"Dies wird mittelfristig zu einer Bildungsinsel führen", Basellandschaftliche Zeitung, 20.12. von Michael Nittnaus
Herr Bammatter, eine klare Mehrheit von Landrat und
Bildungskommission unterstützt die parlamentarische Initiative gegen
Sammelfächer von Jürg Wiedemann. Es ist von Bildungsabbau und Mehrkosten die
Rede. Weshalb halten SP und Regierung als einzige Sammelfächer für sinnvoll?
Andreas
Bammatter: Sammelfächer sind ein neues Gefäss für die
Wissensvermittlung. Mit dem Vorteil, dass ein Thema vielseitig und ganzheitlich
gelehrt wird. So kann etwa das Thema «Gotthard» geschichtlich, geografisch und
bezüglich Flora und Fauna vermittelt werden. Bildungsabbau ist dann ein Thema,
wenn eine Lehrperson auf ein Sammelfach nicht genügend vorbereitet wurde. Die
SP ist nicht allein, auch der Schweizer Lehrerverband stellt sich hinter den
Lehrplan 21, wünscht jedoch Anpassungen, die auch umgesetzt werden. Daran beteiligen
sich die Bildungspolitiker der Baselbieter SP aktiv.
Was für negative Auswirkungen erwarten Sie, wenn
Baselland an den Einzelfächern festhält?
Grundsätzlich
ist der neue Lehrplan von 21 Kantonen gewünscht worden. Dass nun jetzt bei der
Einführung Anpassungen nötig sind, verstehe ich sehr gut. Nicht goutieren kann
ich, dass nun unser Kanton – mit dem Grünen Allschwiler Sekundarlehrer
Wiedemann an der Spitze – auch aus politischen Gründen an den Einzelfächern
festhalten will. Dies wird mittelfristig zu einer Bildungsinsel führen. Die
Kosten der Ausbildungen und der Lehrmittel werden sich im Vergleich zur
restlichen Schweiz vermehren. Weiter würde der funktionale Raum Nordwestschweiz
aufgebrochen, was bei Ortswechseln grosse Herausforderungen für die Schüler
(Lernstoff) und Lehrer (Lehramtsausführung) bedeutet.
In anderen Kantonen der Nordwestschweiz bauen sich
ähnliche Widerstände gegen die Sammelfächer auf. Sollte man diesen Entscheid am
Ende nicht jedem Kanton selbst überlassen?
Bei
Schulübertritten in andere Kantone wäre der Einstieg für Schülerinnen und
Schüler viel komplizierter, wenn jeder seine eigene Suppe kochen würde. Das
kennen wir doch schon mit den heutigen Systemen in beiden Basel und mit dem
Aargau.
Verstehen Sie die Sorgen der Lehrer, dass in einem
Sammelfach die Unterfächer weniger tief gehend behandelt und die Lehrer so zu
Generalisten degradiert werden?
Natürlich birgt
eine Weiterentwicklung immer die Gefahr, dass bewährte Strukturen verloren
gehen und damit wichtige Elemente verschwinden. Veränderungsprozesse sind immer
mit Ängsten verbunden. Es ist darum an den Verantwortlichen aufzuzeigen, dass
die Neuerungen uns gesellschaftlich weiterbringen. Dies kann durch sinnvolle
Anpassung der Schulorganisation geschehen, indem etwa die heutigen oft zu
kleinen Zeitgefässe verschwinden. Ebenso sind weniger Lehrpersonen pro Klasse
im Einsatz.
Würde der Lehrplan 21 für Sie durch den Verzicht
auf Sammelfächer schlicht zu stark verwässert?
Sammelfächer,
also der Fachbereichsunterricht, sind eine grosse Chance,
lebensweltlich-thematische Zugänge zu erleichtern. Es macht eben durchaus Sinn
aufzuzeigen, dass politische Entscheide, wie etwa der Wiener Kongress,
bedeutende Auswirkungen auf die Geografie Europas – und sogar auf Allschwil –
hatten.
Wie schätzen Sie die Chancen der Initiative an der
Urne ein und plant die SP eine Kampagne, um die Sammelfächer zu retten?
Es ist an allen
Beteiligten zu zeigen, dass eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema
Sammelfächer Risiken birgt, aber auch die Chance besteht, uns
weiterzuentwickeln. So können wir dem wachsenden Bedürfnis nach vernetzten
Kompetenzen begegnen.
Dieses
Interview wurde schriftlich geführt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen