21. Oktober 2014

Lobeshymne für Mosaikschulmodell

Die Berner Oberstufenschule Munziger hat das Mosaikmodell eingeführt. Die Schüler können nun selber entscheiden, wie, was und wann sie lernen wollen. Eine Achtklässlerin und ihre Eltern ziehen eine positive Bilanz.




Die Mutter stellt fest, dass ihre Tochter jetzt zufriedener nach Hause kommt, Bild: Susanne Keller

Das freie Lernen kommt an, Berner Zeitung, 21.10. von Tobias Marti


Neues Schuljahr, neues Schulsystem: Vieles hat sich für Anja Kupferschmid nach den Sommerferien geändert. Sie kam von der Siebten in die Achte, ihre ganze Klasse ist neu zusammengemischt, und auch die Unterrichtsform ist anders: Seit diesem Schuljahr ist sie nämlich eine Mosaikschülerin.
Wie die anderen Schüler der siebten bis neunten Klassen der Berner Oberstufenschule Munzinger kann sie nun selber entscheiden, was, wann, wie, wo und mit wem sie lernen will. Rund 30 Prozent des Mosaikunterrichts geschehen in diesem selbst organisierten Lernen (SOL).
Es herrscht kein «Larifari» im Unterricht
Der 13-jährigen Sekundarschülerin gefällt das neue Modell: «Ich arbeite gerne frei und schätze es, dass ich im Unterricht selber entscheiden kann», sagt sie. Das Modell, in dem Anja Kupferschmid unterrichtet wird, basiert auf der Idee, dass die Schülerinnen und Schüler nicht mehr nach ihrem Alter eingeteilt werden. Vielmehr versucht die Oberstufenschule Munzinger, den Unterricht individualisiert zu gestalten. Damit sollen individuelle Stärken und Kapazitäten gefördert werden.
Die erste halbe Stunde des Tages ist fürs Aufstarten gedacht: Dabei geht es darum, dass sich Schüler und Lehrer absprechen, was zu tun ist. Die Schüler erarbeiten dabei den Stoff selbstständig in kleinen Gruppen.
Die Lehrpersonen würden aber sehr wohl kontrollieren, wie sich die Schüler benehmen, betont Anja Kupferschmid: «Schüler, die stören, erhalten weniger Freiheiten als andere», erklärt sie.
Auch die Eltern sind zufrieden mit dem neuen Schulmodell
Als im Munzinger das Mosaikmodell eingeführt wurde, befürchteten manche Eltern, dass ihr Kind nun anderen, hilfsbedürftigeren Kindern helfen müsse und darum selber nicht mehr genug lerne. Anja Kupferschmid sieht dabei kein Problem: «Wenn ich einem Mitschüler helfe, habe ich auch was davon, weil ich den Stoff wiederhole», sagt sie.
Manche Eltern wiederum sahen den Übertritt ins Gymnasium gefährdet. Etwa weil es weniger Tests geben würde. Dies sei in ihrer Klasse aber nicht der Fall, sagt die Oberstufenschülerin. «Wir hatten bis jetzt etwa gleich viele Tests wie letztes Jahr», sagt sie.
Und was sagen Anjas Eltern dazu, dass an ihrer Tochter ein neuartiges Schulmodell ausgetestet wird? «Sie kommt auf jeden Fall zufriedener nach Hause», sagen Hans und Karin Kupferschmid unisono. Wegen allfälliger Lerndefizite oder «Larifari» im Unterricht machen sich Anjas Eltern keine Sorgen: «Der Unterricht ist nicht weniger streng als vorher», sagt Karin Kupferschmid. Im Klassenzimmer sei immer ein Lehrer anwesend, und auch zu Hause müsse immer noch gelernt werden.
Anjas Vater, BDP-Stadtrat Hans Kupferschmid, war viele Jahre im Elternrat sowie in der Schulkommission tätig. Die Familie habe sich darum schon länger mit dem Modell auseinandergesetzt, sagt er. Er ist überzeugt: «Die Mosaikschule ist das Zukunftsmodell für die Stadtberner Oberstufe.»
«Die Durchschnittsschüler könnten vergessen gehen»
Und welche Nachteile bringt das neue Modell? Die guten Schüler und solche, die Mühe haben, würden gefördert. Aber die Durchschnittlichen könnten vergessen gehen, sagt Hans Kupferschmid.
Und das Computerprogramm, der sogenannte Infomentor, mit dem für Schüler und Lehrer ersichtlich ist, wie es um die Lernfortschritte in den einzelnen Fächern steht, sei noch nicht ausgereift. Die Tochter widerspricht: «Das Programm läuft super, ich brauche es oft.» Für einmal, so scheint es, ist die Familie Kupferschmid beim Thema Mosaikunterricht nicht einer Meinung.


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