Das gibts wohl nur bei Lehrern: Keine Pensenanpassung seit 150 Jahren, Bild: IMAGO
100% Lehrer? Kaum mehr möglich, SRF, 9.12. von Rafael von Matt
Studienautor
Charles Landert bringt das wichtigste Resultat der Umfrage auf den Punkt: «Die
Lehrer haben zu wenig Zeit, das zu tun, was man ihnen als Auftrag mit auf den
Weg gibt.» Der Sozialwissenschaftler hat die Befragung im Auftrag des
Lehrerverbandes zum vierten Mal durchgeführt.
Noch nie hätten sich so viele Lehrer
daran beteiligt, sagt Landert. «Jetzt, mit der Datenbasis von 15‘000
Lehrerinnen und Lehrern und 68 Aspekten des Lehrberufes, die wir abgefragt
haben, haben wir über eine solide Datenbasis verfügen können für unsere
Auswertung.» Die Studie zeigt, dass die Belastung der Lehrer zugenommen hat –
durch mehr Büroarbeit, mehr Elterngespräche, durch die Integration von
fremdsprachigen Kindern und solchen mit Lernschwierigkeiten.
29 Lektionen pro Woche sind zu viel
Beat Zemp, den Präsidenten des
Schweizerischen Lehrerverbandes, zieht eine klare Erkenntnis daraus: «Wir
stellen fest, dass ein Vollpensum je länger je mehr nicht mehr lebbar ist. Ganz
viele Lehrer reduzieren ihr Pensum auf 80 Prozent oder noch weniger, weil sonst
die Belastung viel zu hoch ist.»
Ganze 70
Prozent der Lehrer würden heute Teilzeit arbeiten. Laut Studienautor Landert
hat Teilzeitarbeit aber auch negative Folgen: «Es gibt natürlich mehr Aufwand
im Team. Vor allem im organisatorischen Bereich hat das Konsequenzen.»
Ausserdem sinkt der Lohn. Der Lehrerverband fordert deshalb, dass die Zahl der
Wochenstunden gesenkt werden müsse.
Heute sind gemäss Zemp für
Volksschullehrer 27 bis 29 Lektionen üblich: «Die Hauptforderung ist daher
mittelfristig, das Pensum auf 26 Lektionen herunterzufahren. Die zweite ist die
Lohnentwicklung, weil diese in den letzten 20 Jahren einfach nicht Schritt
gehalten hat mit der Lohnentwicklung in anderen Berufen.»
Zemp: «Pflichtpensen unter Heimatschutz»
Zemp begründet die Forderung auch mit
dem Blick auf die Geschichte: «Man kann sagen, dass die Pflichtpensen unter
Heimatschutz stehen. Seit 150 Jahren haben sie sich nicht verändert. Es ist
wahrscheinlich der einzige
Gleich viele Lektionen wie vor 150
Jahren – dabei seien inzwischen viele neue Aufgaben dazugekommen, so Zemp.
Deshalb fordert sein Verband nun weniger Lektionen und mehr Lohn. Aber ist
diese Forderung auch gerechtfertigt?
Die Lehrer würden nicht jammern, sagt
Landert: «Das Jammern ist ein Bild, das über Jahrzehnte fortgepflanzt wird.
Aber es trifft nicht die Realität in der Schule.»
Nun bleibt abzuwarten, wie die
Forderungen der Lehrer in Zeiten, in denen alle Kantone sparen, politisch
ankommen. Der Verbandspräsident ist zuversichtlich: «Ich denke, das Geld für
die nächsten zwei Jahre ist nicht vorhanden. Aber wir haben ja eine Langzeitperspektive.»
Er rechne damit, dass die Schweiz genügend Ressourcen für die Lehrpersonen und
Schüler bereitstellen wird, wenn es darum geht, die Bildung gut zu halten –
«denn das ist die wichtigste Ressource in der Schweiz».
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen