Kommt
mit seinen Gaben.
Möcht’
ich gerne haben.
Hoffmann von
Fallersleben (1798–1874)
Die Kritik am Lehrplan 21 wird lauter, Basler Zeitung, 6.11. von Thomas Dähler
Von Woche zu Woche verstärkt sich die Kritik am Lehrplan 21
für die Deutschschweizer Volksschule. Dabei ist noch nicht einmal klar, was
genau in dem Kompetenzenverzeichnis steht. Gespannt wartet deshalb auch das
Baselbiet darauf, was bei der Überarbeitung des Lehrplans 21 herauskommt:
Morgen Freitag wird die Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz den
Schleier lüften. In Zürich wird das Werk vorgestellt, das die Volksschulen
verändern soll. «Jeder Kanton der Deutschschweiz bleibt frei, ob und wie er den
Lehrplan 21 anwendet», diktierte zwar kürzlich Hans Ambühl,
Generalsekretär der Erziehungsdirektorenkonferenz, der NZZ. Doch
selbst wenn einzelne Kantone den Lehrplan 21 nicht einführen sollten, sind sie
verpflichtet, die mit dem Lehrplan 21 angestrebten Harmonisierungsziele zu
erfüllen, wie dies der Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung festlegt.
Schon
vor dem morgigen Freitag steht allerdings fest, dass der viel kritisierte Kern
des Lehrplans 21 von den Erziehungsdirektoren nicht infrage gestellt wird: Der
Lehrplan 21 legt Kompetenzen fest, die die Schülerinnen und Schüler in der
Schweiz erfüllen sollen, nicht aber das Wissen, das sie sich dazu aneignen
können. Die Erziehungsdirektoren der 21 Deutschschweizer Kantone haben den Rahmen
der Überarbeitung begrenzt: Gegenüber dem Entwurf soll der Lehrplan um
20 Prozent gekürzt werden. Statt Mindestansprüche sollen Grundansprüche
formuliert werden. Die Kompetenzen sollen weniger detailliert festgelegt, die
Anforderungen in einigen Bereichen gesenkt und Einstellungen den Schülerinnen
und Schülern nicht aufgezwungen werden.
Widerstand
in vielen Kantonen
Im
Kanton Baselland kann davon ausgegangen werden, dass es zu Volksabstimmungen
über den Lehrplan 21 kommt. Der Landrat hat zwei Parlamentarischen Initiativen
zugestimmt, mit denen die Kompetenz zur Einführung dem Parlament übertragen und
die Einführung von Sammelfächern anstelle traditioneller Fächer wie Geografie,
Geschichte oder Chemie verhindert wird. Ausserdem ist inzwischen die Volksinitiative
der Starken Schule Baselland für den Austritt aus dem Harmos-Konkordat
eingereicht. Der Widerstand gegen das Kompetenzenverzeichnis des Lehrplans im
Kanton Baselland ist nicht aussergewöhnlich. In zahlreichen anderen Kantonen
wehren sich Lehrkräfte oder politische Komitees gegen das Regelwerk. In den
nächsten Jahren werden vielerorts dank den lancierten Initiativen
Volksabstimmungen anstehen.
Speziell
im Kanton Baselland ist die Polarisierung: Die SP profiliert sich als Anwältin
des Lehrplans und verteidigt diesen schon heute gegen alle Widerstände. Im
Landrat stellte sich die SP-Fraktion bisher stets geschlossen zusammen mit
ihrem Bildungsdirektor Urs Wüthrich hinter den Lehrplan 21. Diese Links-rechts-Polarisierung
ist in den meisten anderen Kantonen weniger ausgeprägt.
Widerstand
auch aus der SP
Auch
mehrere prominente Sozialdemokraten greifen den Lehrplan 21 frontal an.
Unter den Kritikern der ersten Stunde war bereits der Basler SP-Grossrat Daniel
Goepfert, Mitglied der Gruppierung 550 gegen 550, die das heutige, erfolgreiche
Schulsystem gegen die Reformpläne verteidigt. «In der Schule sollten
Sachverhalte geklärt, nicht bequatscht werden», zitiert die Gruppierung den
Basler SP-Grossrat. Letzte Woche hat SP-Ständerätin Anita Fetz nachgedoppelt: «Harmos
in der heutigen Form ist gescheitert», schreibt die Baslerin in der
Wochenzeitung Die
Zeit. Das Fuder sei mit der Kompetenzausrichtung und mit viel
bürokratischem Fleiss überladen worden. Fetz fordert «weniger
pseudopädagogische Reformen und weniger Projektitis» und wendet sich «gegen
Benchmarking-Gleichmacherei und andere der Wirtschaft abgeschaute Instrumente».
Mit
Benedikt Weibel hat auch ein anderer prominenter Sozialdemokrat den Lehrplan 21
kritisiert. Unter dem Titel «Bildungspolitik auf Abwegen» kritisierte der
frühere CEO der SBB in der Zeitung Schweiz am Sonntag die
Abkehr von der Wissensvermittlung. Wissen sei entscheidend, schreibt Weibel und
bedauert die bereits heute feststellbaren eklatanten Wissenslücken bei
Studierenden. Er könne nicht folgen, wenn er im Lehrplan 21 etwa lese,
Schülerinnen und Schüler müssten «ihr Leseverhalten und ihr Leseinteresse
reflektieren».
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