6. November 2014

Politik soll Geld für Reformen schütten

Lehrplan 21, Harmos, geleitete Schulen, Fremdsprachenunterricht in der Primarschule, Individualisierung - nur schon diese wenigen Baustellen zeigen: Unsere Schulen kommen nicht zur Ruhe. Forderungen von links bis rechts, unterschiedliche Vorstellungen, was denn nun wichtige Lernziele sind, wie eine gute Schule aussieht oder welche Aufgaben Lehrpersonen zu übernehmen haben, prägen die Diskussion. Das ist gut so. Schule ist ein öffentliches Gut, die Qualität des Bildungswesens ist sowohl für die Entwicklung der jungen Menschen wie auch für die Gesellschaft und die Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung. Es ist daher notwendig, die Eckwerte unseres Bildungswesens intensiv und öffentlich zu diskutieren. Besser werden ist nicht nur ein Ziel für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für Lehrpersonen und Schulen.

Verwirrung rund um die Grossbaustelle Schule, Bild: haertle.de

Grossbaustelle Schule, NZZ, 6.11. von Katharina Maag Merki

Schulen sind aber keine Selbstläufer. Schulen können die an sie gestellten komplexen und oftmals auch widersprüchlichen Aufgaben nur dann erfolgreich realisieren, wenn bestimmte interne und externe Voraussetzungen und Rahmenbedingungen erfüllt sind. Zudem zeigen viele Studien im In- und Ausland: Eine erfolgreiche und nachhaltige Entwicklung von Schulen erfordert ein optimales Zusammenspiel zwischen Politik und Praxis. Nicht ein einziger Faktor ist zentral, sondern die Kombination vieler Faktoren. Welches sind nun die wichtigsten Faktoren, die durch die Bildungsforschung gut belegt sind? Zum einen zeigen viele Studien, dass erfolgreiche Schulen einen starken Fokus auf den Unterricht und die Unterrichtsentwicklung sowie auf das Lernen der Schüler legen. Damit dies möglich ist, braucht es ein unterstützendes und wertschätzendes Schul- und Klassenklima, das auch die Partizipation durch die Schüler und Eltern einschliesst. Ebenso zentral ist eine enge und auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit zwischen Schulleitung und Lehr- und Fachpersonen, wobei die Schulleitung insbesondere darauf bedacht sein sollte, die Lehr- und Fachpersonen in ihrem Kerngeschäft, dem Unterrichten und Fördern von Kindern, zu unterstützen. Dazu gehören eine regelmässige Analyse der eigenen Stärken und das Identifizieren von Verbesserungspotenzial, das Festlegen gemeinsamer Strategien für die Unterrichts- und Schulgestaltung sowie das Suchen nach den besten Lösungen vor Ort und das Schritt-für-Schritt-Verfolgen dieser Strategien. Hierzu müssen die Rahmenbedingungen stimmen.
Zu den bedeutsamen schulexternen Faktoren zählen zum andern sodann eine kompetente externe Unterstützung und Beratung durch Fachpersonen sowie finanzielle Ressourcen. Diese Unterstützungen sind vor allem auch für Schulen wesentlich, die besondere Herausforderungen zu bewältigen haben, etwa, weil sie viele Kinder mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Familien unterrichten. Ergänzend dazu sind schulexterne Rückmeldesysteme wesentlich, die allerdings förder- und nicht sanktionsorientiert ausgerichtet sind. Diese haben zum Ziel, den Schulen «von aussen» relevante Informationen zur eigenen Schule, zum Unterricht und zum Lernen der Schüler zu geben und eine verbindliche Qualitätsentwicklung der Schulen einzufordern. Darüber hinaus sind transparente und fachlich konsistente Regelungen notwendig, die klären, welche Kompetenzen Schulen bzw. Schulleitungen sowie Schulbehörden in welchen Bereichen haben.
Ressourcen sind bereitzustellen
Was bedeutet dies nun für die Grossbaustellen? Reformprojekte wie beispielsweise die Einführung des Lehrplans 21 können nur dann für das Lernen der Schüler ertragreich sein, wenn es gelingt, die Arbeit mit dem neuen Lehrplan in den einzelnen Schulen und Klassenzimmern zu verankern. Hierzu müssen finanzielle Ressourcen bereitgestellt, kontinuierliche, am besten vor Ort durchgeführte Weiterbildungen für Lehrpersonen realisiert und muss die Professionalität der einzelnen Schule insgesamt gefördert werden. Mit der Freigabe und der Einführung des neuen Lehrplans alleine ist somit die Arbeit nicht zu Ende, sondern sie beginnt erst richtig.
Schulen, die aufgrund der Zusammensetzung der Schüler besonders herausgefordert sind, brauchen eine zusätzliche Unterstützung in finanzieller und fachlicher Hinsicht. Programme wie QUIMS (Qualität in multikulturellen Schulen) im Kanton Zürich zeigen, dass es so gelingen kann, sowohl einen spezifischen Fokus auf das Lernen der Schüler wie auch auf die professionelle Weiterentwicklung der Schulen zu legen. Das Programm QUIMS ist ein guter Ansatz, den Schülern und ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Das erfolgreiche Meistern der Grossbaustellen erfordert damit immer mindestens drei Dinge: den Blick auf die einzelne Schule, auf die Schüler sowie auf die Politik. Eine nachhaltige Förderung der Schüler ist nicht möglich ohne die Weiterentwicklung der Schule als ganzer. In dieser setzen sich die Lehrpersonen und das ganze Fachteam intensiv damit auseinander, welches optimale Unterrichtskonzepte sind, wie diese im Schulalltag realisiert werden und wie die Schüler am besten lernen können. Und die Politik? Sie hat die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen.
Katharina Maag Merki ist Professorin für Pädagogik an der Universität Zürich.

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