1. Dezember 2014

Klassengrösse ist nicht das Problem

Die Zahlen sprechen für sich: Von den 6734 Volksschulklassen im Kanton Zürich zählten im letzten Schuljahr 56 Prozent 20 und weniger Schüler, 83 Prozent kamen auf maximal 22 Schüler. Nur gerade 125 Klassen konnte man mit 26 oder mehr Kindern als gross bezeichnen. Ganz offensichtlich haben die Zürcher Stimmberechtigten die Ansicht und die Erfahrung geteilt, dass es nicht primär die Klassengrösse ist, die zu mitunter schwierigen Situationen in einzelnen Klassen der Volksschule führt. Es bedurfte nicht einmal einer nennenswerten Kampagne, um ein Nein zur Initiative zu erreichen. Dass keine einzige Gemeinde der Klassengrössen-Initiative zugestimmt hat, darf durchaus auch als Leistungsausweis der öffentlichen Schule gewertet werden, die in der Regel Mittel und Wege findet, um mit den heutigen pädagogischen und gesellschaftlichen Herausforderungen zurande zu kommen.
Kein Leidensdruck, NZZ, 1.12. Kommentar von Walter Bernet


Es ist das Verdienst der Schulreformen, dass die einzelnen Schulen und ihre Leitungen handlungsfähiger geworden sind, wenn es darum geht, die eigenen und allfällige zusätzliche Ressourcen dort einzusetzen, wo sie wirklich nötig sind. Natürlich sind diese Ressourcen begrenzt; die finanziellen Mittel von Staat und Gemeinden sind es auch. Mit dem Ja zum Gegenvorschlag des Kantonsrats, der rund 100 zusätzliche Stellen in einem bereits mit 160 Stellen dotierten Pool schafft, welcher den Schulgemeinden für verschiedene Problemsituationen zur Verfügung steht, vergrössert der Souverän diesen Handlungsspielraum minim. Offensichtlich sind die Stimmbürger nach wie vor bereit, in die Schulqualität zu investieren, wenn die Mittel für gezielte Verbesserungen eingesetzt und nicht einfach mit der Giesskanne verteilt werden. Fraglich ist allerdings, ob diese 100 Stellen tatsächlich nötig sind. Es ist nicht bekannt, dass der bestehende Pool bisher über Gebühr beansprucht worden wäre.

Die Klassengrössen-Initiative ist ausser von EVP, SP und AL von keiner politischen Partei unterstützt worden. Auch die Schulpflegepräsidenten lehnten sie ab. Nur die organisierte Lehrerschaft trat - halbherzig - für sie ein, weil sie als eine der wenigen Möglichkeiten betrachtet wurde, die objektiv stark beanspruchte Lehrerschaft spürbar zu entlasten. Das Ergebnis zeigt, dass das Volk nicht bereit ist, für eine solche Entlastung in grösserem Umfang zusätzliche finanzielle Mittel bereitzustellen.

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