30. November 2014

"Befürchtungen unbegründet"

Der Bundesrat lehnt die Initiative für die Regelung des Sexualkundeunterrichts ohne Gegenvorschlag ab. Der Basler Nationalrat Sebastian Frehner versteht die Welt nicht mehr. 




Der Basler Sexkoffer sorgte für rote Köpfe, Bild: Keystone


Sexualkunde ist Sache des Kantons, Basler Zeitung, 29.11. von Daniel Ballmer



Ein Holzpenis! Eine Plüschvagina! Es war der Basler «Sexkoffer», der den Basler SVP-Nationalrat Sebastian Frehner und sein Komitee dazu brachte, eine nationale Initiative zum «Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule» zu lancieren. Der Kanton Basel-Stadt hatte vor rund drei Jahren einen Koffer mit Aufklärungsmaterial für Schulen vorgestellt. Inhalt: ein Buch mit Abbildungen von Geschlechtsteilen und entsprechende Modelle.
Der Koffer sorgte für rote Köpfe. Von unnötiger Sexualisierung der Kinder war die Rede, von pornografischem Material. Die Ende 2013 eingereichte Initiative fordert, dass es Sexualkunde nur für Schüler ab neun Jahren gibt. Zwischen dem neunten und zwölften Lebensjahr soll dieser Unterricht freiwillig sein. Danach wären obligatorische Lektionen zu Fortpflanzung und Entwicklung möglich. Diese Regeln sollen in der Bundesverfassung verankert werden.
Aufklärung erfolge viel zu früh
Den Koffer gibt es in seiner ursprünglichen Form zwar nicht mehr, dennoch erkennen die Initianten weiter Handlungsbedarf. So gebe es schweizweit Bestrebungen, schon im Kindergarten einen Sexualkundeunterricht einzuführen. Kinder ab vier Jahren müssten etwa das Ertasten der Geschlechtsteile er proben. Das sei viel zu früh, reklamieren die Initianten. Weiter werfen sie dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) vor, unter dem Vorwand der Aids-Prävention ­Sexualkundeunterricht für kleine Kinder forcieren zu wollen.
Der Bundesrat kommt zu ganz anderen Schlüssen. Er hat gestern seine Botschaft zur Initiative ans Parlament überwiesen. «Aus übergeordnetem Interesse am Kindeswohl» empfiehlt er, das Volksbegehren abzulehnen. Auf einen Gegenvorschlag verzichtet er, sieht er doch keinen Anlass für einen Eingriff in die kantonale Schulhoheit. So würde die Annahme der Initiative die Prävention behindern und die Chancengleichheit der Schülerinnen und Schüler vermindern, begründet der Bundesrat. Ein Verbot eines obligato rischen Sexualkundeunterrichts wäre nicht vereinbar mit dem Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit.
Sexualkunde unverzichtbar
Weiter betont der Bundesrat, dass schon heute im Kindergarten und bis gegen Ende der Primarschule weder ein obligatorischer Sexualkundeunterricht noch Aufklärung im eigentlichen Sinne stattfinde. «Die Sexualerziehung der Kinder und Jugendlichen liegt in der primären Verantwortung der Eltern.» Und daran solle sich auch in Zukunft nichts ändern.
Gegen Ende der Primarschule allerdings sind schulische Präventionsmassnahmen und ein Sexualkundeunterricht aus Sicht des Bundesrats unverzichtbar. «Sie schützen Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt, vor sexuell übertragbaren Krankheiten und unerwünschten Schwangerschaften.» Zudem profitierten vom Unterricht alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer Situation im Elternhaus.
Befürchtungen völlig unbegründet
Kommt hinzu: Die Volksschule sei ohnehin in der Kompetenz der Kantone und Gemeinden. Der Bundesrat zeigt sich überzeugt, dass sie ihre Aufgaben verantwortungsbewusst wahrnimmt, die Grenzen ihres Auftrags kennt und bei sensiblen Themen wie der Sexualität eng mit den Eltern zusammenarbeitet. Auch nehme die Volksschule die Bedenken gegen einen nicht altersgerechten Sexualkundeunterricht ernst. Die Volksinitiative bekämpfe jedoch Ziele, die weder von den Bildungs behörden noch von den Schulen angestrebt würden. Die Befürchtungen der Initianten, es würde obligatorischer Sexualkundeunterricht bereits im Kindergarten eingeführt, seien völlig unbegründet. Mit dieser Antwort kann Frehner allerdings gar nichts anfangen. «Der Bundesrat tut so, als ob alles nur ein Hirngespinst von uns wäre», sagt der Co-Präsident des Initiativkomitees. Dabei sei die Initiative ja konkret aufgrund des Bestrebens des BAG lanciert worden, schweizweit obligatorischen Sexualkundeunterricht einzuführen: «Die Sexbox lässt grüssen.»
«Vielleicht hat man nun auf Druck des Komitees teilweise darauf verzichtet. Aber das ist kein Grund, die Forderungen nicht in die Verfassung aufzunehmen.» Die Initiative beinhalte aber nicht, wie vom Bundesrat behauptet einen Verzicht auf Prävention, es solle einzig nicht schon auf Primarstufe einen obligatorischen Sexualkundeunterricht geben. Die Initiative sehe ja explizit die Möglichkeit der Einführung von Präventionsunterricht ab dem Kindergarten vor. «Der Bundesrat scheint sich nicht sehr intensiv mit der Initiative befasst zu haben», kommentiert Frehner.


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