Anstoss zur Initiative gab der sogenannte "Sex-Koffer", Bild: Keystone
Bundesrat will Sexualkundeunterricht nicht regeln, Tages Anzeiger, 28.11.
Wie an den Schulen Sexualkundeunterricht erteilt wird, soll weiterhin Sache der Kantone sein. Eine Volksinitiative, die Vorschriften zum Aufklärungsunterricht in der Verfassung verankern will, empfiehlt der Bundesrat ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung.
Er überwies die
Botschaft zur Initiative «Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und
Primarschule» ans Parlament. «Aus übergeordnetem Interesse am Kindeswohl»
empfiehlt die Regierung, das Volksbegehren abzulehnen. Die Initianten handelten
«unverantwortlich», heisst es in den Schlussfolgerungen der Botschaft.
Eine Annahme der
Volksinitiative würde die Prävention behindern und die Chancengleichheit der
Schülerinnen und Schüler vermindern, schreibt die Regierung in der Botschaft.
Ein generelles Verbot eines obligatorischen Sexualkundeunterrichts wäre mit dem
Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf besonderen Schutz ihrer
Unversehrtheit nicht vereinbar.
Verbot
für Unter-12-Jährige
Die Initiative «Schutz
vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule» verlangt namentlich, dass
erst über 12-jährige Kinder obligatorisch über menschliche Fortpflanzung und
Entwicklung unterrichtet werden dürfen. Zwischen dem neunten und dem zwölften
Altersjahr könnte Sexualkundeunterricht freiwillig angeboten werden.
Für jüngere Kinder wäre
Sexualkundeunterricht gemäss der von rechtskonservativen Kreisen lancierten
Initiative verboten. Prävention gegen Kindesmissbrauch dürfte auch in
Kindergärten und in den untersten zwei Primarklassen angeboten werden, aber
ohne dass Sexualkunde zur Sprache kommt.
Unterricht
schützt Kinder
Der Bundesrat hält in
der Botschaft fest, dass bereits heute im Kindergarten und bis gegen Ende der
Primarschule kein obligatorischer Sexualkundeunterricht und keine Aufklärung im
eigentlichen Sinne stattfinde. «Die Sexualerziehung der Kinder und Jugendlichen
liegt in der primären Verantwortung der Eltern.» Daran solle sich auch in
Zukunft nichts ändern.
Gegen Ende der
Primarschule allerdings sind schulische Präventionsmassnahmen und ein
Sexualkundeunterricht aus Sicht des Bundesrats unverzichtbar. «Sie schützen
Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt, vor sexuell übertragbaren
Krankheiten und unerwünschten Schwangerschaften.» Zudem profitierten vom
Unterricht alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer Situation im
Elternhaus.
Zudem obliege die
Volksschule der Kompetenz der Kantone und Gemeinden. Diese nähmen die Bedenken
gegen einen nicht altersgerechten Sexualkundeunterricht ernst. Die Initiative
bekämpfe Ziele, die weder von den Bildungsbehörden noch von den Schulen
angestrebt würden.
Sex-Koffer
als Anstoss für Initiative
Einen Anstoss zu der
Ende 2013 eingereichten Initiative gab der so genannte Basler Sex-Koffer mit
Aufklärungsmaterial, der 2011 in die Schlagzeilen gekommen war. Dem Bundesamt
für Gesundheit (BAG) werfen die Initianten zudem vor, unter dem Vorwand der
Aidsprävention Sexualkundeunterricht für kleine Kinder forcieren zu wollen.
Der Bundesrat bezeichnet
die Annahme der Initianten, es würde obligatorischer Sexualkundeunterricht
bereits im Kindergarten eingeführt, als «Irrtum».
Zustande kam das
Volksbegehren indes erst im zweiten Anlauf. Die Unterschriftensammlung zu einer
ersten Initiative gleichen Inhalts wurde eingestellt, nachdem bekannt geworden
war, dass ein Mitinitiant einige Jahre zuvor wegen Kindsmissbrauchs verurteilt
worden war. In der Folge zog sich dieser aus dem Initiativkomitee zurück. Das
Komitee startete die Unterschriftensammlung in leicht geänderter
Zusammensetzung ein zweites Mal.

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