Der Basler Sexkoffer sorgte für rote Köpfe, Bild: Keystone
Sexualkunde ist Sache des Kantons, Basler Zeitung, 29.11. von Daniel Ballmer
Ein
Holzpenis! Eine Plüschvagina! Es war der Basler «Sexkoffer», der den Basler
SVP-Nationalrat Sebastian Frehner und sein Komitee dazu brachte, eine nationale
Initiative zum «Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und
Primarschule» zu lancieren. Der Kanton Basel-Stadt hatte vor
rund drei Jahren einen Koffer mit Aufklärungsmaterial für Schulen vorgestellt.
Inhalt: ein Buch mit Abbildungen von Geschlechtsteilen und entsprechende
Modelle.
Der Koffer
sorgte für rote Köpfe. Von unnötiger Sexualisierung der Kinder war die Rede,
von pornografischem Material. Die Ende 2013 eingereichte Initiative fordert,
dass es Sexualkunde nur für Schüler ab neun Jahren gibt. Zwischen dem neunten
und zwölften Lebensjahr soll dieser Unterricht freiwillig sein. Danach wären
obligatorische Lektionen zu Fortpflanzung und Entwicklung möglich. Diese Regeln
sollen in der Bundesverfassung verankert werden.
Aufklärung erfolge viel zu früh
Den Koffer
gibt es in seiner ursprünglichen Form zwar nicht mehr, dennoch erkennen die
Initianten weiter Handlungsbedarf. So gebe es schweizweit Bestrebungen, schon
im Kindergarten einen Sexualkundeunterricht einzuführen. Kinder ab vier Jahren
müssten etwa das Ertasten der Geschlechtsteile er proben. Das sei viel zu früh,
reklamieren die Initianten. Weiter werfen sie dem Bundesamt für Gesundheit
(BAG) vor, unter dem Vorwand der Aids-Prävention Sexualkundeunterricht für
kleine Kinder forcieren zu wollen.
Der Bundesrat
kommt zu ganz anderen Schlüssen. Er hat gestern seine Botschaft zur Initiative
ans Parlament überwiesen. «Aus übergeordnetem Interesse am Kindeswohl»
empfiehlt er, das Volksbegehren abzulehnen. Auf einen Gegenvorschlag verzichtet
er, sieht er doch keinen Anlass für einen Eingriff in die kantonale
Schulhoheit. So würde die Annahme der Initiative die Prävention behindern und
die Chancengleichheit der Schülerinnen und Schüler vermindern, begründet der
Bundesrat. Ein Verbot eines obligato rischen Sexualkundeunterrichts wäre nicht
vereinbar mit dem Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf besonderen Schutz
ihrer Unversehrtheit.
Sexualkunde unverzichtbar
Weiter betont
der Bundesrat, dass schon heute im Kindergarten und bis gegen Ende der
Primarschule weder ein obligatorischer Sexualkundeunterricht noch Aufklärung im
eigentlichen Sinne stattfinde. «Die Sexualerziehung der Kinder und Jugendlichen
liegt in der primären Verantwortung der Eltern.» Und daran solle sich auch in
Zukunft nichts ändern.
Gegen Ende
der Primarschule allerdings sind schulische Präventionsmassnahmen und ein
Sexualkundeunterricht aus Sicht des Bundesrats unverzichtbar. «Sie schützen
Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt, vor sexuell übertragbaren
Krankheiten und unerwünschten Schwangerschaften.» Zudem profitierten vom
Unterricht alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer Situation im
Elternhaus.
Befürchtungen völlig unbegründet
Kommt hinzu:
Die Volksschule sei ohnehin in der Kompetenz der Kantone und Gemeinden. Der
Bundesrat zeigt sich überzeugt, dass sie ihre Aufgaben verantwortungsbewusst
wahrnimmt, die Grenzen ihres Auftrags kennt und bei sensiblen Themen wie der
Sexualität eng mit den Eltern zusammenarbeitet. Auch nehme die Volksschule die
Bedenken gegen einen nicht altersgerechten Sexualkundeunterricht ernst. Die
Volksinitiative bekämpfe jedoch Ziele, die weder von den Bildungs behörden noch
von den Schulen angestrebt würden. Die Befürchtungen der Initianten, es würde
obligatorischer Sexualkundeunterricht bereits im Kindergarten eingeführt, seien
völlig unbegründet. Mit dieser Antwort kann Frehner allerdings gar nichts
anfangen. «Der Bundesrat tut so, als ob alles nur ein Hirngespinst von uns
wäre», sagt der Co-Präsident des Initiativkomitees. Dabei sei die Initiative ja
konkret aufgrund des Bestrebens des BAG lanciert worden, schweizweit
obligatorischen Sexualkundeunterricht einzuführen: «Die Sexbox lässt grüssen.»
«Vielleicht
hat man nun auf Druck des Komitees teilweise darauf verzichtet. Aber das ist
kein Grund, die Forderungen nicht in die Verfassung aufzunehmen.» Die
Initiative beinhalte aber nicht, wie vom Bundesrat behauptet einen Verzicht auf
Prävention, es solle einzig nicht schon auf Primarstufe einen obligatorischen
Sexualkundeunterricht geben. Die Initiative sehe ja explizit die Möglichkeit der
Einführung von Präventionsunterricht ab dem Kindergarten vor. «Der Bundesrat
scheint sich nicht sehr intensiv mit der Initiative befasst zu haben»,
kommentiert Frehner.

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen