Nach wie vor umstritten: Frühfranzösisch und die dabei angewendete Methode, Bild: Dominik Plüss
Trotz Harmos kaum Gemeinsamkeiten, Basler Zeitung, 15.10. von Thomas Dähler
Am 26. September 2010
haben die Baselbieter Stimmberechtigten dem Bildungsraum Nordwestschweiz
zugestimmt, gleichzeitig mit den Beitritten zum Harmos- und zum
Sonderpädagogik-Konkordat. Inzwischen haben die Kantone Baselland, Aargau,
Solothurn und Basel-Stadt die Struktur der Volksschule mit dem System 6/3
vereinheitlicht. Doch harmonisiert sind die kantonalen Volksschulen deshalb
nicht. Im Gegenteil: Bei den Frühsprachen, bei der Sonderpädagogik und beim
Lehrplan 21 bricht der Bildungsraum auseinander.
«Die Zusammenarbeit im
Bildungsraum Nordwestschweiz zielt darauf ab, die Qualität, Effizienz und
Effektivität der kantonalen Bildungssysteme zu steigern und sie gemeinsam zu
harmonisieren»: So steht es in Paragraf 1 der Regierungsvereinbarung zwischen
den vier am Bildungsraum beteiligten Kantone. Doch von der einst verbreiteten
Dynamik ist inzwischen nicht mehr viel zu spüren. Am 1. Januar dieses Jahres
hat der Kanton Aargau den Vorsitz übernommen. Im Februar wurde vermeldet, dass
die Leistungschecks in den dritten Klassen gemäss den Rückmeldungen der Kantone
«erfreulich» waren. Doch flächendeckend durchgeführt hat die Checks einzig der
Kanton Basel-Stadt. Seither blieb die Verbreitung von tatsächlichen oder
vermeintlichen Erfolgsmeldungen gänzlich aus.
Der letzte publizierte
Tätigkeitsbericht des Bildungsraums Nordwestschweiz ist derjenige von 2012. Ob
es für 2013 einen solchen Bericht gibt, ist nicht bekannt. Publiziert wurde
keiner. Auch die auf der eigens eingerichteten Internetseite publizierte
Projektliste ist nicht nachgeführt. Die dort verbreiteten Termine entsprechen
nicht dem neusten Stand. In der Volksschule ist die Harmonisierung dort ins
Stocken geraten, wo schon immer die grössten Differenzen bestanden: beim
einheitlichen Lehrplan, bei den Frühsprachen und bei der Integrierten Schulung.
Es rächt sich, dass alle drei Bereiche vornehmlich den Fachexperten anvertraut
wurden, das Volk und die Politik übergangen und die finanziellen Auswirkungen
verharmlost wurden.
Nur Basel-Stadt hält den
Kurs
Voll im einst vereinbarten
Harmonisierungsfahrplan befindet sich nur der Kanton Basel-Stadt – jener
Kanton, der seine Volksschule anders als die drei anderen Kantone vollständig
neu strukturieren musste. Ob Basels Schüler dank seiner neuen Struktur künftig
erfolgreicher sind, ist deswegen aber nicht garantiert.
Bei den Frühsprachen haben
sich die vier Kantone von allem Anfang an nicht auf eine gemeinsame Reihenfolge
einigen können. Inzwischen zeichnet sich auch landesweit ab, dass sich die
Kantone bei den Frühsprachen überhaupt nicht einigen werden. Im Bildungsraum
Nordwestschweiz lassen Rückmeldungen aus der Lehrerschaft vermuten, dass sich
beim Frühfranzösisch und beim Frühenglisch nicht die Erfolge einstellen, die
sich die Fachleute erhofft haben – auch nicht im Aargau, wo Frühenglisch schon
seit 2008 unterrichtet wird. Frühfranzösisch hat der Aargau wegen der
anhaltenden Kritik bis heute nicht eingeführt. Nicht ausgeschlossen ist, dass
jetzt der Bund nachträglich Korrekturen am Sprachenprogramm vornehmen wird,
sodass die Kantone ihre Sprachkonzepte nachkorrigieren müssen. Der Bund wird
diese Möglichkeit gemäss Verfassung wahrnehmen können, weil das Harmos-Konkordat
an der nötigen Mindestzahl von beigetretenen Kantonen scheitern wird und nicht
allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Heute ist die wahrscheinlichste
Prognose, dass der Bund einzig eine zweite Landessprache ab der 5. Klasse für
verbindlich erklären wird.
Ebenso uneinheitlich gehen
die vier Kantone mit der Integrierten Schulung um. Im Aargau betreiben die
Gemeinden die Sonderpädagogik mit minimalen kantonalen Vorgaben. Solothurn hat
die Kleinklassen aufgehoben und führt jetzt einen Versuch in integrativer
Förderung durch. Zuständig sind die Gemeinden. Basel-Stadt setzt ein Konzept
um, bei dem die integrative Schulung wenn immer möglich Vorrang hat. In
Baselland ist alles offen; der Landrat hat die Vorlage zurückgewiesen.
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