in den letzten Jahren auch der neue
Lehrplan 21. Auf Sekundarstufe sorgte insbesondere die Rolle der
Kunstfächer für Ärger. Nachdem es künftig keine Klassen mit erweitertem
Musikunterricht mehr geben wird, haben die Musik- und Kunstfächer eine
Abwertung erfahren. So sehen es zumindest die betroffenen Lehrpersonen.
In den letzten beiden Sekundarschuljahren sind die Fächer Musik,
Bildnerisches Gestalten, Technisches- und Textiles Gestalten keine
Pflichtfächer mehr, sondern nur noch Wahlpflichtfächer. Zudem hat der P-Zug
nicht dieselben Wahlfreiheiten wie die anderen beiden Züge. Wegen dieser
«Diskriminierung der musischen Fächer», wie die Kritiker klagen, wurde die
Unterschriftensammlung für die «Initiative für eine freie Wahl aller Wahlpflichtfächer in der
Sekundarschule» lanciert. Im April läuft die Sammelfrist aus.
Länger schlafen
Während ein Teil der Lehrerschaft der Bildungsreform kritisch
gegenübersteht, sehen andere Lehrerinnen und Lehrer auch eine grosse Chance in
der Tatsache, dass neue Lernkonzepte verwirklicht werden können. Auf eines
dürfen sich die Schüler aber auf jeden Fall freuen: Sie können künftig am
Morgen 20 Minuten länger schlafen. Die Sekundarschule
wird erst um acht Uhr beginnen – was sich gemäss einer Studie der Universität Basel erst noch positiv auf die
Schulleistungen auswirken dürfte.
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