Mit bloss zwei Lehrkräften pro Klasse soll die Beziehung zur Lehrperson gestärkt werden, Bild: Keystone
Schulen begegnen dem Zwei-Lehrer-Versuch mit grosser Skepsis, Landbote, 4.12. von Mirjam Fonti
Unterrichten
weniger Lehrpersonen an einer Klasse, soll eine bessere
Lehrer-Schüler-Beziehung möglich werden. Dies hoffen zumindest die Initianten
des Schulversuchs «Fokus starke Lernbeziehungen». Der Versuch will, dass
höchstens zwei Lehrpersonen pro Klasse unterrichten. Klassenlehrer finden in
ihrem Pflichtenheft also zusätzlich integrative Förderung (IF), Deutsch als
Zweitsprache oder Begabtenförderung. Dafür führen sie die Klasse zu
zweit.
Der Versuch wurde den
Winterthurer Lehrerinnen der Kindergarten- und Primarschulstufe unter anderem
im April 2013 vorgestellt. Stadtrat Stefan Fritschi (FDP) äusserte damals den
Wunsch, dass ab August 2014 vier bis sieben Schulhäuser an dem Versuch
mitmachen. Kantonsweit wollte man innert dreier Jahre mindestens 200 Klassen
für den Versuch gewinnen.
Kaum
Freiwillige
Da ein Versuch nur Sinn macht,
wenn er vom Lehrerteam unterstützt wird, hat man gemäss Fritschi keine Klassen
zum Mitmachen verknurrt. Die Teilnahme sollte freiwillig sein. Doch in
Winterthur war das Interesse gering. In der ersten Staffel mit Start Sommer
2013 nahmen gar keine Klassen teil. Für die zweite Staffel meldete sich immerhin
die Primarschule Lind (siehe Kasten). Und für die dritte Staffel mit Start im
nächsten Sommer gab es wiederum keine Interessenten aus Winterthur.
Kleinpensen
unerwünscht
Stadtrat Stefan Fritschi macht
auf Anfrage keinen Hehl daraus, dass er enttäuscht ist über das geringe
Interesse: «Ich bin vom Versuch überzeugt und sehe einen klaren pädagogischen
Mehrwert. Es ist erwiesen, dass die Beziehung zur Lehrperson einer der
wichtigsten Erfolgsfaktoren für Kinder ist.» Auf der anderen Seite habe er
Verständnis für die Schulen: «In vielen Teams arbeiten Teilzeitangestellte
mit Kleinpensen. Für diese ist im Versuchsmodell kein Platz mehr.» Es entstehe
ein Interessenkonflikt zwischen der Lebensgestaltung der Lehrkräfte und den
Bedürfnissen der Kinder. Auch viele Heilpädagogen zeigen sich vom Versuch wenig
begeistert. Sie sind künftig nicht mehr in den Klassen, sondern übernehmen vor
allem eine beratende Funktion für die Lehrpersonen. Oder sie werden trotz
Spezialausbildung hauptsächlich als Lehrer eingesetzt. Fritschi bestreitet
jedoch, dass es bei dem Versuch darum geht, zu sparen: «Es gibt wie bisher 130
bis 160 Stellenprozente pro Klasse, sie werden einfach auf weniger Köpfe
verteilt.»
Nicht nur in Winterthur ist das
Interesse am Versuch kleiner als erhofft. Bei den ersten beiden Staffeln nahmen
im Kanton Zürich bislang erst 109 Klassen teil. Ob das Ziel von 200 Klassen im
dritten Jahr noch erreicht werden kann, ist fraglich. Die bereits abgelaufene
Anmeldefrist wurde bis Mitte Januar verlängert. Gemäss Martin Wendelspiess,
Chef des Volksschulamts, hätten vor allem die Städte Zürich und Winterthur mit
einer höheren Beteiligung ihrer Schulen gerechnet.

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